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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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kleinen Erdstrich des Festlandes beschränken. Ihre verheeren-
den Wirkungen verbreiteten sich über die Provinzen Venezuela,
Varinas und Maracaybo, der Küste entlang, besonders aber
in die Gebirge im Inneren. Guayra, Mayquetia, Antimano,
Baruta, La Vega, San Felipe und Merida wurden fast gänz-
lich zerstört. In Guayra und in Villa de San Felipe bei
den Kupferminen von Aroa kamen wenigstens 4000 bis 5000
Menschen ums Leben. Auf einer Linie, die von Guayra und
Caracas von Ost-Nord-Ost nach West-Süd-West den hohen
Gebirgen von Niquitao und Merida zuläuft, scheint das Erd-
beben am stärksten gewesen zu sein. Man spürte es im König-
reich Neugranada von den Ausläufern der hohen Sierra de
Santa Marta bis Santa Fe de Bogota und Honda am
Magdalenenstrom, 810 km von Caracas. Ueberall war es in
den Kordilleren aus Gneis und Glimmerschiefer oder un-
mittelbar an ihrem Fuße stärker als in der Ebene. Dieser
Unterschied war besonders auffallend in den Savannen von
Varinas und Casanare. (In dem geologischen System, nach
dem alle vulkanischen und nicht vulkanischen Gebirge auf
Spalten emporgestiegen sind, erklärt sich dieser Unterschied
leicht.) In den Thälern von Aragua zwischen Caracas und
der Stadt San Felipe waren die Stöße ganz schwach. Vik-
toria, Maracay, Valencia, obgleich nahe bei der Hauptstadt,
litten sehr wenig. In Valecillo, einige Meilen von Valencia,
spie der geborstene Boden solche Wassermassen aus, daß sich
ein neuer Bach bildete; dasselbe ereignete sich in Porto Ca-
bello. Dagegen nahm der See von Maracaybo merkwürdig
ab. In Coro fühlte man keine Erschütterung, und doch liegt
die Stadt an der Küste, zwischen Städten, die gelitten haben." --
Fischer, die den 26. März auf der Insel Orchila, 135 km
östlich von Guayra, zugebracht hatten, spürten keine Stöße.
Diese Abweichungen in der Richtung und Fortpflanzung des
Stoßes rühren wahrscheinlich von der eigentümlichen Lagerung
der Gesteinsschichten her.

Wir haben im bisherigen die Wirkungen des Erdbebens
westlich von Caracas bis zu den Schneegebirgen von Santa
Marta und zu der Hochebene von Santa Fe de Bogota ver-
folgt. Wir wenden uns jetzt zum Landstriche ostwärts von der
Hauptstadt. Jenseits Caurimare, im Thale von Capaya,
waren die Erschütterungen sehr stark und reichten bis zum
Meridian vom Kap Codera; es ist aber höchst merkwürdig,
daß sie an den Küsten von Nueva Barcelona, Cumana und

kleinen Erdſtrich des Feſtlandes beſchränken. Ihre verheeren-
den Wirkungen verbreiteten ſich über die Provinzen Venezuela,
Varinas und Maracaybo, der Küſte entlang, beſonders aber
in die Gebirge im Inneren. Guayra, Mayquetia, Antimano,
Baruta, La Vega, San Felipe und Merida wurden faſt gänz-
lich zerſtört. In Guayra und in Villa de San Felipe bei
den Kupferminen von Aroa kamen wenigſtens 4000 bis 5000
Menſchen ums Leben. Auf einer Linie, die von Guayra und
Caracas von Oſt-Nord-Oſt nach Weſt-Süd-Weſt den hohen
Gebirgen von Niquitao und Merida zuläuft, ſcheint das Erd-
beben am ſtärkſten geweſen zu ſein. Man ſpürte es im König-
reich Neugranada von den Ausläufern der hohen Sierra de
Santa Marta bis Santa Fé de Bogota und Honda am
Magdalenenſtrom, 810 km von Caracas. Ueberall war es in
den Kordilleren aus Gneis und Glimmerſchiefer oder un-
mittelbar an ihrem Fuße ſtärker als in der Ebene. Dieſer
Unterſchied war beſonders auffallend in den Savannen von
Varinas und Caſanare. (In dem geologiſchen Syſtem, nach
dem alle vulkaniſchen und nicht vulkaniſchen Gebirge auf
Spalten emporgeſtiegen ſind, erklärt ſich dieſer Unterſchied
leicht.) In den Thälern von Aragua zwiſchen Caracas und
der Stadt San Felipe waren die Stöße ganz ſchwach. Vik-
toria, Maracay, Valencia, obgleich nahe bei der Hauptſtadt,
litten ſehr wenig. In Valecillo, einige Meilen von Valencia,
ſpie der geborſtene Boden ſolche Waſſermaſſen aus, daß ſich
ein neuer Bach bildete; dasſelbe ereignete ſich in Porto Ca-
bello. Dagegen nahm der See von Maracaybo merkwürdig
ab. In Coro fühlte man keine Erſchütterung, und doch liegt
die Stadt an der Küſte, zwiſchen Städten, die gelitten haben.“ —
Fiſcher, die den 26. März auf der Inſel Orchila, 135 km
öſtlich von Guayra, zugebracht hatten, ſpürten keine Stöße.
Dieſe Abweichungen in der Richtung und Fortpflanzung des
Stoßes rühren wahrſcheinlich von der eigentümlichen Lagerung
der Geſteinsſchichten her.

