selbe wurde erst in neuester Zeit von den Franziskanern entdeckt, die von Ceja über den Rio Fragua an den Caqueta herunterkommen. Nordöstlich von der Mission Santa Rosa, westlich vom Puerto del Pescado, liegt ein einzeln stehender Hügel, der Tag und Nacht Rauch ausstößt. Es rührt dies von einem Seitenausbruche der Vulkane von Popayan und Pasto her, wie der Guacamayo und der Sangay, die gleich- falls am Fuße des Ostabhanges der Anden liegen, von Seiten- ausbrüchen des Vulkansystemes von Quito herrühren. Ist man mit den Ufern des Orinoko und des Rio Negro bekannt, wo überall das Granitgestein zu Tage kommt, bedenkt man, daß in Brasilien, in Guyana, auf dem Küstenlande von Vene- zuela, vielleicht auf dem ganzen Kontinent ostwärts von den Anden, sich gar kein Feuerschlund findet, so erscheinen die drei thätigen Vulkane an den Quellen des Caqueta, des Napo und des Rio Macas oder Morona sehr interessant.
Die imposante Größe des Rio Negro fiel schon Orellana auf, der ihn im Jahre 1539 bei seinem Einfluß in den Ama- zonenstrom sah, undas nigras spargens; aber erst ein Jahr- hundert später suchten die Geographen seine Quellen am Abhange der Kordilleren auf. Acundas Reise gab Anlaß zu Hypothesen, die sich bis auf unsere Zeit erhalten haben und von La Condamine und d'Anville maßlos gehäuft wurden. Acunda hatte im Jahre 1638 an der Einmündung des Rio Negro gehört, einer seiner Zweige stehe mit einem anderen großen Strome in Verbindung, an dem die Holländer sich niedergelassen. Southey bemerkt scharfsinnig, daß man so etwas in so ungeheurer Entfernung von der Küste gewußt, beweise, wie stark und vielfach damals der Verkehr unter den barbarischen Völkern dieser Länder (besonders unter denen von karibischem Stamme) gewesen. Es bleibt unentschieden, ob die Indianer, die Acunda Rede standen, den Cassiquiare meinten, den natürlichen Kanal zwischen Orinoko und Rio Negro, den ich von San Carlos nach Esmeralda hinaufgefahren bin, oder ob sie ihm nur unbestimmt die Trageplätze zwischen den Quellen des Rio Branco1 und des Rio Essequibo andeuten wollten. Acunda selbst dachte nicht daran, daß der große Strom, dessen Mündung die Holländer besaßen, der Orinoko sei; er nahm
1 Dies ist der Rio Parime, Rio Blanco, Rio de Aguas Blancas unserer Karten, der unterhalb Barcellos in den Rio Negro fällt.
ſelbe wurde erſt in neueſter Zeit von den Franziskanern entdeckt, die von Ceja über den Rio Fragua an den Caqueta herunterkommen. Nordöſtlich von der Miſſion Santa Roſa, weſtlich vom Puerto del Pescado, liegt ein einzeln ſtehender Hügel, der Tag und Nacht Rauch ausſtößt. Es rührt dies von einem Seitenausbruche der Vulkane von Popayan und Paſto her, wie der Guacamayo und der Sangay, die gleich- falls am Fuße des Oſtabhanges der Anden liegen, von Seiten- ausbrüchen des Vulkanſyſtemes von Quito herrühren. Iſt man mit den Ufern des Orinoko und des Rio Negro bekannt, wo überall das Granitgeſtein zu Tage kommt, bedenkt man, daß in Braſilien, in Guyana, auf dem Küſtenlande von Vene- zuela, vielleicht auf dem ganzen Kontinent oſtwärts von den Anden, ſich gar kein Feuerſchlund findet, ſo erſcheinen die drei thätigen Vulkane an den Quellen des Caqueta, des Napo und des Rio Macas oder Morona ſehr intereſſant.
