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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Sechzehntes Kapitel.

Der See von Valencia. -- Die heißen Quellen von Mariara. --
Die Stadt Nueva Valencia de el Rey. -- Weg zur Küste von Porto
Cabello hinab.

Die Thäler von Aragua, deren reichen Anbau und er-
staunliche Fruchtbarkeit wir im Obigen geschildert, stellen sich
als ein Becken dar, das zwischen Granit- und Kalkgebirgen
von ungleicher Höhe in der Mitte liegt. Nordwärts trennt
die Sierra Mariara sie von der Meeresküste, gegen Süden
dient ihnen die Bergkette des Guacimo und Yusma als
Schutzwehr gegen die glühende Luft der Steppen. Hügelzüge,
hoch genug, um den Lauf der Gewässer zu bestimmen, schließen
das Becken gegen Ost und West wie Querdämme. Diese
Hügel liegen zwischen dem Tuy und Victoria, wie auf dem
Wege von Valencia nach Nirgua und in die Berge des Torito.
Infolge dieser eigentümlichen Gestaltung des Bodens bilden
die Gewässer der Thäler von Aragua ein System für sich
und laufen einem von allen Seiten geschlossenen Becken zu;
sie ergießen sich nicht in den Ozean, sie vereinigen sich in
einem Binnensee, unterliegen hier dem mächtigen Zuge der
Verdunstung und verlieren sich gleichsam in der Luft. Durch
diese Flüsse und Seen wird die Fruchtbarkeit des Bodens und
der Ertrag des Landbaus in diesen Thälern bedingt. Schon
der Augenschein und eine halbhundertjährige Erfahrung zeigen,
daß der Wasserstand sich nicht gleich bleibt, daß das Gleich-
gewicht zwischen der Summe der Verdunstung und der des
Zuflusses gestört ist. Da der See 324 m über den benach-
barten Steppen von Calabozo und 432 m über dem Meere
liegt, so vermutete man, das Wasser habe einen unterirdischen
Abfluß oder versickere. Da nun Eilande darin zu Tage
kommen und der Wasserspiegel fortwährend sinkt, so meinte
man, der See könnte völlig eintrocknen. Das Zusammen-

Sechzehntes Kapitel.

Der See von Valencia. — Die heißen Quellen von Mariara. —
Die Stadt Nueva Valencia de el Rey. — Weg zur Küſte von Porto
Cabello hinab.

Die Thäler von Aragua, deren reichen Anbau und er-
ſtaunliche Fruchtbarkeit wir im Obigen geſchildert, ſtellen ſich
als ein Becken dar, das zwiſchen Granit- und Kalkgebirgen
von ungleicher Höhe in der Mitte liegt. Nordwärts trennt
die Sierra Mariara ſie von der Meeresküſte, gegen Süden
dient ihnen die Bergkette des Guacimo und Yusma als
Schutzwehr gegen die glühende Luft der Steppen. Hügelzüge,
hoch genug, um den Lauf der Gewäſſer zu beſtimmen, ſchließen
das Becken gegen Oſt und Weſt wie Querdämme. Dieſe
Hügel liegen zwiſchen dem Tuy und Victoria, wie auf dem
Wege von Valencia nach Nirgua und in die Berge des Torito.
Infolge dieſer eigentümlichen Geſtaltung des Bodens bilden
die Gewäſſer der Thäler von Aragua ein Syſtem für ſich
und laufen einem von allen Seiten geſchloſſenen Becken zu;
ſie ergießen ſich nicht in den Ozean, ſie vereinigen ſich in
einem Binnenſee, unterliegen hier dem mächtigen Zuge der
Verdunſtung und verlieren ſich gleichſam in der Luft. Durch
dieſe Flüſſe und Seen wird die Fruchtbarkeit des Bodens und
der Ertrag des Landbaus in dieſen Thälern bedingt. Schon
der Augenſchein und eine halbhundertjährige Erfahrung zeigen,
daß der Waſſerſtand ſich nicht gleich bleibt, daß das Gleich-
gewicht zwiſchen der Summe der Verdunſtung und der des
Zufluſſes geſtört iſt. Da der See 324 m über den benach-
barten Steppen von Calabozo und 432 m über dem Meere
liegt, ſo vermutete man, das Waſſer habe einen unterirdiſchen
Abfluß oder verſickere. Da nun Eilande darin zu Tage
kommen und der Waſſerſpiegel fortwährend ſinkt, ſo meinte
man, der See könnte völlig eintrocknen. Das Zuſammen-

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[[200]/0208] Sechzehntes Kapitel. Der See von Valencia. — Die heißen Quellen von Mariara. — Die Stadt Nueva Valencia de el Rey. — Weg zur Küſte von Porto Cabello hinab. Die Thäler von Aragua, deren reichen Anbau und er- ſtaunliche Fruchtbarkeit wir im Obigen geſchildert, ſtellen ſich als ein Becken dar, das zwiſchen Granit- und Kalkgebirgen von ungleicher Höhe in der Mitte liegt. Nordwärts trennt die Sierra Mariara ſie von der Meeresküſte, gegen Süden dient ihnen die Bergkette des Guacimo und Yusma als Schutzwehr gegen die glühende Luft der Steppen. Hügelzüge, hoch genug, um den Lauf der Gewäſſer zu beſtimmen, ſchließen das Becken gegen Oſt und Weſt wie Querdämme. Dieſe Hügel liegen zwiſchen dem Tuy und Victoria, wie auf dem Wege von Valencia nach Nirgua und in die Berge des Torito. Infolge dieſer eigentümlichen Geſtaltung des Bodens bilden die Gewäſſer der Thäler von Aragua ein Syſtem für ſich und laufen einem von allen Seiten geſchloſſenen Becken zu; ſie ergießen ſich nicht in den Ozean, ſie vereinigen ſich in einem Binnenſee, unterliegen hier dem mächtigen Zuge der Verdunſtung und verlieren ſich gleichſam in der Luft. Durch dieſe Flüſſe und Seen wird die Fruchtbarkeit des Bodens und der Ertrag des Landbaus in dieſen Thälern bedingt. Schon der Augenſchein und eine halbhundertjährige Erfahrung zeigen, daß der Waſſerſtand ſich nicht gleich bleibt, daß das Gleich- gewicht zwiſchen der Summe der Verdunſtung und der des Zufluſſes geſtört iſt. Da der See 324 m über den benach- barten Steppen von Calabozo und 432 m über dem Meere liegt, ſo vermutete man, das Waſſer habe einen unterirdiſchen Abfluß oder verſickere. Da nun Eilande darin zu Tage kommen und der Waſſerſpiegel fortwährend ſinkt, ſo meinte man, der See könnte völlig eintrocknen. Das Zuſammen-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. [200]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/208>, abgerufen am 24.11.2024.