zwischen dem Landungsplatz und der Vorstadt der Guaikeri. Ich hörte hinter mir gehen, und wie ich mich umwandte, sah ich einen hochgewachsenen Mann von der Farbe der Zambos, nackt bis zum Gürtel. Er hielt fast über meinem Kopf eine Macana, einen dicken, unten keulenförmig dicker werdenden Stock aus Palmholz. Ich wich dem Schlage aus, indem ich links zur Seite sprang. Bonpland, der mir zur Rechten ging, war nicht so glücklich; er hatte den Zambo später bemerkt als ich, und erhielt über die Schläfe einen Schlag, der ihn zu Boden streckte. Wir waren allein, unbe- waffnet, 2 Kilometer von jeder Wohnung auf einer weiten Ebene an der See. Der Zambo kümmerte sich nicht mehr um mich, sondern ging langsam davon und nahm Bonplands Hut auf, der die Gewalt des Schlages etwas gebrochen hatte und weit weggeflogen war. Aufs äußerste erschrocken, da ich meinen Reisegefährten zu Boden stürzen und eine Weile bewußtlos daliegen sah, dachte ich nur an ihn. Ich half ihm aufstehen; der Schmerz und der Zorn gaben ihm doppelte Kraft. Wir stürzten auf den Zambo zu, der, sei es aus Feigheit, die bei diesem Menschenschlag gemein ist, oder weil er von weitem Leute am Strande sah, nicht auf uns wartete und dem Tunal zulief, einem kleinen Buschwerk aus Fackel- disteln und baumartigen Avicennien. Zufällig fiel er unter- wegs, Bonpland, der zunächst an ihm war, rang mit ihm und setzte sich dadurch der äußersten Gefahr aus. Der Zambo zog ein langes Messer aus seinem Beinkleid, und im un- gleichen Kampfe wären wir sicher verwundet worden, wären nicht biscayische Handelsleute, die auf dem Strande Kühlung suchten, uns zu Hilfe gekommen. Als der Zambo sich um- ringt sah, gab er die Gegenwehr auf; er entsprang wieder, und nachdem wir ihm lange durch die stachlichten Kaktus nach- gelaufen, schlüpfte er in einen Viehstall, aus dem er sich ruhig herausholen und ins Gefängnis führen ließ.
Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger Mann, voll der Munterkeit, die eine der kostbarsten Gaben ist, welche die Natur einem Reisenden verleihen kann, ging er schon des anderen Tages wieder seiner Arbeit nach. Der Schlag der Macana hatte bis zum Scheitel die Haut ge- quetscht, und er spürte die Nachwehen mehrere Monate während unseres Aufenthaltes in Caracas. Beim Bücken, um Pflanzen aufzunehmen, wurde er mehrere Male von einem Schwindel befallen, der uns befürchten ließ, daß im Schädel etwas aus-
zwiſchen dem Landungsplatz und der Vorſtadt der Guaikeri. Ich hörte hinter mir gehen, und wie ich mich umwandte, ſah ich einen hochgewachſenen Mann von der Farbe der Zambos, nackt bis zum Gürtel. Er hielt faſt über meinem Kopf eine Macana, einen dicken, unten keulenförmig dicker werdenden Stock aus Palmholz. Ich wich dem Schlage aus, indem ich links zur Seite ſprang. Bonpland, der mir zur Rechten ging, war nicht ſo glücklich; er hatte den Zambo ſpäter bemerkt als ich, und erhielt über die Schläfe einen Schlag, der ihn zu Boden ſtreckte. Wir waren allein, unbe- waffnet, 2 Kilometer von jeder Wohnung auf einer weiten Ebene an der See. Der Zambo kümmerte ſich nicht mehr um mich, ſondern ging langſam davon und nahm Bonplands Hut auf, der die Gewalt des Schlages etwas gebrochen hatte und weit weggeflogen war. Aufs äußerſte erſchrocken, da ich meinen Reiſegefährten zu Boden ſtürzen und eine Weile bewußtlos daliegen ſah, dachte ich nur an ihn. Ich half ihm aufſtehen; der Schmerz und der Zorn gaben ihm doppelte Kraft. Wir ſtürzten auf den Zambo zu, der, ſei es aus Feigheit, die bei dieſem Menſchenſchlag gemein iſt, oder weil er von weitem Leute am Strande ſah, nicht auf uns wartete und dem Tunal zulief, einem kleinen Buſchwerk aus Fackel- diſteln und baumartigen Avicennien. Zufällig fiel er unter- wegs, Bonpland, der zunächſt an ihm war, rang mit ihm und ſetzte ſich dadurch der äußerſten Gefahr aus. Der Zambo zog ein langes Meſſer aus ſeinem Beinkleid, und im un- gleichen Kampfe wären wir ſicher verwundet worden, wären nicht biscayiſche Handelsleute, die auf dem Strande Kühlung ſuchten, uns zu Hilfe gekommen. Als der Zambo ſich um- ringt ſah, gab er die Gegenwehr auf; er entſprang wieder, und nachdem wir ihm lange durch die ſtachlichten Kaktus nach- gelaufen, ſchlüpfte er in einen Viehſtall, aus dem er ſich ruhig herausholen und ins Gefängnis führen ließ.
Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger Mann, voll der Munterkeit, die eine der koſtbarſten Gaben iſt, welche die Natur einem Reiſenden verleihen kann, ging er ſchon des anderen Tages wieder ſeiner Arbeit nach. Der Schlag der Macana hatte bis zum Scheitel die Haut ge- quetſcht, und er ſpürte die Nachwehen mehrere Monate während unſeres Aufenthaltes in Caracas. Beim Bücken, um Pflanzen aufzunehmen, wurde er mehrere Male von einem Schwindel befallen, der uns befürchten ließ, daß im Schädel etwas aus-
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zwiſchen dem Landungsplatz und der Vorſtadt der Guaikeri.
Ich hörte hinter mir gehen, und wie ich mich umwandte,
ſah ich einen hochgewachſenen Mann von der Farbe der
Zambos, nackt bis zum Gürtel. Er hielt faſt über meinem
Kopf eine Macana, einen dicken, unten keulenförmig dicker
werdenden Stock aus Palmholz. Ich wich dem Schlage aus,
indem ich links zur Seite ſprang. Bonpland, der mir zur
Rechten ging, war nicht ſo glücklich; er hatte den Zambo
ſpäter bemerkt als ich, und erhielt über die Schläfe einen
Schlag, der ihn zu Boden ſtreckte. Wir waren allein, unbe-
waffnet, 2 Kilometer von jeder Wohnung auf einer weiten
Ebene an der See. Der Zambo kümmerte ſich nicht mehr
um mich, ſondern ging langſam davon und nahm Bonplands
Hut auf, der die Gewalt des Schlages etwas gebrochen hatte
und weit weggeflogen war. Aufs äußerſte erſchrocken, da
ich meinen Reiſegefährten zu Boden ſtürzen und eine Weile
bewußtlos daliegen ſah, dachte ich nur an ihn. Ich half
ihm aufſtehen; der Schmerz und der Zorn gaben ihm doppelte
Kraft. Wir ſtürzten auf den Zambo zu, der, ſei es aus
Feigheit, die bei dieſem Menſchenſchlag gemein iſt, oder weil
er von weitem Leute am Strande ſah, nicht auf uns wartete
und dem Tunal zulief, einem kleinen Buſchwerk aus Fackel-
diſteln und baumartigen Avicennien. Zufällig fiel er unter-
wegs, Bonpland, der zunächſt an ihm war, rang mit ihm
und ſetzte ſich dadurch der äußerſten Gefahr aus. Der Zambo
zog ein langes Meſſer aus ſeinem Beinkleid, und im un-
gleichen Kampfe wären wir ſicher verwundet worden, wären
nicht biscayiſche Handelsleute, die auf dem Strande Kühlung
ſuchten, uns zu Hilfe gekommen. Als der Zambo ſich um-
ringt ſah, gab er die Gegenwehr auf; er entſprang wieder,
und nachdem wir ihm lange durch die ſtachlichten Kaktus nach-
gelaufen, ſchlüpfte er in einen Viehſtall, aus dem er ſich ruhig
herausholen und ins Gefängnis führen ließ.
Bonpland hatte in der Nacht Fieber; aber als ein kräftiger
Mann, voll der Munterkeit, die eine der koſtbarſten Gaben
iſt, welche die Natur einem Reiſenden verleihen kann, ging
er ſchon des anderen Tages wieder ſeiner Arbeit nach. Der
Schlag der Macana hatte bis zum Scheitel die Haut ge-
quetſcht, und er ſpürte die Nachwehen mehrere Monate während
unſeres Aufenthaltes in Caracas. Beim Bücken, um Pflanzen
aufzunehmen, wurde er mehrere Male von einem Schwindel
befallen, der uns befürchten ließ, daß im Schädel etwas aus-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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