nimmt dennoch ihre Breite fast nicht zu. Im Maß, als sie vorrücken, gehen sie auch zu Grunde. Die Manglebäume und die anderen Gewächse, die immer neben ihnen vorkommen, gehen ein, sobald der Boden trocken wird und sie nicht mehr im Salzwasser stehen. Ihre alten, mit Schaltieren bedeckten, halb im Sande begrabenen Stämme bezeichnen nach Jahr- hunderten den Weg, den sie bei ihrer Wanderung einge- schlagen, und die Grenze des Landstriches, den sie dem Meere abgewonnen.
Die Bucht von Higuerote ist sehr günstig gelegen, um das Vorgebirge Codera, das 11 km weit in seiner ganzen Breite vor einem daliegt, genau zu betrachten. Es imponiert mehr durch seine Masse als durch seine Höhe, die mir nach Höhenwinkeln, die ich am Strande gemessen, nicht über 390 m zu betragen schien. Nach Nord, Ost und West fällt es steil ab, und man meint an diesen großen Profilen die fallenden Schichten zu unterscheiden. Die Schichten zunächst bei der Bucht strichen Nord 60° West und fielen unter 80° nach Nordwest. Am großen Berge Silla und östlich von Mani- quarez auf der Landenge von Araya sind Streichung und Fall dieselben, und daraus scheint hervorzugehen, daß die Urgebirgskette dieser Landenge, die auf eine Strecke von 157 km (zwischen den Meridianen von Maniquarez und Higuerote) vom Meere zerrissen oder verschlungen worden, im Kap Codera wieder auftritt und gegen West als Küstenkette fortstreicht.
Meinen Reisegefährten war bei der hochgehenden See vor dem Schlingern unseres kleinen Schiffes so bange, daß sie beschlossen, den Landweg von Higuerote nach Caracas einzuschlagen; derselbe führt durch ein wildes, feuchtes Land, durch die Montanna de Capaya nördlich von Caugagua, durch das Thal des Rio Guatire und des Guarenas. Es war mir lieb, daß auch Bonpland diesen Weg wählte, auf dem er trotz des beständigen Regens und der ausgetretenen Flüsse viele neue Pflanzen zusammenbrachte. Ich selbst ging mit dem indianischen Steuermann allein zur See weiter; es schien mir zu gewagt, die Instrumente, die uns an den Orinoko begleiten sollten, aus den Augen zu lassen.
Wir gingen mit Einbruch der Nacht unter Segel. Der Wind war nicht sehr günstig und wir hatten viele Mühe, um Kap Codera herum zu kommen; die Wellen waren kurz und brachen sich häufig ineinander; es gehörte die Erschöpfung
nimmt dennoch ihre Breite faſt nicht zu. Im Maß, als ſie vorrücken, gehen ſie auch zu Grunde. Die Manglebäume und die anderen Gewächſe, die immer neben ihnen vorkommen, gehen ein, ſobald der Boden trocken wird und ſie nicht mehr im Salzwaſſer ſtehen. Ihre alten, mit Schaltieren bedeckten, halb im Sande begrabenen Stämme bezeichnen nach Jahr- hunderten den Weg, den ſie bei ihrer Wanderung einge- ſchlagen, und die Grenze des Landſtriches, den ſie dem Meere abgewonnen.
Die Bucht von Higuerote iſt ſehr günſtig gelegen, um das Vorgebirge Codera, das 11 km weit in ſeiner ganzen Breite vor einem daliegt, genau zu betrachten. Es imponiert mehr durch ſeine Maſſe als durch ſeine Höhe, die mir nach Höhenwinkeln, die ich am Strande gemeſſen, nicht über 390 m zu betragen ſchien. Nach Nord, Oſt und Weſt fällt es ſteil ab, und man meint an dieſen großen Profilen die fallenden Schichten zu unterſcheiden. Die Schichten zunächſt bei der Bucht ſtrichen Nord 60° Weſt und fielen unter 80° nach Nordweſt. Am großen Berge Silla und öſtlich von Mani- quarez auf der Landenge von Araya ſind Streichung und Fall dieſelben, und daraus ſcheint hervorzugehen, daß die Urgebirgskette dieſer Landenge, die auf eine Strecke von 157 km (zwiſchen den Meridianen von Maniquarez und Higuerote) vom Meere zerriſſen oder verſchlungen worden, im Kap Codera wieder auftritt und gegen Weſt als Küſtenkette fortſtreicht.
