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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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spanischen Karte des La Cruz Olmedilla. Eine Linie darauf,
welche den Landstrich bezeichnet, den Don Jose Solano ent-
deckt und durch seine Truppen und Emissäre zur Ruhe ge-
bracht haben wollte, hielt man für den Weg, den der Kom-
missär zurückgelegt, während er nie über San Fernando de
Atabapo, das 720 km vom angeblichen See Parime liegt,
hinausgekommen ist. Man versäumte es, das Werk des Pater
Caulin zu Rate zu ziehen, des Geschichtschreibers von Solanos
Expedition, der nach den Angaben der Indianer sehr klar
auseinandersetzt, "wie der Name des Flusses Parime das
Märchen vom Dorado und einem Binnenmeere veranlaßt hat".
Ganz unbenutzt ließ man ferner eine Karte vom Orinoko,
die drei Jahre jünger ist als die von La Cruz, und die
von Surville nach dem ganzen zuverlässigen wie hypothetischen
Material in den Archiven des Despacho universal de Indias
gezeichnet wurde. Die Fortschritte der Geographie, soweit
sie sich auf den Karten zu erkennen geben, sind weit lang-
samer, als man nach der Menge brauchbarer Resultate, die
in den Litteraturen der verschiedenen Völker zerstreut sind,
glauben sollte. Astronomische Beobachtungen, topographische
Nachweisungen häufen sich viele Jahre lang an, ohne daß sie
benutzt werden, und aus sonst sehr lobenswertem Konserva-
tismus wollen die Kartenzeichner oft lieber nichts Neues
bringen, als einen See, eine Bergkette oder ein Flußnetz opfern,
die man nun einmal seit Jahrhunderten eingezeichnet hat.

Da die fabelhaften Sagen vom Dorado und vom See
Parime nach dem Charakter der Länder, denen man sie an-
passen wollte, verschiedentlich gewendet worden sind, so ist
herauszufinden, was daran richtig sein mag und was rein
chimärisch ist. Um nicht zu sehr ins einzelne zu gehen, was
besser der "Analyse des geographischen Atlas" vorbehalten
bleibt, mache ich den Leser vor allem auf die Oertlichkeiten
aufmerksam, welche zu verschiedenen Zeiten der Schauplatz
der Expeditionen zur Entdeckung des Dorado gewesen. Hat
man sich mit der Physiognomie des Landes und mit den
örtlichen Umständen, wie wir sie jetzt zu beschreiben imstande
sind, bekannt gemacht, so wird einem klar, wie die verschie-
denen Voraussetzungen auf unseren Karten nach und nach
entstehen und einander modifizieren konnten. Um einen Irr-
tum zu berichtigen, hat man nur die wechselnden Gestalten
zu betrachten, unter denen er zu verschiedenen Zeiten aufge-
treten ist.


ſpaniſchen Karte des La Cruz Olmedilla. Eine Linie darauf,
welche den Landſtrich bezeichnet, den Don Joſe Solano ent-
deckt und durch ſeine Truppen und Emiſſäre zur Ruhe ge-
bracht haben wollte, hielt man für den Weg, den der Kom-
miſſär zurückgelegt, während er nie über San Fernando de
Atabapo, das 720 km vom angeblichen See Parime liegt,
hinausgekommen iſt. Man verſäumte es, das Werk des Pater
Caulin zu Rate zu ziehen, des Geſchichtſchreibers von Solanos
Expedition, der nach den Angaben der Indianer ſehr klar
auseinanderſetzt, „wie der Name des Fluſſes Parime das
Märchen vom Dorado und einem Binnenmeere veranlaßt hat“.
Ganz unbenutzt ließ man ferner eine Karte vom Orinoko,
die drei Jahre jünger iſt als die von La Cruz, und die
von Surville nach dem ganzen zuverläſſigen wie hypothetiſchen
Material in den Archiven des Despacho universal de Indias
gezeichnet wurde. Die Fortſchritte der Geographie, ſoweit
ſie ſich auf den Karten zu erkennen geben, ſind weit lang-
ſamer, als man nach der Menge brauchbarer Reſultate, die
in den Litteraturen der verſchiedenen Völker zerſtreut ſind,
glauben ſollte. Aſtronomiſche Beobachtungen, topographiſche
Nachweiſungen häufen ſich viele Jahre lang an, ohne daß ſie
benutzt werden, und aus ſonſt ſehr lobenswertem Konſerva-
tismus wollen die Kartenzeichner oft lieber nichts Neues
bringen, als einen See, eine Bergkette oder ein Flußnetz opfern,
die man nun einmal ſeit Jahrhunderten eingezeichnet hat.

