und an der Grenze von Brasilien in der Nähe des Aequators unter 70° der Länge vom Pariser Meridian. 2) In fran- zösisch Guyana (Breite 40° 56', Länge 54° 35') "sah man den Himmel gegen Norden wie in Flammen stehen. Andert- halb Stunden lang schossen unzählige Sternschnuppen durch der Himmel und verbreiteten ein so starkes Licht, daß man die Meteore mit den sprühenden Funkengarben bei einem Feuerwerk vergleichen konnte". Für diese Thatsache liegt ein höchst achtungswertes Zeugnis vor, das des Grafen Marbois, der damals als ein Opfer seines Rechtssinns und seiner An- hänglichkeit an verfassungsmäßige Freiheit als Deportierter in Cayenne lebte. 3) Der Astronom der Vereinigten Staaten, Ellicot, befand sich, nachdem er trigonometrische Vermessungen zur Grenzberichtigung am Ohio vollendet hatte, am 12. No- vember im Kanal von Bahama unter 25° der Breite und 81° 50' der Länge. Er sah am ganzen Himmel "so viel Meteore als Sterne; sie fuhren nach allen Richtungen dahin; manche schienen senkrecht niederzufallen und man glaubte jeden Augenblick, sie werden aufs Schiff herabkommen". Dasselbe wurde auf dem Festlande von Amerika bis zu 30° 43' der Breite beobachtet. 4) In Labrador zu Nain (Breite 56° 55') und Hoffenthal (Breite 58° 4'), in Grönland zu Lichtenau (Breite 61° 5') und Neu-Herrnhut (Breite 64° 14', Länge 52° 20') erschraken die Eskimo über die ungeheure Menge Feuerkugeln, die in der Dämmerung nach allen Himmels- gegenden niederfielen, "und von denen manche einen Schuh breit waren". 5) In Deutschland sah der Pfarrer von Itterstädt bei Weimar, Zeising (Breite 50° 59', östliche Länge 9° 1'), am 12. November zwischen 6 und 7 Uhr morgens (als es in Cumana 21/2 Uhr war) einige Stern- schnuppen mit sehr weißem Licht. "Kurz darauf erschienen gegen Süd und Südwest 1,3 bis 2 m lange, rötliche Licht- streifen, ähnlich denen einer Rakete. In der Morgendämmerung zwischen 7 und 8 Uhr sah man von Zeit zu Zeit den Himmel durch weißliche, in Schlangenlinien am Horizont hinfahrende Blitze stark beleuchtet. In der Nacht war es kälter geworden und der Barometer war gestiegen." Sehr wahrscheinlich hätte das Meteor noch weiter ostwärts in Polen und Rußland ge- sehen werden können. Ohne die umständliche Angabe, die Ritter den Papieren des Pfarrers von Itterstädt entnommen, hätten wir auch geglaubt, die Feuerkugeln seien außerhalb der Grenzen der Neuen Welt nicht gesehen worden.
und an der Grenze von Braſilien in der Nähe des Aequators unter 70° der Länge vom Pariſer Meridian. 2) In fran- zöſiſch Guyana (Breite 40° 56′, Länge 54° 35′) „ſah man den Himmel gegen Norden wie in Flammen ſtehen. Andert- halb Stunden lang ſchoſſen unzählige Sternſchnuppen durch der Himmel und verbreiteten ein ſo ſtarkes Licht, daß man die Meteore mit den ſprühenden Funkengarben bei einem Feuerwerk vergleichen konnte“. Für dieſe Thatſache liegt ein höchſt achtungswertes Zeugnis vor, das des Grafen Marbois, der damals als ein Opfer ſeines Rechtsſinns und ſeiner An- hänglichkeit an verfaſſungsmäßige Freiheit als Deportierter in Cayenne lebte. 3) Der Aſtronom der Vereinigten Staaten, Ellicot, befand ſich, nachdem er trigonometriſche Vermeſſungen zur Grenzberichtigung am Ohio vollendet hatte, am 12. No- vember im Kanal von Bahama unter 25° der Breite und 81° 50′ der Länge. Er ſah am ganzen Himmel „ſo viel Meteore als Sterne; ſie fuhren nach allen Richtungen dahin; manche ſchienen ſenkrecht niederzufallen und man glaubte jeden Augenblick, ſie werden aufs Schiff herabkommen“. Dasſelbe wurde auf dem Feſtlande von Amerika bis zu 30° 43′ der Breite beobachtet. 4) In Labrador zu Nain (Breite 56° 55′) und Hoffenthal (Breite 58° 4′), in Grönland zu Lichtenau (Breite 61° 5′) und Neu-Herrnhut (Breite 64° 14′, Länge 52° 20′) erſchraken die Eskimo über die ungeheure Menge Feuerkugeln, die in der Dämmerung nach allen Himmels- gegenden niederfielen, „und von denen manche einen Schuh breit waren“. 5) In Deutſchland ſah der Pfarrer von Itterſtädt bei Weimar, Zeiſing (Breite 50° 59′, öſtliche Länge 9° 1′), am 12. November zwiſchen 6 und 7 Uhr morgens (als es in Cumana 2½ Uhr war) einige Stern- ſchnuppen mit ſehr weißem Licht. „Kurz darauf erſchienen gegen Süd und Südweſt 1,3 bis 2 m lange, rötliche Licht- ſtreifen, ähnlich denen einer Rakete. In der Morgendämmerung zwiſchen 7 und 8 Uhr ſah man von Zeit zu Zeit den Himmel durch weißliche, in Schlangenlinien am Horizont hinfahrende Blitze ſtark beleuchtet. In der Nacht war es kälter geworden und der Barometer war geſtiegen.“ Sehr wahrſcheinlich hätte das Meteor noch weiter oſtwärts in Polen und Rußland ge- ſehen werden können. Ohne die umſtändliche Angabe, die Ritter den Papieren des Pfarrers von Itterſtädt entnommen, hätten wir auch geglaubt, die Feuerkugeln ſeien außerhalb der Grenzen der Neuen Welt nicht geſehen worden.
