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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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untergang. Die Regengüsse sind regelmäßig am stärksten und
von elektrischen Entladungen begleitet, kurze Zeit nachdem
das Maximum der Tagestemperatur eingetreten ist. Dieser
Stand der Dinge dauert an, bis die Sonne in die südlichen
Zeichen tritt. Jetzt beginnt in der nördlichen gemäßigten
Zone die kalte Witterung. Von nun an tritt die Luft-
strömung vom Nordpol her wieder ein, weil der Unterschied
zwischen den Wärmegraden im tropischen und im gemäßigten
Erdstriche mit jedem Tage bedeutender wird. Der Nordost-
wind bläst stark, die Luft unter den Tropen wird erneuert
und kann den Sättigungspunkt nicht mehr erreichen. Daher
hört es auf zu regnen, die Dunstbläschen lösen sich auf, der
Himmel wird wieder rein und blau. Von elektrischen Ent-
ladungen ist nichts mehr zu hören, ohne Zweifel weil die
Elektrizität in den oberen Luftregionen jetzt keine Haufen von
Dunstbläschen, fast hätte ich gesagt, keine Wolkenhüllen mehr
antrifft, auf denen sich das Fluidum anhäufen könnte.

Wir haben das Aufhören des Nordostwindes als die
Hauptursache der tropischen Regen betrachtet. Diese Regen
dauern in jeder Halbkugel nur so lange, als die Sonne
die der Halbkugel gleichnamige Abweichung hat. Es muß
hier aber noch bemerkt werden, daß, wenn der Nordost auf-
hört, nicht immer Windstille eintritt, sondern die Ruhe der
Luft häufig, besonders längs der Westküsten von Amerika,
durch Bendavales, das heißt Südwest- und Südostwinde,
unterbrochen wird. Diese Erscheinung scheint darauf hinzuweisen,
daß die feuchten Luftsäulen, die im nördlichen äquatorialen
Erdstriche aufsteigen, zuweilen dem Südpol zuströmen. In
der That hat in den Ländern der heißen Zone nördlich und
südlich vom Aequator in ihrem Sommer, wenn die Sonne
durch ihren Zenith geht, der Unterschied zwischen ihrer Tempe-
ratur und der am ungleichnamigen Pol sein Maximum
erreicht. Die südliche gemäßigte Zone hat jetzt Winter, während
es nördlich vom Aequator regnet und die mittlere Temperatur
um 5 bis 6° höher ist als in der trockenen Jahreszeit, wo
die Sonne am tiefsten steht. Daß der Regen fortdauert,
während die Bendavales wehen, beweist, daß die Luftströ-
mungen vom entfernteren Pol her in der nördlichen Aequa-
torialzone nicht die Wirkung äußern wie die vom benach-
barten Pole her, weil die Südpolarströmung weit feuchter ist.
Die Luft, welche diese Strömung herbeiführt, kommt aus
einer fast ganz mit Wasser bedeckten Halbkugel; sie geht, bevor

untergang. Die Regengüſſe ſind regelmäßig am ſtärkſten und
von elektriſchen Entladungen begleitet, kurze Zeit nachdem
das Maximum der Tagestemperatur eingetreten iſt. Dieſer
Stand der Dinge dauert an, bis die Sonne in die ſüdlichen
Zeichen tritt. Jetzt beginnt in der nördlichen gemäßigten
Zone die kalte Witterung. Von nun an tritt die Luft-
ſtrömung vom Nordpol her wieder ein, weil der Unterſchied
zwiſchen den Wärmegraden im tropiſchen und im gemäßigten
Erdſtriche mit jedem Tage bedeutender wird. Der Nordoſt-
wind bläſt ſtark, die Luft unter den Tropen wird erneuert
und kann den Sättigungspunkt nicht mehr erreichen. Daher
hört es auf zu regnen, die Dunſtbläschen löſen ſich auf, der
Himmel wird wieder rein und blau. Von elektriſchen Ent-
ladungen iſt nichts mehr zu hören, ohne Zweifel weil die
Elektrizität in den oberen Luftregionen jetzt keine Haufen von
Dunſtbläschen, faſt hätte ich geſagt, keine Wolkenhüllen mehr
antrifft, auf denen ſich das Fluidum anhäufen könnte.