Die impoſante Größe des Rio Negro fiel ſchon Orellana auf, der ihn im Jahre 1539 bei ſeinem Einfluß in den Ama- zonenſtrom ſah, undas nigras spargens; aber erſt ein Jahr- hundert ſpäter ſuchten die Geographen ſeine Quellen am Abhange der Kordilleren auf. Acuñas Reiſe gab Anlaß zu Hypotheſen, die ſich bis auf unſere Zeit erhalten haben und von La Condamine und d’Anville maßlos gehäuft wurden. Acuña hatte im Jahre 1638 an der Einmündung des Rio Negro gehört, einer ſeiner Zweige ſtehe mit einem anderen großen Strome in Verbindung, an dem die Holländer ſich niedergelaſſen. Southey bemerkt ſcharfſinnig, daß man ſo etwas in ſo ungeheurer Entfernung von der Küſte gewußt, beweiſe, wie ſtark und vielfach damals der Verkehr unter den barbariſchen Völkern dieſer Länder (beſonders unter denen von karibiſchem Stamme) geweſen. Es bleibt unentſchieden, ob die Indianer, die Acuña Rede ſtanden, den Caſſiquiare meinten, den natürlichen Kanal zwiſchen Orinoko und Rio Negro, den ich von San Carlos nach Esmeralda hinaufgefahren bin, oder ob ſie ihm nur unbeſtimmt die Trageplätze zwiſchen den Quellen des Rio Branco1 und des Rio Eſſequibo andeuten wollten. Acuña ſelbſt dachte nicht daran, daß der große Strom, deſſen Mündung die Holländer beſaßen, der Orinoko ſei; er nahm
1 Dies iſt der Rio Parime, Rio Blanco, Rio de Aguas Blancas unſerer Karten, der unterhalb Barcellos in den Rio Negro fällt.
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ſelbe wurde erſt in neueſter Zeit von den Franziskanern
entdeckt, die von Ceja über den Rio Fragua an den Caqueta
herunterkommen. Nordöſtlich von der Miſſion Santa Roſa,
weſtlich vom Puerto del Pescado, liegt ein einzeln ſtehender
Hügel, der Tag und Nacht Rauch ausſtößt. Es rührt dies
von einem Seitenausbruche der Vulkane von Popayan und
Paſto her, wie der Guacamayo und der Sangay, die gleich-
falls am Fuße des Oſtabhanges der Anden liegen, von Seiten-
ausbrüchen des Vulkanſyſtemes von Quito herrühren. Iſt
man mit den Ufern des Orinoko und des Rio Negro bekannt,
wo überall das Granitgeſtein zu Tage kommt, bedenkt man,
daß in Braſilien, in Guyana, auf dem Küſtenlande von Vene-
zuela, vielleicht auf dem ganzen Kontinent oſtwärts von den
Anden, ſich gar kein Feuerſchlund findet, ſo erſcheinen die drei
thätigen Vulkane an den Quellen des Caqueta, des Napo und
des Rio Macas oder Morona ſehr intereſſant.
Die impoſante Größe des Rio Negro fiel ſchon Orellana
auf, der ihn im Jahre 1539 bei ſeinem Einfluß in den Ama-
zonenſtrom ſah, undas nigras spargens; aber erſt ein Jahr-
hundert ſpäter ſuchten die Geographen ſeine Quellen am
Abhange der Kordilleren auf. Acuñas Reiſe gab Anlaß zu
Hypotheſen, die ſich bis auf unſere Zeit erhalten haben und
von La Condamine und d’Anville maßlos gehäuft wurden.
Acuña hatte im Jahre 1638 an der Einmündung des Rio
Negro gehört, einer ſeiner Zweige ſtehe mit einem anderen
großen Strome in Verbindung, an dem die Holländer ſich
niedergelaſſen. Southey bemerkt ſcharfſinnig, daß man ſo
etwas in ſo ungeheurer Entfernung von der Küſte gewußt,
beweiſe, wie ſtark und vielfach damals der Verkehr unter den
barbariſchen Völkern dieſer Länder (beſonders unter denen von
karibiſchem Stamme) geweſen. Es bleibt unentſchieden, ob die
Indianer, die Acuña Rede ſtanden, den Caſſiquiare meinten,
den natürlichen Kanal zwiſchen Orinoko und Rio Negro, den
ich von San Carlos nach Esmeralda hinaufgefahren bin, oder
ob ſie ihm nur unbeſtimmt die Trageplätze zwiſchen den Quellen
des Rio Branco 1 und des Rio Eſſequibo andeuten wollten.
Acuña ſelbſt dachte nicht daran, daß der große Strom, deſſen
Mündung die Holländer beſaßen, der Orinoko ſei; er nahm
1 Dies iſt der Rio Parime, Rio Blanco, Rio de Aguas Blancas
unſerer Karten, der unterhalb Barcellos in den Rio Negro fällt.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/267>, abgerufen am 15.08.2024.
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