unteren Zufluß das Wasser eines oberen nicht herunterkommt, sondern daß im Gegenteil jener diesem einen Teil seines Wassers in einer der Richtung des Hauptwasserbehälters ent- gegengesetzten Richtung zusendet. Ich habe mehrere Beispiele dieser Verzweigungen mit Gegenströmungen, dieses scheinbaren Wasserlaufs bergan, dieser Flußgabelungen, derer Kenntnis für die Hydrographen von Interesse ist, auf einer Tafel meines Atlas zusammengestellt. Dieselbe mag ihnen zeigen, daß man nicht geradezu alles für Fabel erklären darf, was von dem Typus abweicht, den wir uns nach Beobachtungen gebildet, die einen zu unbedeutenden Teil der Erdoberfläche umfassen.
Der Cababuri fällt bei der Mission Nossa Senhora das Caldas in den Rio Negro; aber die Flüsse Ya und Dimity, die weiter oben hereinkommen, stehen auch mit dem Cababuri in Verbindung, so daß von der Schanze San Gabriel de Cachoeiras an bis San Antonio de Castanheira die Indianer aus den portugiesischen Besitzungen auf dem Baria und dem Pacimoni auf das Gebiet der spanischen Missionen sich ein- schleichen können. Wenn ich sage Gebiet, so brauche ich den gewöhnlichen Ausdruck der Observanten. Es ist schwer zu sagen, auf was sich das Eigentumsrecht in unbewohnten Län- dern gründet, deren natürliche Grenzen man nicht kennt und die man nicht zu kultivieren versucht hat. In den portu- giesischen Missionen behaupten die Leute, ihr Gebiet erstrecke sich überall so weit, als sie im Kanoe auf einem Fluß, dessen Mündung in portugiesischem Besitz ist, gelangen können. Aber Besitzergreifung ist eine Handlung, die durchaus nicht immer ein Eigentumsrecht begründet, und nach den obigen Bemer- kungen über die vielfachen Verzweigungen der Flüsse dürfte es für die Höfe von Madrid und Lissabon gleich gefährlich sein, diesen seltsamen Satz der Missionsjurisprudenz gelten zu lassen.
Der Hauptzweck bei den Einfällen auf dem Rio Caba- buri ist, Sarsaparille und die aromatischen Samen des Pu- cherylorbeers (Laurus Pichurim) zu sammeln. Man geht dieser kostbaren Produkte wegen bis auf zwei Tagereisen von Esmeralda an einen See nördlich von Cerro Unturan hinauf, und zwar über die Trageplätze zwischen dem Pacimoni und Idapa, und dem Idapa und dem Mavaca, nicht weit vom See desselben Namens. Die Sarsaparille von diesem Land- strich steht in Gran-Para, in Angostura, Cumana, Nueva
unteren Zufluß das Waſſer eines oberen nicht herunterkommt, ſondern daß im Gegenteil jener dieſem einen Teil ſeines Waſſers in einer der Richtung des Hauptwaſſerbehälters ent- gegengeſetzten Richtung zuſendet. Ich habe mehrere Beiſpiele dieſer Verzweigungen mit Gegenſtrömungen, dieſes ſcheinbaren Waſſerlaufs bergan, dieſer Flußgabelungen, derer Kenntnis für die Hydrographen von Intereſſe iſt, auf einer Tafel meines Atlas zuſammengeſtellt. Dieſelbe mag ihnen zeigen, daß man nicht geradezu alles für Fabel erklären darf, was von dem Typus abweicht, den wir uns nach Beobachtungen gebildet, die einen zu unbedeutenden Teil der Erdoberfläche umfaſſen.
Der Cababuri fällt bei der Miſſion Noſſa Senhora das Caldas in den Rio Negro; aber die Flüſſe Ya und Dimity, die weiter oben hereinkommen, ſtehen auch mit dem Cababuri in Verbindung, ſo daß von der Schanze San Gabriel de Cachoeiras an bis San Antonio de Caſtanheira die Indianer aus den portugieſiſchen Beſitzungen auf dem Baria und dem Pacimoni auf das Gebiet der ſpaniſchen Miſſionen ſich ein- ſchleichen können. Wenn ich ſage Gebiet, ſo brauche ich den gewöhnlichen Ausdruck der Obſervanten. Es iſt ſchwer zu ſagen, auf was ſich das Eigentumsrecht in unbewohnten Län- dern gründet, deren natürliche Grenzen man nicht kennt und die man nicht zu kultivieren verſucht hat. In den portu- gieſiſchen Miſſionen behaupten die Leute, ihr Gebiet erſtrecke ſich überall ſo weit, als ſie im Kanoe auf einem Fluß, deſſen Mündung in portugieſiſchem Beſitz iſt, gelangen können. Aber Beſitzergreifung iſt eine Handlung, die durchaus nicht immer ein Eigentumsrecht begründet, und nach den obigen Bemer- kungen über die vielfachen Verzweigungen der Flüſſe dürfte es für die Höfe von Madrid und Liſſabon gleich gefährlich ſein, dieſen ſeltſamen Satz der Miſſionsjurisprudenz gelten zu laſſen.
