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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Menge sieht. Zwischen dem Camburi und Niguatar ziehen
sich mit Zuckerrohr und Mais bestellte Felder in enge Thäler
hinauf, die Felsspalten gleichen. Die Strahlen der noch nicht
hoch stehenden Sonne fielen hinein und bildeten die anziehend-
sten Kontraste von Licht und Schatten.

Der Niguatar und die Silla bei Caracas sind die höchsten
Gipfel dieser Küstenkette. Ersterer ist fast so hoch als der
Canigou in den Pyrenäen; es ist als stiegen die Pyrenäen
oder die Alpen, von ihrem Schnee entblößt, gerade aus dem
Wasser empor, so gewaltig erscheinen einem die Gebirgs-
massen, wenn man sie zum erstenmal von der See aus er-
blickt. Bei Caravalleda wird das bebaute Land breiter, Hügel
mit sanftem Abhang erscheinen und die Vegetation reicht sehr
weit hinauf. Man baut hier viel Zuckerrohr und die barm-
herzigen Brüder haben daselbst eine Pflanzung und 200
Sklaven. Die Gegend war früher den Fiebern sehr ausge-
setzt, und man behauptet, die Luft sei gesünder geworden,
seit man um einen Teich, dessen Ausdünstungen man beson-
ders fürchtete, Bäume gepflanzt hat, so daß das Wasser
weniger dem Sonnenstrahl ausgesetzt ist. Westlich von Cara-
valleda läuft wieder eine nackte Felsmauer bis an die See
vor, sie ist aber von geringer Ausdehnung. Nachdem wir
dieselbe umsegelt, lag das hübsch gelegene Dorf Macuto vor
uns, weiterhin die schwarzen Felsen von Guayra mit ihren
Batterien in mehreren Stockwerken übereinander und in
duftiger Ferne ein langes Vorgebirge mit kegelförmigen,
blendend weißen Bergspitzen, Cabo Blanco. Kokosnußbäume
säumen das Ufer und geben ihm unter dem glühenden Himmel
den Anschein von Fruchtbarkeit.

Nach der Landung im Hafen von Guayra traf ich noch
am Abend Anstalt, um meine Instrumente nach Caracas
schaffen zu lassen. Die Personen, denen ich empfohlen war,
rieten mir, nicht in der Stadt zu schlafen, wo das gelbe
Fieber erst seit wenigen Wochen aufgehört hatte, sondern
über dem Dorfe Maiquetia in einem Hause auf einer kleinen
Anhöhe, das dem kühlen Luftzug mehr ausgesetzt war als
Guayra. Am 21. abends kam ich in Caracas an, vier Tage
früher als meine Reisegefährten, die auf dem Landwege zwischen
Capaya und Curiepe durch die starken Regengüsse und die
ausgetretenen Bergwasser viel auszustehen gehabt hatten. Um
nicht öfters auf dieselben Gegenstände zurückzukommen, schließe
ich der Beschreibung der Stadt Guayra und des merkwürdigen

Menge ſieht. Zwiſchen dem Camburi und Niguatar ziehen
ſich mit Zuckerrohr und Mais beſtellte Felder in enge Thäler
hinauf, die Felsſpalten gleichen. Die Strahlen der noch nicht
hoch ſtehenden Sonne fielen hinein und bildeten die anziehend-
ſten Kontraſte von Licht und Schatten.

Der Niguatar und die Silla bei Caracas ſind die höchſten
Gipfel dieſer Küſtenkette. Erſterer iſt faſt ſo hoch als der
Canigou in den Pyrenäen; es iſt als ſtiegen die Pyrenäen
oder die Alpen, von ihrem Schnee entblößt, gerade aus dem
Waſſer empor, ſo gewaltig erſcheinen einem die Gebirgs-
maſſen, wenn man ſie zum erſtenmal von der See aus er-
blickt. Bei Caravalleda wird das bebaute Land breiter, Hügel
mit ſanftem Abhang erſcheinen und die Vegetation reicht ſehr
weit hinauf. Man baut hier viel Zuckerrohr und die barm-
herzigen Brüder haben daſelbſt eine Pflanzung und 200
Sklaven. Die Gegend war früher den Fiebern ſehr ausge-
ſetzt, und man behauptet, die Luft ſei geſünder geworden,
ſeit man um einen Teich, deſſen Ausdünſtungen man beſon-
ders fürchtete, Bäume gepflanzt hat, ſo daß das Waſſer
weniger dem Sonnenſtrahl ausgeſetzt iſt. Weſtlich von Cara-
valleda läuft wieder eine nackte Felsmauer bis an die See
vor, ſie iſt aber von geringer Ausdehnung. Nachdem wir
dieſelbe umſegelt, lag das hübſch gelegene Dorf Macuto vor
uns, weiterhin die ſchwarzen Felſen von Guayra mit ihren
Batterien in mehreren Stockwerken übereinander und in
duftiger Ferne ein langes Vorgebirge mit kegelförmigen,
blendend weißen Bergſpitzen, Cabo Blanco. Kokosnußbäume
ſäumen das Ufer und geben ihm unter dem glühenden Himmel
den Anſchein von Fruchtbarkeit.

