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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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den indianischen Namen des Flusses nicht kannte. In Javita,
Maroa und San Carlos hörte ich ihn Guainia nennen.
Southey, der gelehrte Geschichtschreiber Brasiliens, den ich
überall sehr genau fand, wo ich seine geographischen Angaben
mit dem, was ich selbst auf meinen Reisen gesammelt, ver-
gleichen konnte, sagt ausdrücklich, der Rio Negro heiße auf
seinem unteren Laufe bei den Eingeborenen Guiari oder Cu-
rana, auf seinem oberen Laufe Ueneya. Das ist soviel wie
Gueneya statt Guainia; denn die Indianer in diesen Land-
strichen sprechen ohne Unterschied Guanaracua und Uanaracua,
Guarapo und Uarapo. Aus dem letzteren haben Hondius1
und alle alten Geographen durch ein komisches Mißver-
ständnis ihren Europa fluvius gemacht.

Es ist hier der Ort, von den Quellen des Rio Negro
zu sprechen, über welche die Geographen schon so lange im
Streit liegen. Diese Frage erscheint nicht allein darum wichtig,
weil es sich vom Ursprung eines mächtigen Stromes handelt,
was ja immer von Interesse ist; sie hängt mit einer Menge
anderer Fragen zusammen, mit den angeblichen Gabelungen
des Caqueta, mit den Verbindungen zwischen dem Rio Negro
und dem Orinoko, und mit dem örtlichen Mythus vom
Dorado, früher Enim oder das Reich des Großen Paytiti
geheißen. Studiert man die alten Karten dieser Länder und
die Geschichte der geographischen Irrtümer genau, so sieht
man, wie der Mythus vom Dorado mit den Quellen des
Orinoko allmählich nach Westen rückt. Er entstand auf dem
Ostabhang der Anden und setzte sich zuerst, wie ich später
nachweisen werde, im Südwesten vom Rio Negro fest. Der
tapfere Philipp de Urre ging, um die große Stadt Manoa
zu entdecken, über den Guaviare. Noch jetzt erzählen die In-
dianer in San Jose de Maravitanos, "fahre man 14 Tage
lang auf dem Guape oder Uaupe nach Nordost, so komme
man zu einer berühmten Laguna de Oro, die von Bergen
umgeben und so groß sei, daß man das Ufer gegenüber nicht
sehen könne. Ein wildes Volk, die Guanes, leide nicht, daß
man im Sandboden um den See Gold sammle." Pater
Acunda setzt den See Manoa oder Yenefiti zwischen den Ja-
pura und den Rio Negro. Manaosindianer (dies ist das
Wort Manoa mit Verschiebung der Vokale, was bei so vielen

1 Auf seiner Karte zu Raleghs Reise.

den indianiſchen Namen des Fluſſes nicht kannte. In Javita,
Maroa und San Carlos hörte ich ihn Guainia nennen.
Southey, der gelehrte Geſchichtſchreiber Braſiliens, den ich
überall ſehr genau fand, wo ich ſeine geographiſchen Angaben
mit dem, was ich ſelbſt auf meinen Reiſen geſammelt, ver-
gleichen konnte, ſagt ausdrücklich, der Rio Negro heiße auf
ſeinem unteren Laufe bei den Eingeborenen Guiari oder Cu-
rana, auf ſeinem oberen Laufe Ueneya. Das iſt ſoviel wie
Gueneya ſtatt Guainia; denn die Indianer in dieſen Land-
ſtrichen ſprechen ohne Unterſchied Guanaracua und Uanaracua,
Guarapo und Uarapo. Aus dem letzteren haben Hondius1
und alle alten Geographen durch ein komiſches Mißver-
ſtändnis ihren Europa fluvius gemacht.