Da die fabelhaften Sagen vom Dorado und vom See
Parime nach dem Charakter der Länder, denen man ſie an-
paſſen wollte, verſchiedentlich gewendet worden ſind, ſo iſt
herauszufinden, was daran richtig ſein mag und was rein
chimäriſch iſt. Um nicht zu ſehr ins einzelne zu gehen, was
beſſer der „Analyſe des geographiſchen Atlas“ vorbehalten
bleibt, mache ich den Leſer vor allem auf die Oertlichkeiten
aufmerkſam, welche zu verſchiedenen Zeiten der Schauplatz
der Expeditionen zur Entdeckung des Dorado geweſen. Hat
man ſich mit der Phyſiognomie des Landes und mit den
örtlichen Umſtänden, wie wir ſie jetzt zu beſchreiben imſtande
ſind, bekannt gemacht, ſo wird einem klar, wie die verſchie-
denen Vorausſetzungen auf unſeren Karten nach und nach
entſtehen und einander modifizieren konnten. Um einen Irr-
tum zu berichtigen, hat man nur die wechſelnden Geſtalten
zu betrachten, unter denen er zu verſchiedenen Zeiten aufge-
treten iſt.


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[188/0196] ſpaniſchen Karte des La Cruz Olmedilla. Eine Linie darauf, welche den Landſtrich bezeichnet, den Don Joſe Solano ent- deckt und durch ſeine Truppen und Emiſſäre zur Ruhe ge- bracht haben wollte, hielt man für den Weg, den der Kom- miſſär zurückgelegt, während er nie über San Fernando de Atabapo, das 720 km vom angeblichen See Parime liegt, hinausgekommen iſt. Man verſäumte es, das Werk des Pater Caulin zu Rate zu ziehen, des Geſchichtſchreibers von Solanos Expedition, der nach den Angaben der Indianer ſehr klar auseinanderſetzt, „wie der Name des Fluſſes Parime das Märchen vom Dorado und einem Binnenmeere veranlaßt hat“. Ganz unbenutzt ließ man ferner eine Karte vom Orinoko, die drei Jahre jünger iſt als die von La Cruz, und die von Surville nach dem ganzen zuverläſſigen wie hypothetiſchen Material in den Archiven des Despacho universal de Indias gezeichnet wurde. Die Fortſchritte der Geographie, ſoweit ſie ſich auf den Karten zu erkennen geben, ſind weit lang- ſamer, als man nach der Menge brauchbarer Reſultate, die in den Litteraturen der verſchiedenen Völker zerſtreut ſind, glauben ſollte. Aſtronomiſche Beobachtungen, topographiſche Nachweiſungen häufen ſich viele Jahre lang an, ohne daß ſie benutzt werden, und aus ſonſt ſehr lobenswertem Konſerva- tismus wollen die Kartenzeichner oft lieber nichts Neues bringen, als einen See, eine Bergkette oder ein Flußnetz opfern, die man nun einmal ſeit Jahrhunderten eingezeichnet hat. Da die fabelhaften Sagen vom Dorado und vom See Parime nach dem Charakter der Länder, denen man ſie an- paſſen wollte, verſchiedentlich gewendet worden ſind, ſo iſt herauszufinden, was daran richtig ſein mag und was rein chimäriſch iſt. Um nicht zu ſehr ins einzelne zu gehen, was beſſer der „Analyſe des geographiſchen Atlas“ vorbehalten bleibt, mache ich den Leſer vor allem auf die Oertlichkeiten aufmerkſam, welche zu verſchiedenen Zeiten der Schauplatz der Expeditionen zur Entdeckung des Dorado geweſen. Hat man ſich mit der Phyſiognomie des Landes und mit den örtlichen Umſtänden, wie wir ſie jetzt zu beſchreiben imſtande ſind, bekannt gemacht, ſo wird einem klar, wie die verſchie- denen Vorausſetzungen auf unſeren Karten nach und nach entſtehen und einander modifizieren konnten. Um einen Irr- tum zu berichtigen, hat man nur die wechſelnden Geſtalten zu betrachten, unter denen er zu verſchiedenen Zeiten aufge- treten iſt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/196>, abgerufen am 23.11.2024.