Nach der Landung im Hafen von Guayra traf ich noch
am Abend Anſtalt, um meine Inſtrumente nach Caracas
ſchaffen zu laſſen. Die Perſonen, denen ich empfohlen war,
rieten mir, nicht in der Stadt zu ſchlafen, wo das gelbe
Fieber erſt ſeit wenigen Wochen aufgehört hatte, ſondern
über dem Dorfe Maiquetia in einem Hauſe auf einer kleinen
Anhöhe, das dem kühlen Luftzug mehr ausgeſetzt war als
Guayra. Am 21. abends kam ich in Caracas an, vier Tage
früher als meine Reiſegefährten, die auf dem Landwege zwiſchen
Capaya und Curiepe durch die ſtarken Regengüſſe und die
ausgetretenen Bergwaſſer viel auszuſtehen gehabt hatten. Um
nicht öfters auf dieſelben Gegenſtände zurückzukommen, ſchließe
ich der Beſchreibung der Stadt Guayra und des merkwürdigen

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[76/0084] Menge ſieht. Zwiſchen dem Camburi und Niguatar ziehen ſich mit Zuckerrohr und Mais beſtellte Felder in enge Thäler hinauf, die Felsſpalten gleichen. Die Strahlen der noch nicht hoch ſtehenden Sonne fielen hinein und bildeten die anziehend- ſten Kontraſte von Licht und Schatten. Der Niguatar und die Silla bei Caracas ſind die höchſten Gipfel dieſer Küſtenkette. Erſterer iſt faſt ſo hoch als der Canigou in den Pyrenäen; es iſt als ſtiegen die Pyrenäen oder die Alpen, von ihrem Schnee entblößt, gerade aus dem Waſſer empor, ſo gewaltig erſcheinen einem die Gebirgs- maſſen, wenn man ſie zum erſtenmal von der See aus er- blickt. Bei Caravalleda wird das bebaute Land breiter, Hügel mit ſanftem Abhang erſcheinen und die Vegetation reicht ſehr weit hinauf. Man baut hier viel Zuckerrohr und die barm- herzigen Brüder haben daſelbſt eine Pflanzung und 200 Sklaven. Die Gegend war früher den Fiebern ſehr ausge- ſetzt, und man behauptet, die Luft ſei geſünder geworden, ſeit man um einen Teich, deſſen Ausdünſtungen man beſon- ders fürchtete, Bäume gepflanzt hat, ſo daß das Waſſer weniger dem Sonnenſtrahl ausgeſetzt iſt. Weſtlich von Cara- valleda läuft wieder eine nackte Felsmauer bis an die See vor, ſie iſt aber von geringer Ausdehnung. Nachdem wir dieſelbe umſegelt, lag das hübſch gelegene Dorf Macuto vor uns, weiterhin die ſchwarzen Felſen von Guayra mit ihren Batterien in mehreren Stockwerken übereinander und in duftiger Ferne ein langes Vorgebirge mit kegelförmigen, blendend weißen Bergſpitzen, Cabo Blanco. Kokosnußbäume ſäumen das Ufer und geben ihm unter dem glühenden Himmel den Anſchein von Fruchtbarkeit. Nach der Landung im Hafen von Guayra traf ich noch am Abend Anſtalt, um meine Inſtrumente nach Caracas ſchaffen zu laſſen. Die Perſonen, denen ich empfohlen war, rieten mir, nicht in der Stadt zu ſchlafen, wo das gelbe Fieber erſt ſeit wenigen Wochen aufgehört hatte, ſondern über dem Dorfe Maiquetia in einem Hauſe auf einer kleinen Anhöhe, das dem kühlen Luftzug mehr ausgeſetzt war als Guayra. Am 21. abends kam ich in Caracas an, vier Tage früher als meine Reiſegefährten, die auf dem Landwege zwiſchen Capaya und Curiepe durch die ſtarken Regengüſſe und die ausgetretenen Bergwaſſer viel auszuſtehen gehabt hatten. Um nicht öfters auf dieſelben Gegenſtände zurückzukommen, ſchließe ich der Beſchreibung der Stadt Guayra und des merkwürdigen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/84>, abgerufen am 22.11.2024.