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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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und die sich auf dem Gipfel der Silla bei Caracas uns haufen-
weise auf Gesicht und Hände setzten.

Der Landungsplatz am Pimichin liegt in einer kleinen
Pflanzung von Kakaobäumen. Die Bäume sind sehr kräftig
und hier wie am Atabapo und Rio Negro in allen Jahres-
zeiten mit Blüten und Früchten bedeckt. Sie fangen im vierten
Jahre an zu tragen, auf der Küste von Caracas erst im sechsten
bis achten. Der Boden ist am Tuamini und Pimichin überall,
wo er nicht sumpfig ist, leichter Sandboden, aber ungemein
fruchtbar. Bedenkt man, daß der Kakaobaum in diesen Wäl-
dern der Parime; südlich vom 6. Breitengrade, eigentlich zu
Hause ist, und daß das nasse Klima am oberen Orinoko diesem
kostbaren Baume weit besser zusagt als die Luft in den Pro-
vinzen Caracas und Barcelona, die von Jahr zu Jahr
trockener wird, so muß man bedauern, daß dieses schöne Stück
Erde in den Händen von Mönchen ist, von denen keinerlei
Kultur befördert wird. Die Missionen der Observanten allein
könnten 4 600 000 kg Kakao in den Handel bringen, dessen
Wert sich in Europa auf mehr als 6 Millionen Franken be-
liefe. Um die Conucos am Pimichin wächst wild der Igua,
ein Baum, ähnlich dem Caryocar nuciferum, den man in
holländisch und französisch Guyana baut, und von dem neben
dem Almendron von Mariquita (Caryocar amygdaliferum),
dem Juvia von Esmeralda (Bertholletia excelsa) und der
Geoffräa vom Amazonenstrome die gesuchtesten Mandeln in
Südamerika kommen. Die Früchte des Igua kommen hier
gar nicht in den Handel; dagegen sah ich an den Küsten von
Terra Firma Fahrzeuge, die aus Demerary die Früchte des
Caryocar tomentosum, Aublets Pekea tuberculosa, ein-
führten. Diese Bäume werden 30 m hoch und nehmen sich
mit ihrer schönen Blumenkrone und ihren vielen Staubfäden
prachtvoll aus. Ich müßte den Leser ermüden, wollte ich die
Wunder der Pflanzenwelt, welche diese großen Wälder auf-
zuweisen haben, noch weiter herzählen. Ihre erstaunliche
Mannigfaltigkeit rührt daher, daß hier auf kleiner Bodenfläche
so viele Pflanzenfamilien nebeneinander vorkommen, und daß
bei dem mächtigen Reiz von Licht und Wärme die Säfte, die
in diesen riesenhaften Gewächsen zirkulieren, so vollkommen
ausgearbeitet werden.

Wir übernachteten in einer Hütte, welche erst seit kurzem
verlassen stand. Eine indianische Familie hatte darin Fischer-
geräte zurückgelassen, irdenes Geschirr, aus Palmblattstielen

A. v. Humboldt, Reise. III. 16

und die ſich auf dem Gipfel der Silla bei Caracas uns haufen-
weiſe auf Geſicht und Hände ſetzten.

Der Landungsplatz am Pimichin liegt in einer kleinen
Pflanzung von Kakaobäumen. Die Bäume ſind ſehr kräftig
und hier wie am Atabapo und Rio Negro in allen Jahres-
zeiten mit Blüten und Früchten bedeckt. Sie fangen im vierten
Jahre an zu tragen, auf der Küſte von Caracas erſt im ſechſten
bis achten. Der Boden iſt am Tuamini und Pimichin überall,
wo er nicht ſumpfig iſt, leichter Sandboden, aber ungemein
fruchtbar. Bedenkt man, daß der Kakaobaum in dieſen Wäl-
dern der Parime; ſüdlich vom 6. Breitengrade, eigentlich zu
Hauſe iſt, und daß das naſſe Klima am oberen Orinoko dieſem
koſtbaren Baume weit beſſer zuſagt als die Luft in den Pro-
vinzen Caracas und Barcelona, die von Jahr zu Jahr
trockener wird, ſo muß man bedauern, daß dieſes ſchöne Stück
Erde in den Händen von Mönchen iſt, von denen keinerlei
Kultur befördert wird. Die Miſſionen der Obſervanten allein
könnten 4 600 000 kg Kakao in den Handel bringen, deſſen
Wert ſich in Europa auf mehr als 6 Millionen Franken be-
liefe. Um die Conucos am Pimichin wächſt wild der Igua,
ein Baum, ähnlich dem Caryocar nuciferum, den man in
holländiſch und franzöſiſch Guyana baut, und von dem neben
dem Almendron von Mariquita (Caryocar amygdaliferum),
dem Juvia von Esmeralda (Bertholletia excelsa) und der
Geoffräa vom Amazonenſtrome die geſuchteſten Mandeln in
Südamerika kommen. Die Früchte des Igua kommen hier
gar nicht in den Handel; dagegen ſah ich an den Küſten von
Terra Firma Fahrzeuge, die aus Demerary die Früchte des
Caryocar tomentosum, Aublets Pekea tuberculosa, ein-
führten. Dieſe Bäume werden 30 m hoch und nehmen ſich
mit ihrer ſchönen Blumenkrone und ihren vielen Staubfäden
prachtvoll aus. Ich müßte den Leſer ermüden, wollte ich die
Wunder der Pflanzenwelt, welche dieſe großen Wälder auf-
zuweiſen haben, noch weiter herzählen. Ihre erſtaunliche
Mannigfaltigkeit rührt daher, daß hier auf kleiner Bodenfläche
ſo viele Pflanzenfamilien nebeneinander vorkommen, und daß
bei dem mächtigen Reiz von Licht und Wärme die Säfte, die
in dieſen rieſenhaften Gewächſen zirkulieren, ſo vollkommen
ausgearbeitet werden.