Der Hauptzweck bei den Einfällen auf dem Rio Caba- buri iſt, Sarſaparille und die aromatiſchen Samen des Pu- cherylorbeers (Laurus Pichurim) zu ſammeln. Man geht dieſer koſtbaren Produkte wegen bis auf zwei Tagereiſen von Esmeralda an einen See nördlich von Cerro Unturan hinauf, und zwar über die Trageplätze zwiſchen dem Pacimoni und Idapa, und dem Idapa und dem Mavaca, nicht weit vom See desſelben Namens. Die Sarſaparille von dieſem Land- ſtrich ſteht in Gran-Para, in Angoſtura, Cumana, Nueva
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unteren Zufluß das Waſſer eines oberen nicht herunterkommt,
ſondern daß im Gegenteil jener dieſem einen Teil ſeines
Waſſers in einer der Richtung des Hauptwaſſerbehälters ent-
gegengeſetzten Richtung zuſendet. Ich habe mehrere Beiſpiele
dieſer Verzweigungen mit Gegenſtrömungen, dieſes ſcheinbaren
Waſſerlaufs bergan, dieſer Flußgabelungen, derer Kenntnis
für die Hydrographen von Intereſſe iſt, auf einer Tafel
meines Atlas zuſammengeſtellt. Dieſelbe mag ihnen zeigen,
daß man nicht geradezu alles für Fabel erklären darf, was
von dem Typus abweicht, den wir uns nach Beobachtungen
gebildet, die einen zu unbedeutenden Teil der Erdoberfläche
umfaſſen.
Der Cababuri fällt bei der Miſſion Noſſa Senhora das
Caldas in den Rio Negro; aber die Flüſſe Ya und Dimity,
die weiter oben hereinkommen, ſtehen auch mit dem Cababuri
in Verbindung, ſo daß von der Schanze San Gabriel de
Cachoeiras an bis San Antonio de Caſtanheira die Indianer
aus den portugieſiſchen Beſitzungen auf dem Baria und dem
Pacimoni auf das Gebiet der ſpaniſchen Miſſionen ſich ein-
ſchleichen können. Wenn ich ſage Gebiet, ſo brauche ich den
gewöhnlichen Ausdruck der Obſervanten. Es iſt ſchwer zu
ſagen, auf was ſich das Eigentumsrecht in unbewohnten Län-
dern gründet, deren natürliche Grenzen man nicht kennt und
die man nicht zu kultivieren verſucht hat. In den portu-
gieſiſchen Miſſionen behaupten die Leute, ihr Gebiet erſtrecke
ſich überall ſo weit, als ſie im Kanoe auf einem Fluß, deſſen
Mündung in portugieſiſchem Beſitz iſt, gelangen können. Aber
Beſitzergreifung iſt eine Handlung, die durchaus nicht immer
ein Eigentumsrecht begründet, und nach den obigen Bemer-
kungen über die vielfachen Verzweigungen der Flüſſe dürfte
es für die Höfe von Madrid und Liſſabon gleich gefährlich
ſein, dieſen ſeltſamen Satz der Miſſionsjurisprudenz gelten
zu laſſen.
Der Hauptzweck bei den Einfällen auf dem Rio Caba-
buri iſt, Sarſaparille und die aromatiſchen Samen des Pu-
cherylorbeers (Laurus Pichurim) zu ſammeln. Man geht
dieſer koſtbaren Produkte wegen bis auf zwei Tagereiſen von
Esmeralda an einen See nördlich von Cerro Unturan hinauf,
und zwar über die Trageplätze zwiſchen dem Pacimoni und
Idapa, und dem Idapa und dem Mavaca, nicht weit vom
See desſelben Namens. Die Sarſaparille von dieſem Land-
ſtrich ſteht in Gran-Para, in Angoſtura, Cumana, Nueva
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/292>, abgerufen am 16.02.2025.
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