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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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der Gattung Suriana, die bei den Eingeborenen Romero de
la mar
heißt. Diesem Buschwerke, besonders aber den Aus-
dünstungen der Wurzelträger oder Manglebäume, schreibt man
es hier, wie überall in beiden Indien, zu, daß die Luft so
ungesund ist. Beim Landen kam uns auf 30 bis 40 m ein
fader, süßlicher Geruch entgegen, ähnlich dem, den in ver-
lassenen Bergwerksstollen, wo die Lichter zu verlöschen an-
fangen, das mit Schimmel überzogene Zimmerwerk verbreitet.
Die Lufttemperatur stieg auf 34° infolge der Reverberation
des weißen Sandes, der sich zwischen dem Buschwerke und
den hochgipfligen Waldbäumen hinzog. Da der Boden einen
ganz unbedeutenden Fall hat, so werden, so schwach auch
Ebbe und Flut hier sind, dennoch die Wurzeln und ein Teil
des Stammes der Manglebäume bald unter Wasser gesetzt,
bald trocken gelegt. Wenn nun die Sonne das nasse Holz
erhitzt und den schlammigen Boden, die abgefallenen, zer-
setzten Blätter und die im angeschwemmten Seetang hängen-
den Weichtiere gleichsam in Gärung versetzt, da bilden sich
wahrscheinlich die schädlichen Gase, die sich der chemischen
Untersuchung entziehen. Auf der ganzen Küste zeigt das
Seewasser da, wo es mit den Manglebäumen in Berührung
kommt, eine braungelbe Färbung.

Dieser Umstand fiel mir auf und ich sammelte daher in
Higuerote ein ziemliches Quantum Wurzeln und Zweige, um
gleich nach der Ankunft in Caracas mit dem Aufguß des
Mangleholzes einige Versuche anzustellen. Der Aufguß mit
heißem Wasser war braun, hatte einen zusammenziehenden
Geschmack und enthielt ein Gemisch von Extraktivstoff und
Gerbstoff. Die Rizophora, der Guy, der Kornelkirschbaum,
alle Pflanzen aus den natürlichen Familien der Lorantheen
und Caprifoliaceen haben dieselben Eigenschaften. Der Auf-
guß des Manglebaums wurde unter einer Glocke zwölf Tage
lang mit atmosphärischer Luft in Berührung gebracht; die
Reinheit derselben ward dadurch nicht merkbar vermindert.
Es bildete sich ein kleiner flockiger, schwärzlicher Bodensatz,
aber eine merkbare Absorption von Sauerstoff fand nicht statt.
Holz und Wurzeln des Manglebaums wurden unter Wasser
der Sonne ausgesetzt; ich wollte dabei nachahmen, was in
der Natur auf der Küste bei steigender Flut täglich vorgeht.
Es entwickelten sich Luftblasen, die nach Verlauf von zehn
Tagen ein Volumen von 33 Kubikzoll bildeten. Es war ein
Gemisch von Stickstoff und Kohlensäure; Salpetergas zeigte

der Gattung Suriana, die bei den Eingeborenen Romero de
la mar
heißt. Dieſem Buſchwerke, beſonders aber den Aus-
dünſtungen der Wurzelträger oder Manglebäume, ſchreibt man
es hier, wie überall in beiden Indien, zu, daß die Luft ſo
ungeſund iſt. Beim Landen kam uns auf 30 bis 40 m ein
fader, ſüßlicher Geruch entgegen, ähnlich dem, den in ver-
laſſenen Bergwerksſtollen, wo die Lichter zu verlöſchen an-
fangen, das mit Schimmel überzogene Zimmerwerk verbreitet.
Die Lufttemperatur ſtieg auf 34° infolge der Reverberation
des weißen Sandes, der ſich zwiſchen dem Buſchwerke und
den hochgipfligen Waldbäumen hinzog. Da der Boden einen
ganz unbedeutenden Fall hat, ſo werden, ſo ſchwach auch
Ebbe und Flut hier ſind, dennoch die Wurzeln und ein Teil
des Stammes der Manglebäume bald unter Waſſer geſetzt,
bald trocken gelegt. Wenn nun die Sonne das naſſe Holz
erhitzt und den ſchlammigen Boden, die abgefallenen, zer-
ſetzten Blätter und die im angeſchwemmten Seetang hängen-
den Weichtiere gleichſam in Gärung verſetzt, da bilden ſich
wahrſcheinlich die ſchädlichen Gaſe, die ſich der chemiſchen
Unterſuchung entziehen. Auf der ganzen Küſte zeigt das
Seewaſſer da, wo es mit den Manglebäumen in Berührung
kommt, eine braungelbe Färbung.

