Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.seinem König geleistet, indem er den Eltern die Kinder (los Am 1. April. Mit Sonnenaufgang verabschiedeten wir Die Guamos sind ein Indianerstamm, der sehr schwer ſeinem König geleiſtet, indem er den Eltern die Kinder (los Am 1. April. Mit Sonnenaufgang verabſchiedeten wir Die Guamos ſind ein Indianerſtamm, der ſehr ſchwer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0034" n="26"/> ſeinem König geleiſtet, indem er den Eltern die Kinder (<hi rendition="#aq">los<lb/> Indiecitos</hi>) genommen und in die Miſſionen verteilt.“ Welch<lb/> ſeltſamen Eindruck machte es, in dieſer weiten Einöde bei<lb/> einem Manne, der von europäiſcher Abkunft zu ſein glaubt<lb/> und kein anderes Obdach kennt als den Schatten eines Baumes,<lb/> alle eitle Anmaßung, alle ererbten Vorurteile, alle Verkehrt-<lb/> heiten einer alten Kultur anzutreffen!</p><lb/> <p>Am 1. April. Mit Sonnenaufgang verabſchiedeten wir<lb/> uns von Señor Don Ignacio und von Señora Doña Iſa-<lb/> bela, ſeiner Gemahlin. Die Luft war abgekühlt; der Thermo-<lb/> meter, der bei Tag meiſt auf 30 bis 35° ſtand, war auf 24°<lb/> gefallen. Die Temperatur des Fluſſes blieb ſich faſt ganz<lb/> gleich, ſie war fortwährend 26 bis 27°. Der Strom trieb<lb/> eine ungeheure Menge Baumſtämme. Man ſollte meinen,<lb/> auf einem völlig ebenen Boden, wo das Auge nicht die ge-<lb/> ringſte Erhöhung bemerkt, hätte ſich der Fluß durch die Gewalt<lb/> ſeiner Strömung einen ganz geraden Kanal graben müſſen.<lb/> Ein Blick auf die Karte, die ich nach meinen Aufnahmen mit<lb/> dem Kompaß entworfen, zeigt das Gegenteil. Das abſpülende<lb/> Waſſer findet an beiden Ufern nicht denſelben Widerſtand,<lb/> und faſt unmerkliche Bodenerhöhungen geben zu ſtarken Krüm-<lb/> mungen Anlaß. Unterhalb des <hi rendition="#g">Jovals</hi>, wo das Flußbett<lb/> etwas breiter wird, bildet dasſelbe wirklich einen Kanal, der<lb/> mit der Schnur gezogen ſcheint und zu beiden Seiten von<lb/> ſehr hohen Bäumen beſchattet iſt. Dieſes Stück des Fluſſes<lb/> heißt <hi rendition="#aq">Caño rico;</hi> ich fand dasſelbe 265 <hi rendition="#aq">m</hi> breit. Wir kamen<lb/> an einer niedrigen Inſel vorüber, auf der Flamingo, roſen-<lb/> farbige Löffelgänſe, Reiher und Waſſerhühner, die das mannig-<lb/> faltigſte Farbenſpiel boten, zu Tauſenden niſteten. Die Vögel<lb/> waren ſo dicht aneinander gedrängt, daß man meinte, ſie<lb/> könnten ſich gar nicht rühren. Die Inſel heißt Isla de<lb/> Aves. Weiterhin fuhren wir an der Stelle vorbei, wo der<lb/> Apure einen Arm (den Rio Arichuna) an den Cabullare ab-<lb/> gibt und dadurch bedeutend an Waſſer verliert. Wir hielten<lb/> am rechten Ufer bei einer kleinen indianiſchen, vom Stamme<lb/> der Guamos bewohnten Miſſion. Es ſtanden erſt 16 bis<lb/> 18 Hütten aus Palmblättern; aber auf den ſtatiſtiſchen Ta-<lb/> bellen, welche die Miſſionäre jährlich bei Hofe einreichen, wird<lb/> dieſe Gruppe von Hütten als das <hi rendition="#g">Dorf Santa Barbara<lb/> de Arichuna</hi> aufgeführt.</p><lb/> <p>Die Guamos ſind ein Indianerſtamm, der ſehr ſchwer<lb/> ſeßhaft zu machen iſt. Sie haben in ihren Sitten vieles mit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0034]
ſeinem König geleiſtet, indem er den Eltern die Kinder (los
Indiecitos) genommen und in die Miſſionen verteilt.“ Welch
ſeltſamen Eindruck machte es, in dieſer weiten Einöde bei
einem Manne, der von europäiſcher Abkunft zu ſein glaubt
und kein anderes Obdach kennt als den Schatten eines Baumes,
alle eitle Anmaßung, alle ererbten Vorurteile, alle Verkehrt-
heiten einer alten Kultur anzutreffen!
Am 1. April. Mit Sonnenaufgang verabſchiedeten wir
uns von Señor Don Ignacio und von Señora Doña Iſa-
bela, ſeiner Gemahlin. Die Luft war abgekühlt; der Thermo-
meter, der bei Tag meiſt auf 30 bis 35° ſtand, war auf 24°
gefallen. Die Temperatur des Fluſſes blieb ſich faſt ganz
gleich, ſie war fortwährend 26 bis 27°. Der Strom trieb
eine ungeheure Menge Baumſtämme. Man ſollte meinen,
auf einem völlig ebenen Boden, wo das Auge nicht die ge-
ringſte Erhöhung bemerkt, hätte ſich der Fluß durch die Gewalt
ſeiner Strömung einen ganz geraden Kanal graben müſſen.
Ein Blick auf die Karte, die ich nach meinen Aufnahmen mit
dem Kompaß entworfen, zeigt das Gegenteil. Das abſpülende
Waſſer findet an beiden Ufern nicht denſelben Widerſtand,
und faſt unmerkliche Bodenerhöhungen geben zu ſtarken Krüm-
mungen Anlaß. Unterhalb des Jovals, wo das Flußbett
etwas breiter wird, bildet dasſelbe wirklich einen Kanal, der
mit der Schnur gezogen ſcheint und zu beiden Seiten von
ſehr hohen Bäumen beſchattet iſt. Dieſes Stück des Fluſſes
heißt Caño rico; ich fand dasſelbe 265 m breit. Wir kamen
an einer niedrigen Inſel vorüber, auf der Flamingo, roſen-
farbige Löffelgänſe, Reiher und Waſſerhühner, die das mannig-
faltigſte Farbenſpiel boten, zu Tauſenden niſteten. Die Vögel
waren ſo dicht aneinander gedrängt, daß man meinte, ſie
könnten ſich gar nicht rühren. Die Inſel heißt Isla de
Aves. Weiterhin fuhren wir an der Stelle vorbei, wo der
Apure einen Arm (den Rio Arichuna) an den Cabullare ab-
gibt und dadurch bedeutend an Waſſer verliert. Wir hielten
am rechten Ufer bei einer kleinen indianiſchen, vom Stamme
der Guamos bewohnten Miſſion. Es ſtanden erſt 16 bis
18 Hütten aus Palmblättern; aber auf den ſtatiſtiſchen Ta-
bellen, welche die Miſſionäre jährlich bei Hofe einreichen, wird
dieſe Gruppe von Hütten als das Dorf Santa Barbara
de Arichuna aufgeführt.
Die Guamos ſind ein Indianerſtamm, der ſehr ſchwer
ſeßhaft zu machen iſt. Sie haben in ihren Sitten vieles mit
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