Meinen Reiſegefährten war bei der hochgehenden See vor dem Schlingern unſeres kleinen Schiffes ſo bange, daß ſie beſchloſſen, den Landweg von Higuerote nach Caracas einzuſchlagen; derſelbe führt durch ein wildes, feuchtes Land, durch die Montaña de Capaya nördlich von Caugagua, durch das Thal des Rio Guatire und des Guarenas. Es war mir lieb, daß auch Bonpland dieſen Weg wählte, auf dem er trotz des beſtändigen Regens und der ausgetretenen Flüſſe viele neue Pflanzen zuſammenbrachte. Ich ſelbſt ging mit dem indianiſchen Steuermann allein zur See weiter; es ſchien mir zu gewagt, die Inſtrumente, die uns an den Orinoko begleiten ſollten, aus den Augen zu laſſen.
Wir gingen mit Einbruch der Nacht unter Segel. Der Wind war nicht ſehr günſtig und wir hatten viele Mühe, um Kap Codera herum zu kommen; die Wellen waren kurz und brachen ſich häufig ineinander; es gehörte die Erſchöpfung
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[74/0082]
nimmt dennoch ihre Breite faſt nicht zu. Im Maß, als ſie
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die anderen Gewächſe, die immer neben ihnen vorkommen,
gehen ein, ſobald der Boden trocken wird und ſie nicht mehr
im Salzwaſſer ſtehen. Ihre alten, mit Schaltieren bedeckten,
halb im Sande begrabenen Stämme bezeichnen nach Jahr-
hunderten den Weg, den ſie bei ihrer Wanderung einge-
ſchlagen, und die Grenze des Landſtriches, den ſie dem Meere
abgewonnen.
Die Bucht von Higuerote iſt ſehr günſtig gelegen, um
das Vorgebirge Codera, das 11 km weit in ſeiner ganzen
Breite vor einem daliegt, genau zu betrachten. Es imponiert
mehr durch ſeine Maſſe als durch ſeine Höhe, die mir nach
Höhenwinkeln, die ich am Strande gemeſſen, nicht über 390 m
zu betragen ſchien. Nach Nord, Oſt und Weſt fällt es ſteil
ab, und man meint an dieſen großen Profilen die fallenden
Schichten zu unterſcheiden. Die Schichten zunächſt bei der
Bucht ſtrichen Nord 60° Weſt und fielen unter 80° nach
Nordweſt. Am großen Berge Silla und öſtlich von Mani-
quarez auf der Landenge von Araya ſind Streichung und
Fall dieſelben, und daraus ſcheint hervorzugehen, daß die
Urgebirgskette dieſer Landenge, die auf eine Strecke von
157 km (zwiſchen den Meridianen von Maniquarez und
Higuerote) vom Meere zerriſſen oder verſchlungen worden, im
Kap Codera wieder auftritt und gegen Weſt als Küſtenkette
fortſtreicht.
Meinen Reiſegefährten war bei der hochgehenden See
vor dem Schlingern unſeres kleinen Schiffes ſo bange, daß
ſie beſchloſſen, den Landweg von Higuerote nach Caracas
einzuſchlagen; derſelbe führt durch ein wildes, feuchtes Land,
durch die Montaña de Capaya nördlich von Caugagua, durch
das Thal des Rio Guatire und des Guarenas. Es war mir
lieb, daß auch Bonpland dieſen Weg wählte, auf dem er trotz
des beſtändigen Regens und der ausgetretenen Flüſſe viele
neue Pflanzen zuſammenbrachte. Ich ſelbſt ging mit dem
indianiſchen Steuermann allein zur See weiter; es ſchien mir
zu gewagt, die Inſtrumente, die uns an den Orinoko begleiten
ſollten, aus den Augen zu laſſen.
Wir gingen mit Einbruch der Nacht unter Segel. Der
Wind war nicht ſehr günſtig und wir hatten viele Mühe, um
Kap Codera herum zu kommen; die Wellen waren kurz und
brachen ſich häufig ineinander; es gehörte die Erſchöpfung
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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