Dieſer Umſtand fiel mir auf und ich ſammelte daher in
Higuerote ein ziemliches Quantum Wurzeln und Zweige, um
gleich nach der Ankunft in Caracas mit dem Aufguß des
Mangleholzes einige Verſuche anzuſtellen. Der Aufguß mit
heißem Waſſer war braun, hatte einen zuſammenziehenden
Geſchmack und enthielt ein Gemiſch von Extraktivſtoff und
Gerbſtoff. Die Rizophora, der Guy, der Kornelkirſchbaum,
alle Pflanzen aus den natürlichen Familien der Lorantheen
und Caprifoliaceen haben dieſelben Eigenſchaften. Der Auf-
guß des Manglebaums wurde unter einer Glocke zwölf Tage
lang mit atmoſphäriſcher Luft in Berührung gebracht; die
Reinheit derſelben ward dadurch nicht merkbar vermindert.
Es bildete ſich ein kleiner flockiger, ſchwärzlicher Bodenſatz,
aber eine merkbare Abſorption von Sauerſtoff fand nicht ſtatt.
Holz und Wurzeln des Manglebaums wurden unter Waſſer
der Sonne ausgeſetzt; ich wollte dabei nachahmen, was in
der Natur auf der Küſte bei ſteigender Flut täglich vorgeht.
Es entwickelten ſich Luftblaſen, die nach Verlauf von zehn
Tagen ein Volumen von 33 Kubikzoll bildeten. Es war ein
Gemiſch von Stickſtoff und Kohlenſäure; Salpetergas zeigte

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[72/0080] der Gattung Suriana, die bei den Eingeborenen Romero de la mar heißt. Dieſem Buſchwerke, beſonders aber den Aus- dünſtungen der Wurzelträger oder Manglebäume, ſchreibt man es hier, wie überall in beiden Indien, zu, daß die Luft ſo ungeſund iſt. Beim Landen kam uns auf 30 bis 40 m ein fader, ſüßlicher Geruch entgegen, ähnlich dem, den in ver- laſſenen Bergwerksſtollen, wo die Lichter zu verlöſchen an- fangen, das mit Schimmel überzogene Zimmerwerk verbreitet. Die Lufttemperatur ſtieg auf 34° infolge der Reverberation des weißen Sandes, der ſich zwiſchen dem Buſchwerke und den hochgipfligen Waldbäumen hinzog. Da der Boden einen ganz unbedeutenden Fall hat, ſo werden, ſo ſchwach auch Ebbe und Flut hier ſind, dennoch die Wurzeln und ein Teil des Stammes der Manglebäume bald unter Waſſer geſetzt, bald trocken gelegt. Wenn nun die Sonne das naſſe Holz erhitzt und den ſchlammigen Boden, die abgefallenen, zer- ſetzten Blätter und die im angeſchwemmten Seetang hängen- den Weichtiere gleichſam in Gärung verſetzt, da bilden ſich wahrſcheinlich die ſchädlichen Gaſe, die ſich der chemiſchen Unterſuchung entziehen. Auf der ganzen Küſte zeigt das Seewaſſer da, wo es mit den Manglebäumen in Berührung kommt, eine braungelbe Färbung. Dieſer Umſtand fiel mir auf und ich ſammelte daher in Higuerote ein ziemliches Quantum Wurzeln und Zweige, um gleich nach der Ankunft in Caracas mit dem Aufguß des Mangleholzes einige Verſuche anzuſtellen. Der Aufguß mit heißem Waſſer war braun, hatte einen zuſammenziehenden Geſchmack und enthielt ein Gemiſch von Extraktivſtoff und Gerbſtoff. Die Rizophora, der Guy, der Kornelkirſchbaum, alle Pflanzen aus den natürlichen Familien der Lorantheen und Caprifoliaceen haben dieſelben Eigenſchaften. Der Auf- guß des Manglebaums wurde unter einer Glocke zwölf Tage lang mit atmoſphäriſcher Luft in Berührung gebracht; die Reinheit derſelben ward dadurch nicht merkbar vermindert. Es bildete ſich ein kleiner flockiger, ſchwärzlicher Bodenſatz, aber eine merkbare Abſorption von Sauerſtoff fand nicht ſtatt. Holz und Wurzeln des Manglebaums wurden unter Waſſer der Sonne ausgeſetzt; ich wollte dabei nachahmen, was in der Natur auf der Küſte bei ſteigender Flut täglich vorgeht. Es entwickelten ſich Luftblaſen, die nach Verlauf von zehn Tagen ein Volumen von 33 Kubikzoll bildeten. Es war ein Gemiſch von Stickſtoff und Kohlenſäure; Salpetergas zeigte

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/80>, abgerufen am 07.05.2024.