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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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unbedeutenden Hochebene liegt, sind die Tage im November
und Dezember noch um 5 bis 5,5° wärmer als die Nächte.
Diese Erscheinungen von nächtlicher Abkühlung mögen auf
den ersten Anblick überraschen; sie modifizieren sich durch die
Erwärmung der Hochebenen und Gebirge den Tag über, durch
das Spiel der niedergehenden Luftströme, besonders aber durch
die nächtliche Wärmestrahlung in der reinen, trockenen Luft
der Kordilleren.

In den drei Monaten April, Mai und Juni regnet es
in Caracas sehr viel. Die Gewitter kommen immer aus Ost
und Südost, von Petare und Valle her. In den tief ge-
legenen Landstrichen hagelt es nicht unter den Tropen; in
Caracas aber kommt es so ziemlich alle 4 bis 5 Jahre einmal
vor. Man hat sogar in noch tieferen Thälern hageln sehen,
und diese Erscheinung macht dann einen ungemeinen Eindruck
auf das Volk. Ein Meteorsteinfall ist bei uns nicht so selten
als im heißen Erdstrich, trotz der häufigen Gewitter, Hagel
unter 600 m Meereshöhe.

Im kühlen, köstlichen Klima, das wir eben geschildert,
gedeihen noch die tropischen Gewächse. Das Zuckerrohr wird
sogar in noch höheren Landstrichen als Caracas gebaut; man
pflanzt aber im Thale wegen der trockenen Lage und des
steinigen Bodens lieber den Kaffeebaum, der nicht viele, aber
ausgezeichnet gute Früchte gibt. In der Blütezeit des Strauches
gewährt die Ebene nach Chacao hin den lachendsten Anblick.
Der Bananenbaum in den Pflanzungen um die Stadt ist
nicht der große Platano harton, sondern die Varietäten
Camburi und Dominico, die weniger Wärme nötig haben.
Die großen Bananen auf dem Markte von Caracas kommen
aus den Hacienden von Turiamo an der Küste zwischen Bur-
burata und Porto Cabello. Die schmackhaftesten Ananas sind
die von Baruta, Empedrado und von den Höhen von Buena-
vista auf dem Wege nach Victoria. Kommt ein Reisender
zum erstenmal in das Thal von Caracas herauf, so ist er
angenehm überrascht, neben dem Kaffeebaum und Bananen-
baum unsere Küchenkräuter, Erdbeeren, Weinreben und fast
alle Obstbäume der gemäßigten Zone zu finden. Die ge-
suchtesten Pfirsiche und Aepfel kommen von Macarao, am
westlichen Ausgange des Thales. Der Quittenbaum, dessen
Stamm nur 1,3 bis 1,7 m hoch wird, ist dort so gemein, daß
er fast verwildert ist. Eingemachtes von Aepfeln und be-
sonders von Quitten ist sehr beliebt, da man hierzulande

unbedeutenden Hochebene liegt, ſind die Tage im November
und Dezember noch um 5 bis 5,5° wärmer als die Nächte.
Dieſe Erſcheinungen von nächtlicher Abkühlung mögen auf
den erſten Anblick überraſchen; ſie modifizieren ſich durch die
Erwärmung der Hochebenen und Gebirge den Tag über, durch
das Spiel der niedergehenden Luftſtröme, beſonders aber durch
die nächtliche Wärmeſtrahlung in der reinen, trockenen Luft
der Kordilleren.

In den drei Monaten April, Mai und Juni regnet es
in Caracas ſehr viel. Die Gewitter kommen immer aus Oſt
und Südoſt, von Petare und Valle her. In den tief ge-
legenen Landſtrichen hagelt es nicht unter den Tropen; in
Caracas aber kommt es ſo ziemlich alle 4 bis 5 Jahre einmal
vor. Man hat ſogar in noch tieferen Thälern hageln ſehen,
und dieſe Erſcheinung macht dann einen ungemeinen Eindruck
auf das Volk. Ein Meteorſteinfall iſt bei uns nicht ſo ſelten
als im heißen Erdſtrich, trotz der häufigen Gewitter, Hagel
unter 600 m Meereshöhe.