Wir haben das Aufhören des Nordoſtwindes als die
Haupturſache der tropiſchen Regen betrachtet. Dieſe Regen
dauern in jeder Halbkugel nur ſo lange, als die Sonne
die der Halbkugel gleichnamige Abweichung hat. Es muß
hier aber noch bemerkt werden, daß, wenn der Nordoſt auf-
hört, nicht immer Windſtille eintritt, ſondern die Ruhe der
Luft häufig, beſonders längs der Weſtküſten von Amerika,
durch Bendavales, das heißt Südweſt- und Südoſtwinde,
unterbrochen wird. Dieſe Erſcheinung ſcheint darauf hinzuweiſen,
daß die feuchten Luftſäulen, die im nördlichen äquatorialen
Erdſtriche aufſteigen, zuweilen dem Südpol zuſtrömen. In
der That hat in den Ländern der heißen Zone nördlich und
ſüdlich vom Aequator in ihrem Sommer, wenn die Sonne
durch ihren Zenith geht, der Unterſchied zwiſchen ihrer Tempe-
ratur und der am ungleichnamigen Pol ſein Maximum
erreicht. Die ſüdliche gemäßigte Zone hat jetzt Winter, während
es nördlich vom Aequator regnet und die mittlere Temperatur
um 5 bis 6° höher iſt als in der trockenen Jahreszeit, wo
die Sonne am tiefſten ſteht. Daß der Regen fortdauert,
während die Bendavales wehen, beweiſt, daß die Luftſtrö-
mungen vom entfernteren Pol her in der nördlichen Aequa-
torialzone nicht die Wirkung äußern wie die vom benach-
barten Pole her, weil die Südpolarſtrömung weit feuchter iſt.
Die Luft, welche dieſe Strömung herbeiführt, kommt aus
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[14/0022] untergang. Die Regengüſſe ſind regelmäßig am ſtärkſten und von elektriſchen Entladungen begleitet, kurze Zeit nachdem das Maximum der Tagestemperatur eingetreten iſt. Dieſer Stand der Dinge dauert an, bis die Sonne in die ſüdlichen Zeichen tritt. Jetzt beginnt in der nördlichen gemäßigten Zone die kalte Witterung. Von nun an tritt die Luft- ſtrömung vom Nordpol her wieder ein, weil der Unterſchied zwiſchen den Wärmegraden im tropiſchen und im gemäßigten Erdſtriche mit jedem Tage bedeutender wird. Der Nordoſt- wind bläſt ſtark, die Luft unter den Tropen wird erneuert und kann den Sättigungspunkt nicht mehr erreichen. Daher hört es auf zu regnen, die Dunſtbläschen löſen ſich auf, der Himmel wird wieder rein und blau. Von elektriſchen Ent- ladungen iſt nichts mehr zu hören, ohne Zweifel weil die Elektrizität in den oberen Luftregionen jetzt keine Haufen von Dunſtbläschen, faſt hätte ich geſagt, keine Wolkenhüllen mehr antrifft, auf denen ſich das Fluidum anhäufen könnte. Wir haben das Aufhören des Nordoſtwindes als die Haupturſache der tropiſchen Regen betrachtet. Dieſe Regen dauern in jeder Halbkugel nur ſo lange, als die Sonne die der Halbkugel gleichnamige Abweichung hat. Es muß hier aber noch bemerkt werden, daß, wenn der Nordoſt auf- hört, nicht immer Windſtille eintritt, ſondern die Ruhe der Luft häufig, beſonders längs der Weſtküſten von Amerika, durch Bendavales, das heißt Südweſt- und Südoſtwinde, unterbrochen wird. Dieſe Erſcheinung ſcheint darauf hinzuweiſen, daß die feuchten Luftſäulen, die im nördlichen äquatorialen Erdſtriche aufſteigen, zuweilen dem Südpol zuſtrömen. In der That hat in den Ländern der heißen Zone nördlich und ſüdlich vom Aequator in ihrem Sommer, wenn die Sonne durch ihren Zenith geht, der Unterſchied zwiſchen ihrer Tempe- ratur und der am ungleichnamigen Pol ſein Maximum erreicht. Die ſüdliche gemäßigte Zone hat jetzt Winter, während es nördlich vom Aequator regnet und die mittlere Temperatur um 5 bis 6° höher iſt als in der trockenen Jahreszeit, wo die Sonne am tiefſten ſteht. Daß der Regen fortdauert, während die Bendavales wehen, beweiſt, daß die Luftſtrö- mungen vom entfernteren Pol her in der nördlichen Aequa- torialzone nicht die Wirkung äußern wie die vom benach- barten Pole her, weil die Südpolarſtrömung weit feuchter iſt. Die Luft, welche dieſe Strömung herbeiführt, kommt aus einer faſt ganz mit Waſſer bedeckten Halbkugel; ſie geht, bevor

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/22>, abgerufen am 29.03.2024.