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[55/0063]
und an der Grenze von Braſilien in der Nähe des Aequators
unter 70° der Länge vom Pariſer Meridian. 2) In fran-
zöſiſch Guyana (Breite 40° 56′, Länge 54° 35′) „ſah man
den Himmel gegen Norden wie in Flammen ſtehen. Andert-
halb Stunden lang ſchoſſen unzählige Sternſchnuppen durch
der Himmel und verbreiteten ein ſo ſtarkes Licht, daß man
die Meteore mit den ſprühenden Funkengarben bei einem
Feuerwerk vergleichen konnte“. Für dieſe Thatſache liegt ein
höchſt achtungswertes Zeugnis vor, das des Grafen Marbois,
der damals als ein Opfer ſeines Rechtsſinns und ſeiner An-
hänglichkeit an verfaſſungsmäßige Freiheit als Deportierter in
Cayenne lebte. 3) Der Aſtronom der Vereinigten Staaten,
Ellicot, befand ſich, nachdem er trigonometriſche Vermeſſungen
zur Grenzberichtigung am Ohio vollendet hatte, am 12. No-
vember im Kanal von Bahama unter 25° der Breite und
81° 50′ der Länge. Er ſah am ganzen Himmel „ſo viel
Meteore als Sterne; ſie fuhren nach allen Richtungen dahin;
manche ſchienen ſenkrecht niederzufallen und man glaubte jeden
Augenblick, ſie werden aufs Schiff herabkommen“. Dasſelbe
wurde auf dem Feſtlande von Amerika bis zu 30° 43′ der
Breite beobachtet. 4) In Labrador zu Nain (Breite 56° 55′)
und Hoffenthal (Breite 58° 4′), in Grönland zu Lichtenau
(Breite 61° 5′) und Neu-Herrnhut (Breite 64° 14′, Länge
52° 20′) erſchraken die Eskimo über die ungeheure Menge
Feuerkugeln, die in der Dämmerung nach allen Himmels-
gegenden niederfielen, „und von denen manche einen Schuh
breit waren“. 5) In Deutſchland ſah der Pfarrer von
Itterſtädt bei Weimar, Zeiſing (Breite 50° 59′, öſtliche
Länge 9° 1′), am 12. November zwiſchen 6 und 7 Uhr
morgens (als es in Cumana 2½ Uhr war) einige Stern-
ſchnuppen mit ſehr weißem Licht. „Kurz darauf erſchienen
gegen Süd und Südweſt 1,3 bis 2 m lange, rötliche Licht-
ſtreifen, ähnlich denen einer Rakete. In der Morgendämmerung
zwiſchen 7 und 8 Uhr ſah man von Zeit zu Zeit den Himmel
durch weißliche, in Schlangenlinien am Horizont hinfahrende
Blitze ſtark beleuchtet. In der Nacht war es kälter geworden
und der Barometer war geſtiegen.“ Sehr wahrſcheinlich hätte
das Meteor noch weiter oſtwärts in Polen und Rußland ge-
ſehen werden können. Ohne die umſtändliche Angabe, die
Ritter den Papieren des Pfarrers von Itterſtädt entnommen,
hätten wir auch geglaubt, die Feuerkugeln ſeien außerhalb der
Grenzen der Neuen Welt nicht geſehen worden.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/63>, abgerufen am 22.11.2024.
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