Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 3. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Fernando am Apure, Caycara und der Mündung des Meta Ueberdenkt man die Wirkungen dieser Ueberschwemmungen, 1 Vultur aura.
Fernando am Apure, Caycara und der Mündung des Meta Ueberdenkt man die Wirkungen dieſer Ueberſchwemmungen, 1 Vultur aura.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="5"/> Fernando am Apure, Caycara und der Mündung des Meta<lb/> drei Gehänge, die gegen Nord, Weſt und Süd anſteigen, ſich<lb/> durchſchneiden, wodurch eine bedeutende Bodenſenkung ent-<lb/> ſtehen mußte. In dieſem Becken ſteht in der Regenzeit das<lb/> Waſſer 4 bis 4,5 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch auf den Grasfluren, ſo daß ſie<lb/> einem mächtigen See gleichen. Die Dörfer und Höfe, die<lb/> gleichſam auf Untiefen dieſes Sees liegen, ſtehen kaum 0,6 bis<lb/> 1 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Waſſer. Alles erinnert hier an die Ueber-<lb/> ſchwemmung in Unterägypten und an die Laguna de Xarayes,<lb/> die früher bei den Geographen ſo vielberufen war, obgleich<lb/> ſie nur ein paar Monate im Jahre beſteht. Das Austreten<lb/> der Flüſſe Apure, Meta und Orinoko iſt ebenſo an eine be-<lb/> ſtimmte Zeit gebunden. In der Regenzeit gehen die Pferde,<lb/> welche in der Savanne wild leben, zu Hunderten zu Grunde,<lb/> weil ſie die Plateaus oder die gewölbten Erhöhungen in den<lb/> Llanos nicht erreichen konnten. Man ſieht die Stuten, hinter<lb/> ihnen ihre Füllen, einen Teil des Tages herumſchwimmen und<lb/> die Gräſer abweiden, die nur mit den Spitzen über das Waſſer<lb/> reichen. Sie werden dabei von Krokodilen angefallen, und<lb/> man ſieht nicht ſelten Pferde, die an den Schenkeln Spuren<lb/> von den Zähnen dieſer fleiſchfreſſenden Reptilien aufzuweiſen<lb/> haben. Die Aaſe von Pferden, Maultieren und Kühen ziehen<lb/> zahlloſe Geier herbei. Die <hi rendition="#g">Zamuros</hi><note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Vultur aura.</hi></note> ſind die Ibis oder<lb/> vielmehr Percnopterus des Landes. Sie haben ganz den<lb/> Habitus des „Huhns der Pharaonen“ und leiſten den Be-<lb/> wohnern der Llanos dieſelben Dienſte, wie der <hi rendition="#aq">Vultur Per-<lb/> cnopterus</hi> den Aegyptern.</p><lb/> <p>Ueberdenkt man die Wirkungen dieſer Ueberſchwemmungen,<lb/> ſo kann man nicht umhin, dabei zu verweilen, wie wunderbar<lb/> biegſam die Organiſation der Tiere iſt, die der Menſch ſeiner<lb/> Herrſchaft unterworfen hat. In Grönland frißt der Hund<lb/> die Abfälle beim Fiſchfang, und gibt es keine Fiſche, ſo nährt<lb/> er ſich von Seegras. Der Eſel und das Pferd, die aus den<lb/> kalten, dürren Ebenen Hochaſiens ſtammen, begleiten den Men-<lb/> ſchen in die Neue Welt, treten hier in den wilden Zuſtand<lb/> zurück und friſten im heißen tropiſchen Klima ihr Leben unter<lb/> Unruhe und Beſchwerden. Jetzt von übermäßiger Dürre und<lb/> darauf von übermäßiger Näſſe geplagt, ſuchen ſie bald, um<lb/> ihren Durſt zu löſchen, eine Lache auf dem kahlen, ſtaubigten<lb/> Boden, bald flüchten ſie ſich vor den Waſſern der austretenden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0013]
Fernando am Apure, Caycara und der Mündung des Meta
drei Gehänge, die gegen Nord, Weſt und Süd anſteigen, ſich
durchſchneiden, wodurch eine bedeutende Bodenſenkung ent-
ſtehen mußte. In dieſem Becken ſteht in der Regenzeit das
Waſſer 4 bis 4,5 m hoch auf den Grasfluren, ſo daß ſie
einem mächtigen See gleichen. Die Dörfer und Höfe, die
gleichſam auf Untiefen dieſes Sees liegen, ſtehen kaum 0,6 bis
1 m über dem Waſſer. Alles erinnert hier an die Ueber-
ſchwemmung in Unterägypten und an die Laguna de Xarayes,
die früher bei den Geographen ſo vielberufen war, obgleich
ſie nur ein paar Monate im Jahre beſteht. Das Austreten
der Flüſſe Apure, Meta und Orinoko iſt ebenſo an eine be-
ſtimmte Zeit gebunden. In der Regenzeit gehen die Pferde,
welche in der Savanne wild leben, zu Hunderten zu Grunde,
weil ſie die Plateaus oder die gewölbten Erhöhungen in den
Llanos nicht erreichen konnten. Man ſieht die Stuten, hinter
ihnen ihre Füllen, einen Teil des Tages herumſchwimmen und
die Gräſer abweiden, die nur mit den Spitzen über das Waſſer
reichen. Sie werden dabei von Krokodilen angefallen, und
man ſieht nicht ſelten Pferde, die an den Schenkeln Spuren
von den Zähnen dieſer fleiſchfreſſenden Reptilien aufzuweiſen
haben. Die Aaſe von Pferden, Maultieren und Kühen ziehen
zahlloſe Geier herbei. Die Zamuros 1 ſind die Ibis oder
vielmehr Percnopterus des Landes. Sie haben ganz den
Habitus des „Huhns der Pharaonen“ und leiſten den Be-
wohnern der Llanos dieſelben Dienſte, wie der Vultur Per-
cnopterus den Aegyptern.
Ueberdenkt man die Wirkungen dieſer Ueberſchwemmungen,
ſo kann man nicht umhin, dabei zu verweilen, wie wunderbar
biegſam die Organiſation der Tiere iſt, die der Menſch ſeiner
Herrſchaft unterworfen hat. In Grönland frißt der Hund
die Abfälle beim Fiſchfang, und gibt es keine Fiſche, ſo nährt
er ſich von Seegras. Der Eſel und das Pferd, die aus den
kalten, dürren Ebenen Hochaſiens ſtammen, begleiten den Men-
ſchen in die Neue Welt, treten hier in den wilden Zuſtand
zurück und friſten im heißen tropiſchen Klima ihr Leben unter
Unruhe und Beſchwerden. Jetzt von übermäßiger Dürre und
darauf von übermäßiger Näſſe geplagt, ſuchen ſie bald, um
ihren Durſt zu löſchen, eine Lache auf dem kahlen, ſtaubigten
Boden, bald flüchten ſie ſich vor den Waſſern der austretenden
1 Vultur aura.
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