Wir übernachteten in einer Hütte, welche erſt ſeit kurzem
verlaſſen ſtand. Eine indianiſche Familie hatte darin Fiſcher-
geräte zurückgelaſſen, irdenes Geſchirr, aus Palmblattſtielen

A. v. Humboldt, Reiſe. III. 16
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[241/0249] und die ſich auf dem Gipfel der Silla bei Caracas uns haufen- weiſe auf Geſicht und Hände ſetzten. Der Landungsplatz am Pimichin liegt in einer kleinen Pflanzung von Kakaobäumen. Die Bäume ſind ſehr kräftig und hier wie am Atabapo und Rio Negro in allen Jahres- zeiten mit Blüten und Früchten bedeckt. Sie fangen im vierten Jahre an zu tragen, auf der Küſte von Caracas erſt im ſechſten bis achten. Der Boden iſt am Tuamini und Pimichin überall, wo er nicht ſumpfig iſt, leichter Sandboden, aber ungemein fruchtbar. Bedenkt man, daß der Kakaobaum in dieſen Wäl- dern der Parime; ſüdlich vom 6. Breitengrade, eigentlich zu Hauſe iſt, und daß das naſſe Klima am oberen Orinoko dieſem koſtbaren Baume weit beſſer zuſagt als die Luft in den Pro- vinzen Caracas und Barcelona, die von Jahr zu Jahr trockener wird, ſo muß man bedauern, daß dieſes ſchöne Stück Erde in den Händen von Mönchen iſt, von denen keinerlei Kultur befördert wird. Die Miſſionen der Obſervanten allein könnten 4 600 000 kg Kakao in den Handel bringen, deſſen Wert ſich in Europa auf mehr als 6 Millionen Franken be- liefe. Um die Conucos am Pimichin wächſt wild der Igua, ein Baum, ähnlich dem Caryocar nuciferum, den man in holländiſch und franzöſiſch Guyana baut, und von dem neben dem Almendron von Mariquita (Caryocar amygdaliferum), dem Juvia von Esmeralda (Bertholletia excelsa) und der Geoffräa vom Amazonenſtrome die geſuchteſten Mandeln in Südamerika kommen. Die Früchte des Igua kommen hier gar nicht in den Handel; dagegen ſah ich an den Küſten von Terra Firma Fahrzeuge, die aus Demerary die Früchte des Caryocar tomentosum, Aublets Pekea tuberculosa, ein- führten. Dieſe Bäume werden 30 m hoch und nehmen ſich mit ihrer ſchönen Blumenkrone und ihren vielen Staubfäden prachtvoll aus. Ich müßte den Leſer ermüden, wollte ich die Wunder der Pflanzenwelt, welche dieſe großen Wälder auf- zuweiſen haben, noch weiter herzählen. Ihre erſtaunliche Mannigfaltigkeit rührt daher, daß hier auf kleiner Bodenfläche ſo viele Pflanzenfamilien nebeneinander vorkommen, und daß bei dem mächtigen Reiz von Licht und Wärme die Säfte, die in dieſen rieſenhaften Gewächſen zirkulieren, ſo vollkommen ausgearbeitet werden. Wir übernachteten in einer Hütte, welche erſt ſeit kurzem verlaſſen ſtand. Eine indianiſche Familie hatte darin Fiſcher- geräte zurückgelaſſen, irdenes Geſchirr, aus Palmblattſtielen A. v. Humboldt, Reiſe. III. 16

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/249>, abgerufen am 20.04.2024.