Im kühlen, köſtlichen Klima, das wir eben geſchildert,
gedeihen noch die tropiſchen Gewächſe. Das Zuckerrohr wird
ſogar in noch höheren Landſtrichen als Caracas gebaut; man
pflanzt aber im Thale wegen der trockenen Lage und des
ſteinigen Bodens lieber den Kaffeebaum, der nicht viele, aber
ausgezeichnet gute Früchte gibt. In der Blütezeit des Strauches
gewährt die Ebene nach Chacao hin den lachendſten Anblick.
Der Bananenbaum in den Pflanzungen um die Stadt iſt
nicht der große Platano harton, ſondern die Varietäten
Camburi und Dominico, die weniger Wärme nötig haben.
Die großen Bananen auf dem Markte von Caracas kommen
aus den Hacienden von Turiamo an der Küſte zwiſchen Bur-
burata und Porto Cabello. Die ſchmackhafteſten Ananas ſind
die von Baruta, Empedrado und von den Höhen von Buena-
viſta auf dem Wege nach Victoria. Kommt ein Reiſender
zum erſtenmal in das Thal von Caracas herauf, ſo iſt er
angenehm überraſcht, neben dem Kaffeebaum und Bananen-
baum unſere Küchenkräuter, Erdbeeren, Weinreben und faſt
alle Obſtbäume der gemäßigten Zone zu finden. Die ge-
ſuchteſten Pfirſiche und Aepfel kommen von Macarao, am
weſtlichen Ausgange des Thales. Der Quittenbaum, deſſen
Stamm nur 1,3 bis 1,7 m hoch wird, iſt dort ſo gemein, daß
er faſt verwildert iſt. Eingemachtes von Aepfeln und be-
ſonders von Quitten iſt ſehr beliebt, da man hierzulande

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[116/0124] unbedeutenden Hochebene liegt, ſind die Tage im November und Dezember noch um 5 bis 5,5° wärmer als die Nächte. Dieſe Erſcheinungen von nächtlicher Abkühlung mögen auf den erſten Anblick überraſchen; ſie modifizieren ſich durch die Erwärmung der Hochebenen und Gebirge den Tag über, durch das Spiel der niedergehenden Luftſtröme, beſonders aber durch die nächtliche Wärmeſtrahlung in der reinen, trockenen Luft der Kordilleren. In den drei Monaten April, Mai und Juni regnet es in Caracas ſehr viel. Die Gewitter kommen immer aus Oſt und Südoſt, von Petare und Valle her. In den tief ge- legenen Landſtrichen hagelt es nicht unter den Tropen; in Caracas aber kommt es ſo ziemlich alle 4 bis 5 Jahre einmal vor. Man hat ſogar in noch tieferen Thälern hageln ſehen, und dieſe Erſcheinung macht dann einen ungemeinen Eindruck auf das Volk. Ein Meteorſteinfall iſt bei uns nicht ſo ſelten als im heißen Erdſtrich, trotz der häufigen Gewitter, Hagel unter 600 m Meereshöhe. Im kühlen, köſtlichen Klima, das wir eben geſchildert, gedeihen noch die tropiſchen Gewächſe. Das Zuckerrohr wird ſogar in noch höheren Landſtrichen als Caracas gebaut; man pflanzt aber im Thale wegen der trockenen Lage und des ſteinigen Bodens lieber den Kaffeebaum, der nicht viele, aber ausgezeichnet gute Früchte gibt. In der Blütezeit des Strauches gewährt die Ebene nach Chacao hin den lachendſten Anblick. Der Bananenbaum in den Pflanzungen um die Stadt iſt nicht der große Platano harton, ſondern die Varietäten Camburi und Dominico, die weniger Wärme nötig haben. Die großen Bananen auf dem Markte von Caracas kommen aus den Hacienden von Turiamo an der Küſte zwiſchen Bur- burata und Porto Cabello. Die ſchmackhafteſten Ananas ſind die von Baruta, Empedrado und von den Höhen von Buena- viſta auf dem Wege nach Victoria. Kommt ein Reiſender zum erſtenmal in das Thal von Caracas herauf, ſo iſt er angenehm überraſcht, neben dem Kaffeebaum und Bananen- baum unſere Küchenkräuter, Erdbeeren, Weinreben und faſt alle Obſtbäume der gemäßigten Zone zu finden. Die ge- ſuchteſten Pfirſiche und Aepfel kommen von Macarao, am weſtlichen Ausgange des Thales. Der Quittenbaum, deſſen Stamm nur 1,3 bis 1,7 m hoch wird, iſt dort ſo gemein, daß er faſt verwildert iſt. Eingemachtes von Aepfeln und be- ſonders von Quitten iſt ſehr beliebt, da man hierzulande

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/124>, abgerufen am 22.11.2024.