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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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scheu ans Ufer des Teiches geschwommen, und hier fing man
sie mit kleinen, an langen Stricken befestigten Harpunen.
Wenn die Stricke recht trocken sind, so fühlen die Indianer
beim Herausziehen des Fisches an die Luft keine Schläge. In
wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meisten
nur leicht verletzt. Auf dieselbe Weise wurden abends noch
andere gefangen.

Die Gewässer, in denen sich die Zitteraale gewöhnlich
aufhalten, haben eine Temperatur von 26 bis 27°. Ihre
elektrische Kraft soll in kälterem Wasser abnehmen, und es ist,
wie bereits ein berühmter Physiker bemerkt hat, überhaupt
merkwürdig, daß die Tiere mit elektrischen Organen, deren
Wirkungen dem Menschen fühlbar werden, nicht in der Luft
leben, sondern in einer die Elektrizität leitenden Flüssigkeit.
Der Gymnotus ist der größte elektrische Fisch; ich habe welche
gemessen, die 1,7 m und 1,62 m lang waren; die Indianer
wollten noch größere gesehen haben. Ein 1,23 m langer Fisch
wog 5 kg. Der Querdurchmesser des Körpers (die kahnförmig
verlängerte Afterflosse abgerechnet) betrug 9 cm. Die Gym-
noten aus dem Cerro de Bera sind hübsch olivengrün. Der
Unterteil des Kopfes ist rötlichgelb. Zwei Reihen kleiner
gelber Flecken laufen symmetrisch über den Rücken vom Kopf
bis zum Schwanzende. Jeder Fleck umschließt einen Aus-
führungskanal; die Haut des Tieres ist auch beständig mit
einem Schleim bedeckt, der, wie Volta gezeigt hat, die Elek-
trizität 20 bis 30mal besser leitet als reines Wasser. Es
ist überhaupt merkwürdig, daß keiner der elektrischen Fische,
die bis jetzt in verschiedenen Weltteilen entdeckt worden, mit
Schuppen bedeckt ist.

Den ersten Schlägen eines sehr großen, stark gereizten
Gymnotus würde man sich nicht ohne Gefahr aussetzen. Be-
kommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fisch verwundet
oder durch lange Verfolgung erschöpft ist, so sind Schmerz
und Betäubung so heftig, daß man sich von der Art der
Empfindung gar keine Rechenschaft geben kann. Ich erinnere
mich nicht, je durch die Entladung einer großen Leidner Flasche
eine so furchtbare Erschütterung erlitten zu haben wie die,
als ich unvorsichtigerweise beide Füße auf einen Gymnotus
setzte, der eben aus dem Wasser gezogen worden war. Ich
empfand den ganzen Tag heftigen Schmerz in den Knieen und
fast in allen Gelenken. Will man den ziemlich auffallenden
Unterschied zwischen der Wirkung der Voltaschen Säule und

ſcheu ans Ufer des Teiches geſchwommen, und hier fing man
ſie mit kleinen, an langen Stricken befeſtigten Harpunen.
Wenn die Stricke recht trocken ſind, ſo fühlen die Indianer
beim Herausziehen des Fiſches an die Luft keine Schläge. In
wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meiſten
nur leicht verletzt. Auf dieſelbe Weiſe wurden abends noch
andere gefangen.

Die Gewäſſer, in denen ſich die Zitteraale gewöhnlich
aufhalten, haben eine Temperatur von 26 bis 27°. Ihre
elektriſche Kraft ſoll in kälterem Waſſer abnehmen, und es iſt,
wie bereits ein berühmter Phyſiker bemerkt hat, überhaupt
merkwürdig, daß die Tiere mit elektriſchen Organen, deren
Wirkungen dem Menſchen fühlbar werden, nicht in der Luft
leben, ſondern in einer die Elektrizität leitenden Flüſſigkeit.
Der Gymnotus iſt der größte elektriſche Fiſch; ich habe welche
gemeſſen, die 1,7 m und 1,62 m lang waren; die Indianer
wollten noch größere geſehen haben. Ein 1,23 m langer Fiſch
wog 5 kg. Der Querdurchmeſſer des Körpers (die kahnförmig
verlängerte Afterfloſſe abgerechnet) betrug 9 cm. Die Gym-
noten aus dem Cerro de Bera ſind hübſch olivengrün. Der
Unterteil des Kopfes iſt rötlichgelb. Zwei Reihen kleiner
gelber Flecken laufen ſymmetriſch über den Rücken vom Kopf
bis zum Schwanzende. Jeder Fleck umſchließt einen Aus-
führungskanal; die Haut des Tieres iſt auch beſtändig mit
einem Schleim bedeckt, der, wie Volta gezeigt hat, die Elek-
trizität 20 bis 30mal beſſer leitet als reines Waſſer. Es
iſt überhaupt merkwürdig, daß keiner der elektriſchen Fiſche,
die bis jetzt in verſchiedenen Weltteilen entdeckt worden, mit
Schuppen bedeckt iſt.