Wir haben im bisherigen die Wirkungen des Erdbebens
weſtlich von Caracas bis zu den Schneegebirgen von Santa
Marta und zu der Hochebene von Santa Fé de Bogota ver-
folgt. Wir wenden uns jetzt zum Landſtriche oſtwärts von der
Hauptſtadt. Jenſeits Caurimare, im Thale von Capaya,
waren die Erſchütterungen ſehr ſtark und reichten bis zum
Meridian vom Kap Codera; es iſt aber höchſt merkwürdig,
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[157/0165] kleinen Erdſtrich des Feſtlandes beſchränken. Ihre verheeren- den Wirkungen verbreiteten ſich über die Provinzen Venezuela, Varinas und Maracaybo, der Küſte entlang, beſonders aber in die Gebirge im Inneren. Guayra, Mayquetia, Antimano, Baruta, La Vega, San Felipe und Merida wurden faſt gänz- lich zerſtört. In Guayra und in Villa de San Felipe bei den Kupferminen von Aroa kamen wenigſtens 4000 bis 5000 Menſchen ums Leben. Auf einer Linie, die von Guayra und Caracas von Oſt-Nord-Oſt nach Weſt-Süd-Weſt den hohen Gebirgen von Niquitao und Merida zuläuft, ſcheint das Erd- beben am ſtärkſten geweſen zu ſein. Man ſpürte es im König- reich Neugranada von den Ausläufern der hohen Sierra de Santa Marta bis Santa Fé de Bogota und Honda am Magdalenenſtrom, 810 km von Caracas. Ueberall war es in den Kordilleren aus Gneis und Glimmerſchiefer oder un- mittelbar an ihrem Fuße ſtärker als in der Ebene. Dieſer Unterſchied war beſonders auffallend in den Savannen von Varinas und Caſanare. (In dem geologiſchen Syſtem, nach dem alle vulkaniſchen und nicht vulkaniſchen Gebirge auf Spalten emporgeſtiegen ſind, erklärt ſich dieſer Unterſchied leicht.) In den Thälern von Aragua zwiſchen Caracas und der Stadt San Felipe waren die Stöße ganz ſchwach. Vik- toria, Maracay, Valencia, obgleich nahe bei der Hauptſtadt, litten ſehr wenig. In Valecillo, einige Meilen von Valencia, ſpie der geborſtene Boden ſolche Waſſermaſſen aus, daß ſich ein neuer Bach bildete; dasſelbe ereignete ſich in Porto Ca- bello. Dagegen nahm der See von Maracaybo merkwürdig ab. In Coro fühlte man keine Erſchütterung, und doch liegt die Stadt an der Küſte, zwiſchen Städten, die gelitten haben.“ — Fiſcher, die den 26. März auf der Inſel Orchila, 135 km öſtlich von Guayra, zugebracht hatten, ſpürten keine Stöße. Dieſe Abweichungen in der Richtung und Fortpflanzung des Stoßes rühren wahrſcheinlich von der eigentümlichen Lagerung der Geſteinsſchichten her. Wir haben im bisherigen die Wirkungen des Erdbebens weſtlich von Caracas bis zu den Schneegebirgen von Santa Marta und zu der Hochebene von Santa Fé de Bogota ver- folgt. Wir wenden uns jetzt zum Landſtriche oſtwärts von der Hauptſtadt. Jenſeits Caurimare, im Thale von Capaya, waren die Erſchütterungen ſehr ſtark und reichten bis zum Meridian vom Kap Codera; es iſt aber höchſt merkwürdig, daß ſie an den Küſten von Nueva Barcelona, Cumana und

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/165>, abgerufen am 22.11.2024.