den Ebenen steigt das Gewitter 2 Stunden nach dem Durch- gang der Sonne durch den Meridian auf, also kurze Zeit nach dem Eintritt des täglichen Wärmemaximums unter den Tropen. Im Binnenlande hört man bei Nacht oder Morgens äußerst selten donnern; nächtliche Gewitter kommen nur in gewissen Flußthälern vor, die ein eigentümliches Klima haben.
Auf welchen Ursachen beruht es nun, daß das Gleich- gewicht in der elektrischen Spannung der Luft gestört wird, daß sich die Dünste fortwährend zu Wasser verdichten, daß der Wind aufhört, daß die Regenzeit eintritt und so lange anhält? Ich bezweifle, daß die Elektrizität bei Bildung der Dunstbläschen mitwirkt; durch diese Bildung wird vielmehr nur die elektrische Spannung gesteigert und modifiziert. Nörd- lich und südlich vom Aequator kommen die Gewitter oder die großen Entladungen in der gemäßigten und in der äquinok- tialen Zone um dieselbe Zeit vor. Besteht ein Moment, das durch das große Luftmeer aus jener Zone gegen die Tropen her wirkt? Wie läßt sich denken, daß in letzterem Himmels- strich, wo die Sonne sich immer so hoch über den Horizont erhebt, der Durchgang des Gestirnes durch den Zenith be- deutenden Einfluß auf die Vorgänge in der Luft haben sollte? Nach meiner Ansicht ist die Ursache, welche unter den Tropen das Eintreten des Regens bedingt, keine örtliche, und das scheinbar so verwickelte Problem würde sich wohl unschwer lösen, wenn wir mit den oberen Luftströmungen besser be- kannt wären. Wir können nur beobachten, was in den unteren Luftschichten vorgeht. Ueber 3900 m Meereshöhe sind die Anden fast unbewohnt, und in dieser Höhe äußern die Nähe des Bodens und die Gebirgsmassen, welche die Untiefen im Luftozean sind, bedeutenden Einfluß auf die umgebende Luft. Was man auf der Hochebene von Antisana beobachtet, ist etwas anderes, als was man wahrnähme, wenn man in derselben Höhe in einem Luftballon über den Llanos oder über der Meeresfläche schwebte.
Wie wir gesehen haben, fällt in der nördlichen Aequinok- tialzone der Anfang der Regenniederschläge und Gewitter zu- sammen mit dem Durchgang der Sonne durch den Zenith des Orts, mit dem Aufhören der See- oder Nordostwinde, mit dem häufigen Eintreten von Windstillen und Bendavales, das heißt heftigen Südost- und Südwestwinden bei bedecktem Himmel. Vergegenwärtigt man sich die allgemeinen Gesetze des Gleichgewichtes, denen die Gasmassen, aus denen unsere
den Ebenen ſteigt das Gewitter 2 Stunden nach dem Durch- gang der Sonne durch den Meridian auf, alſo kurze Zeit nach dem Eintritt des täglichen Wärmemaximums unter den Tropen. Im Binnenlande hört man bei Nacht oder Morgens äußerſt ſelten donnern; nächtliche Gewitter kommen nur in gewiſſen Flußthälern vor, die ein eigentümliches Klima haben.
Auf welchen Urſachen beruht es nun, daß das Gleich- gewicht in der elektriſchen Spannung der Luft geſtört wird, daß ſich die Dünſte fortwährend zu Waſſer verdichten, daß der Wind aufhört, daß die Regenzeit eintritt und ſo lange anhält? Ich bezweifle, daß die Elektrizität bei Bildung der Dunſtbläschen mitwirkt; durch dieſe Bildung wird vielmehr nur die elektriſche Spannung geſteigert und modifiziert. Nörd- lich und ſüdlich vom Aequator kommen die Gewitter oder die großen Entladungen in der gemäßigten und in der äquinok- tialen Zone um dieſelbe Zeit vor. Beſteht ein Moment, das durch das große Luftmeer aus jener Zone gegen die Tropen her wirkt? Wie läßt ſich denken, daß in letzterem Himmels- ſtrich, wo die Sonne ſich immer ſo hoch über den Horizont erhebt, der Durchgang des Geſtirnes durch den Zenith be- deutenden Einfluß auf die Vorgänge in der Luft haben ſollte? Nach meiner Anſicht iſt die Urſache, welche unter den Tropen das Eintreten des Regens bedingt, keine örtliche, und das ſcheinbar ſo verwickelte Problem würde ſich wohl unſchwer löſen, wenn wir mit den oberen Luftſtrömungen beſſer be- kannt wären. Wir können nur beobachten, was in den unteren Luftſchichten vorgeht. Ueber 3900 m Meereshöhe ſind die Anden faſt unbewohnt, und in dieſer Höhe äußern die Nähe des Bodens und die Gebirgsmaſſen, welche die Untiefen im Luftozean ſind, bedeutenden Einfluß auf die umgebende Luft. Was man auf der Hochebene von Antiſana beobachtet, iſt etwas anderes, als was man wahrnähme, wenn man in derſelben Höhe in einem Luftballon über den Llanos oder über der Meeresfläche ſchwebte.