Es iſt hier der Ort, von den Quellen des Rio Negro
zu ſprechen, über welche die Geographen ſchon ſo lange im
Streit liegen. Dieſe Frage erſcheint nicht allein darum wichtig,
weil es ſich vom Urſprung eines mächtigen Stromes handelt,
was ja immer von Intereſſe iſt; ſie hängt mit einer Menge
anderer Fragen zuſammen, mit den angeblichen Gabelungen
des Caqueta, mit den Verbindungen zwiſchen dem Rio Negro
und dem Orinoko, und mit dem örtlichen Mythus vom
Dorado, früher Enim oder das Reich des Großen Paytiti
geheißen. Studiert man die alten Karten dieſer Länder und
die Geſchichte der geographiſchen Irrtümer genau, ſo ſieht
man, wie der Mythus vom Dorado mit den Quellen des
Orinoko allmählich nach Weſten rückt. Er entſtand auf dem
Oſtabhang der Anden und ſetzte ſich zuerſt, wie ich ſpäter
nachweiſen werde, im Südweſten vom Rio Negro feſt. Der
tapfere Philipp de Urre ging, um die große Stadt Manoa
zu entdecken, über den Guaviare. Noch jetzt erzählen die In-
dianer in San Joſe de Maravitanos, „fahre man 14 Tage
lang auf dem Guape oder Uaupe nach Nordoſt, ſo komme
man zu einer berühmten Laguna de Oro, die von Bergen
umgeben und ſo groß ſei, daß man das Ufer gegenüber nicht
ſehen könne. Ein wildes Volk, die Guanes, leide nicht, daß
man im Sandboden um den See Gold ſammle.“ Pater
Acuña ſetzt den See Manoa oder Yenefiti zwiſchen den Ja-
pura und den Rio Negro. Manaosindianer (dies iſt das
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[254/0262] den indianiſchen Namen des Fluſſes nicht kannte. In Javita, Maroa und San Carlos hörte ich ihn Guainia nennen. Southey, der gelehrte Geſchichtſchreiber Braſiliens, den ich überall ſehr genau fand, wo ich ſeine geographiſchen Angaben mit dem, was ich ſelbſt auf meinen Reiſen geſammelt, ver- gleichen konnte, ſagt ausdrücklich, der Rio Negro heiße auf ſeinem unteren Laufe bei den Eingeborenen Guiari oder Cu- rana, auf ſeinem oberen Laufe Ueneya. Das iſt ſoviel wie Gueneya ſtatt Guainia; denn die Indianer in dieſen Land- ſtrichen ſprechen ohne Unterſchied Guanaracua und Uanaracua, Guarapo und Uarapo. Aus dem letzteren haben Hondius 1 und alle alten Geographen durch ein komiſches Mißver- ſtändnis ihren Europa fluvius gemacht. Es iſt hier der Ort, von den Quellen des Rio Negro zu ſprechen, über welche die Geographen ſchon ſo lange im Streit liegen. Dieſe Frage erſcheint nicht allein darum wichtig, weil es ſich vom Urſprung eines mächtigen Stromes handelt, was ja immer von Intereſſe iſt; ſie hängt mit einer Menge anderer Fragen zuſammen, mit den angeblichen Gabelungen des Caqueta, mit den Verbindungen zwiſchen dem Rio Negro und dem Orinoko, und mit dem örtlichen Mythus vom Dorado, früher Enim oder das Reich des Großen Paytiti geheißen. Studiert man die alten Karten dieſer Länder und die Geſchichte der geographiſchen Irrtümer genau, ſo ſieht man, wie der Mythus vom Dorado mit den Quellen des Orinoko allmählich nach Weſten rückt. Er entſtand auf dem Oſtabhang der Anden und ſetzte ſich zuerſt, wie ich ſpäter nachweiſen werde, im Südweſten vom Rio Negro feſt. Der tapfere Philipp de Urre ging, um die große Stadt Manoa zu entdecken, über den Guaviare. Noch jetzt erzählen die In- dianer in San Joſe de Maravitanos, „fahre man 14 Tage lang auf dem Guape oder Uaupe nach Nordoſt, ſo komme man zu einer berühmten Laguna de Oro, die von Bergen umgeben und ſo groß ſei, daß man das Ufer gegenüber nicht ſehen könne. Ein wildes Volk, die Guanes, leide nicht, daß man im Sandboden um den See Gold ſammle.“ Pater Acuña ſetzt den See Manoa oder Yenefiti zwiſchen den Ja- pura und den Rio Negro. Manaosindianer (dies iſt das Wort Manoa mit Verſchiebung der Vokale, was bei ſo vielen 1 Auf ſeiner Karte zu Raleghs Reiſe.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/262>, abgerufen am 22.11.2024.