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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Angabe des Chirurgen aus Hildesheim lautet, so läßt sich
doch unmöglich annehmen, daß der Berg, auf dessen Gipfel
sich ein See befindet, nördlich vom Parallel von 2° 1/2' liege,
und diese Breite kommt ungefähr mit der des Cerro Unturan
überein. Es ergibt sich daraus, daß Hortsmanns Alpsee, der
d'Anvilles Aufmerksamkeit entgangen ist, und der vielleicht
mitten in einer Berggruppe liegt, nordöstlich vom Trageplatz
zwischen dem Idapa und Mavaca und südöstlich vom Orinoko,
oberhalb Esmeralda, zu suchen ist.

Die meisten Geschichtschreiber, welche die ersten Jahr-
hunderte nach der Eroberung beschrieben haben, schienen der
festen Ansicht, daß die Namen Provincias und Pais del
Dorado
ursprünglich jeden goldreichen Landstrich bedeuteten.
Sie vergessen den etymologischen Sinn des Wortes Dorado
(der Vergoldete) und bemerken nicht, daß die Sage ein
Lokalmythus ist, wie ja auch fast alle Mythen der Griechen,
Hindu und Perser. Die Geschichte vom vergoldeten
Mann
ist ursprünglich in den Anden von Neugranada zu
Hause, besonders auf den Niederungen am Ostabhange der-
selben; nur allmählich, wie ich oben gezeigt, sieht man sie
1350 km gegen Ost-Nord-Ost von den Quellen des Caqueta
an die des Rio Branco und des Essequibo herüberrücken.
Man hat in verschiedenen Gegenden von Südamerika bis zum
Jahr 1536 Gold gesucht, ohne daß das Wort Dorado aus-
gesprochen worden wäre, und ohne daß man an die Existenzen
eines anderen Mittelpunktes der Kultur und der Schätze als
das Reich der Inka von Cuzco geglaubt hätte. Länder, aus
denen gegenwärtig auch nicht die kleinste Menge edlen Metalls
in den Handel kommt, die Küste von Paria, Terra Firma
(Castilla del Oro), die Berge von Santa Marta und die
Landenge Darien waren damals so vielberufen, wie in neuerer
Zeit der goldhaltige Boden in Sonora, Choco und Brasilien.

Diego de Ordaz (1531) und Alonzo de Herrera (1535)
zogen auf ihren Entdeckungsreisen an den Ufern des unteren
Orinoko hin. Ersterer ist der berüchtigte Konquistador von
Mexiko, der sich rühmte, Schwefel aus dem Krater des Piks
Popokatepetl geholt zu haben, und dem Karl V. die Erlaubnis
erteilte, einen brennenden Vulkan im Wappen zu führen.
Ordaz war zum Adelantado allen Landes ernannt worden,
das er zwischen Brasilien und Venezuela erobern könnte, und
das damals das Land der deutschen Kompanie der Welser
(Velzares) hieß, und ging auf seinem Zuge von der Mündung

Angabe des Chirurgen aus Hildesheim lautet, ſo läßt ſich
doch unmöglich annehmen, daß der Berg, auf deſſen Gipfel
ſich ein See befindet, nördlich vom Parallel von 2° ½′ liege,
und dieſe Breite kommt ungefähr mit der des Cerro Unturan
überein. Es ergibt ſich daraus, daß Hortsmanns Alpſee, der
d’Anvilles Aufmerkſamkeit entgangen iſt, und der vielleicht
mitten in einer Berggruppe liegt, nordöſtlich vom Trageplatz
zwiſchen dem Idapa und Mavaca und ſüdöſtlich vom Orinoko,
oberhalb Esmeralda, zu ſuchen iſt.

Die meiſten Geſchichtſchreiber, welche die erſten Jahr-
hunderte nach der Eroberung beſchrieben haben, ſchienen der
feſten Anſicht, daß die Namen Provincias und Pais del
Dorado
urſprünglich jeden goldreichen Landſtrich bedeuteten.
Sie vergeſſen den etymologiſchen Sinn des Wortes Dorado
(der Vergoldete) und bemerken nicht, daß die Sage ein
Lokalmythus iſt, wie ja auch faſt alle Mythen der Griechen,
Hindu und Perſer. Die Geſchichte vom vergoldeten
Mann
iſt urſprünglich in den Anden von Neugranada zu
Hauſe, beſonders auf den Niederungen am Oſtabhange der-
ſelben; nur allmählich, wie ich oben gezeigt, ſieht man ſie
1350 km gegen Oſt-Nord-Oſt von den Quellen des Caqueta
an die des Rio Branco und des Eſſequibo herüberrücken.
Man hat in verſchiedenen Gegenden von Südamerika bis zum
Jahr 1536 Gold geſucht, ohne daß das Wort Dorado aus-
geſprochen worden wäre, und ohne daß man an die Exiſtenzen
eines anderen Mittelpunktes der Kultur und der Schätze als
das Reich der Inka von Cuzco geglaubt hätte. Länder, aus
denen gegenwärtig auch nicht die kleinſte Menge edlen Metalls
in den Handel kommt, die Küſte von Paria, Terra Firma
(Castilla del Oro), die Berge von Santa Marta und die
Landenge Darien waren damals ſo vielberufen, wie in neuerer
Zeit der goldhaltige Boden in Sonora, Choco und Braſilien.