Den erſten Schlägen eines ſehr großen, ſtark gereizten
Gymnotus würde man ſich nicht ohne Gefahr ausſetzen. Be-
kommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fiſch verwundet
oder durch lange Verfolgung erſchöpft iſt, ſo ſind Schmerz
und Betäubung ſo heftig, daß man ſich von der Art der
Empfindung gar keine Rechenſchaft geben kann. Ich erinnere
mich nicht, je durch die Entladung einer großen Leidner Flaſche
eine ſo furchtbare Erſchütterung erlitten zu haben wie die,
als ich unvorſichtigerweiſe beide Füße auf einen Gymnotus
ſetzte, der eben aus dem Waſſer gezogen worden war. Ich
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faſt in allen Gelenken. Will man den ziemlich auffallenden
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[297/0305] ſcheu ans Ufer des Teiches geſchwommen, und hier fing man ſie mit kleinen, an langen Stricken befeſtigten Harpunen. Wenn die Stricke recht trocken ſind, ſo fühlen die Indianer beim Herausziehen des Fiſches an die Luft keine Schläge. In wenigen Minuten hatten wir fünf große Aale, die meiſten nur leicht verletzt. Auf dieſelbe Weiſe wurden abends noch andere gefangen. Die Gewäſſer, in denen ſich die Zitteraale gewöhnlich aufhalten, haben eine Temperatur von 26 bis 27°. Ihre elektriſche Kraft ſoll in kälterem Waſſer abnehmen, und es iſt, wie bereits ein berühmter Phyſiker bemerkt hat, überhaupt merkwürdig, daß die Tiere mit elektriſchen Organen, deren Wirkungen dem Menſchen fühlbar werden, nicht in der Luft leben, ſondern in einer die Elektrizität leitenden Flüſſigkeit. Der Gymnotus iſt der größte elektriſche Fiſch; ich habe welche gemeſſen, die 1,7 m und 1,62 m lang waren; die Indianer wollten noch größere geſehen haben. Ein 1,23 m langer Fiſch wog 5 kg. Der Querdurchmeſſer des Körpers (die kahnförmig verlängerte Afterfloſſe abgerechnet) betrug 9 cm. Die Gym- noten aus dem Cerro de Bera ſind hübſch olivengrün. Der Unterteil des Kopfes iſt rötlichgelb. Zwei Reihen kleiner gelber Flecken laufen ſymmetriſch über den Rücken vom Kopf bis zum Schwanzende. Jeder Fleck umſchließt einen Aus- führungskanal; die Haut des Tieres iſt auch beſtändig mit einem Schleim bedeckt, der, wie Volta gezeigt hat, die Elek- trizität 20 bis 30mal beſſer leitet als reines Waſſer. Es iſt überhaupt merkwürdig, daß keiner der elektriſchen Fiſche, die bis jetzt in verſchiedenen Weltteilen entdeckt worden, mit Schuppen bedeckt iſt. Den erſten Schlägen eines ſehr großen, ſtark gereizten Gymnotus würde man ſich nicht ohne Gefahr ausſetzen. Be- kommt man zufällig einen Schlag, bevor der Fiſch verwundet oder durch lange Verfolgung erſchöpft iſt, ſo ſind Schmerz und Betäubung ſo heftig, daß man ſich von der Art der Empfindung gar keine Rechenſchaft geben kann. Ich erinnere mich nicht, je durch die Entladung einer großen Leidner Flaſche eine ſo furchtbare Erſchütterung erlitten zu haben wie die, als ich unvorſichtigerweiſe beide Füße auf einen Gymnotus ſetzte, der eben aus dem Waſſer gezogen worden war. Ich empfand den ganzen Tag heftigen Schmerz in den Knieen und faſt in allen Gelenken. Will man den ziemlich auffallenden Unterſchied zwiſchen der Wirkung der Voltaſchen Säule und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/305>, abgerufen am 24.11.2024.