Wie wir geſehen haben, fällt in der nördlichen Aequinok- tialzone der Anfang der Regenniederſchläge und Gewitter zu- ſammen mit dem Durchgang der Sonne durch den Zenith des Orts, mit dem Aufhören der See- oder Nordoſtwinde, mit dem häufigen Eintreten von Windſtillen und Bendavales, das heißt heftigen Südoſt- und Südweſtwinden bei bedecktem Himmel. Vergegenwärtigt man ſich die allgemeinen Geſetze des Gleichgewichtes, denen die Gasmaſſen, aus denen unſere
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[12/0020]
den Ebenen ſteigt das Gewitter 2 Stunden nach dem Durch-
gang der Sonne durch den Meridian auf, alſo kurze Zeit
nach dem Eintritt des täglichen Wärmemaximums unter den
Tropen. Im Binnenlande hört man bei Nacht oder Morgens
äußerſt ſelten donnern; nächtliche Gewitter kommen nur in
gewiſſen Flußthälern vor, die ein eigentümliches Klima haben.
Auf welchen Urſachen beruht es nun, daß das Gleich-
gewicht in der elektriſchen Spannung der Luft geſtört wird,
daß ſich die Dünſte fortwährend zu Waſſer verdichten, daß
der Wind aufhört, daß die Regenzeit eintritt und ſo lange
anhält? Ich bezweifle, daß die Elektrizität bei Bildung der
Dunſtbläschen mitwirkt; durch dieſe Bildung wird vielmehr
nur die elektriſche Spannung geſteigert und modifiziert. Nörd-
lich und ſüdlich vom Aequator kommen die Gewitter oder die
großen Entladungen in der gemäßigten und in der äquinok-
tialen Zone um dieſelbe Zeit vor. Beſteht ein Moment, das
durch das große Luftmeer aus jener Zone gegen die Tropen
her wirkt? Wie läßt ſich denken, daß in letzterem Himmels-
ſtrich, wo die Sonne ſich immer ſo hoch über den Horizont
erhebt, der Durchgang des Geſtirnes durch den Zenith be-
deutenden Einfluß auf die Vorgänge in der Luft haben ſollte?
Nach meiner Anſicht iſt die Urſache, welche unter den Tropen
das Eintreten des Regens bedingt, keine örtliche, und das
ſcheinbar ſo verwickelte Problem würde ſich wohl unſchwer
löſen, wenn wir mit den oberen Luftſtrömungen beſſer be-
kannt wären. Wir können nur beobachten, was in den unteren
Luftſchichten vorgeht. Ueber 3900 m Meereshöhe ſind die
Anden faſt unbewohnt, und in dieſer Höhe äußern die Nähe
des Bodens und die Gebirgsmaſſen, welche die Untiefen im
Luftozean ſind, bedeutenden Einfluß auf die umgebende Luft.
Was man auf der Hochebene von Antiſana beobachtet, iſt
etwas anderes, als was man wahrnähme, wenn man in
derſelben Höhe in einem Luftballon über den Llanos oder
über der Meeresfläche ſchwebte.
Wie wir geſehen haben, fällt in der nördlichen Aequinok-
tialzone der Anfang der Regenniederſchläge und Gewitter zu-
ſammen mit dem Durchgang der Sonne durch den Zenith
des Orts, mit dem Aufhören der See- oder Nordoſtwinde, mit
dem häufigen Eintreten von Windſtillen und Bendavales,
das heißt heftigen Südoſt- und Südweſtwinden bei bedecktem
Himmel. Vergegenwärtigt man ſich die allgemeinen Geſetze
des Gleichgewichtes, denen die Gasmaſſen, aus denen unſere
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial03_1859/20>, abgerufen am 11.08.2022.
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