Diego de Ordaz (1531) und Alonzo de Herrera (1535)
zogen auf ihren Entdeckungsreiſen an den Ufern des unteren
Orinoko hin. Erſterer iſt der berüchtigte Konquiſtador von
Mexiko, der ſich rühmte, Schwefel aus dem Krater des Piks
Popokatepetl geholt zu haben, und dem Karl V. die Erlaubnis
erteilte, einen brennenden Vulkan im Wappen zu führen.
Ordaz war zum Adelantado allen Landes ernannt worden,
das er zwiſchen Braſilien und Venezuela erobern könnte, und
das damals das Land der deutſchen Kompanie der Welſer
(Velzares) hieß, und ging auf ſeinem Zuge von der Mündung

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[198/0206] Angabe des Chirurgen aus Hildesheim lautet, ſo läßt ſich doch unmöglich annehmen, daß der Berg, auf deſſen Gipfel ſich ein See befindet, nördlich vom Parallel von 2° ½′ liege, und dieſe Breite kommt ungefähr mit der des Cerro Unturan überein. Es ergibt ſich daraus, daß Hortsmanns Alpſee, der d’Anvilles Aufmerkſamkeit entgangen iſt, und der vielleicht mitten in einer Berggruppe liegt, nordöſtlich vom Trageplatz zwiſchen dem Idapa und Mavaca und ſüdöſtlich vom Orinoko, oberhalb Esmeralda, zu ſuchen iſt. Die meiſten Geſchichtſchreiber, welche die erſten Jahr- hunderte nach der Eroberung beſchrieben haben, ſchienen der feſten Anſicht, daß die Namen Provincias und Pais del Dorado urſprünglich jeden goldreichen Landſtrich bedeuteten. Sie vergeſſen den etymologiſchen Sinn des Wortes Dorado (der Vergoldete) und bemerken nicht, daß die Sage ein Lokalmythus iſt, wie ja auch faſt alle Mythen der Griechen, Hindu und Perſer. Die Geſchichte vom vergoldeten Mann iſt urſprünglich in den Anden von Neugranada zu Hauſe, beſonders auf den Niederungen am Oſtabhange der- ſelben; nur allmählich, wie ich oben gezeigt, ſieht man ſie 1350 km gegen Oſt-Nord-Oſt von den Quellen des Caqueta an die des Rio Branco und des Eſſequibo herüberrücken. Man hat in verſchiedenen Gegenden von Südamerika bis zum Jahr 1536 Gold geſucht, ohne daß das Wort Dorado aus- geſprochen worden wäre, und ohne daß man an die Exiſtenzen eines anderen Mittelpunktes der Kultur und der Schätze als das Reich der Inka von Cuzco geglaubt hätte. Länder, aus denen gegenwärtig auch nicht die kleinſte Menge edlen Metalls in den Handel kommt, die Küſte von Paria, Terra Firma (Castilla del Oro), die Berge von Santa Marta und die Landenge Darien waren damals ſo vielberufen, wie in neuerer Zeit der goldhaltige Boden in Sonora, Choco und Braſilien. Diego de Ordaz (1531) und Alonzo de Herrera (1535) zogen auf ihren Entdeckungsreiſen an den Ufern des unteren Orinoko hin. Erſterer iſt der berüchtigte Konquiſtador von Mexiko, der ſich rühmte, Schwefel aus dem Krater des Piks Popokatepetl geholt zu haben, und dem Karl V. die Erlaubnis erteilte, einen brennenden Vulkan im Wappen zu führen. Ordaz war zum Adelantado allen Landes ernannt worden, das er zwiſchen Braſilien und Venezuela erobern könnte, und das damals das Land der deutſchen Kompanie der Welſer (Velzares) hieß, und ging auf ſeinem Zuge von der Mündung

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/206>, abgerufen am 23.11.2024.