Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.liegt das Zollhaus 76 m über dem Platze Trinidad, wo ich 1 In ganz Amerika glaubt man, das Wasser nehme die Eigen-
schaften der Gewächse an, in deren Schatten es fließt. So rühmt man an der Magelhaensschen Meerenge das Wasser, das mit den Wurzeln der Winterana Canella in Berührung kommt. liegt das Zollhaus 76 m über dem Platze Trinidad, wo ich 1 In ganz Amerika glaubt man, das Waſſer nehme die Eigen-
ſchaften der Gewächſe an, in deren Schatten es fließt. So rühmt man an der Magelhaensſchen Meerenge das Waſſer, das mit den Wurzeln der Winterana Canella in Berührung kommt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="109"/> liegt das Zollhaus 76 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Platze Trinidad, wo ich<lb/> meine aſtronomiſchen Beobachtungen gemacht habe, letzterer<lb/> 15,6 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Pflaſter vor der Hauptkirche auf dem großen<lb/> Platze, und dieſer 62 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Guayrefluſſe bei La Noria.<lb/> Trotz des abſchüſſigen Bodens fahren Wagen in der Stadt,<lb/> man bedient ſich ihrer aber ſelten. Drei Bäche, die vom<lb/> Gebirge herabkommen, der Anauco, Catuche und Caraguata,<lb/> laufen von Nord nach Süd durch die Stadt; ſie haben ſehr<lb/> hohe Ufer, und mit den ausgetrockneten Betten von Gebirgs-<lb/> waſſern, welche darin auslaufen und das Terrain durchſchnei-<lb/> den, erinnern ſie im kleinen an die berühmten <hi rendition="#g">Guaicos</hi> in<lb/> Quito. Man trinkt in Caracas das Waſſer des Rio Catuche,<lb/> aber die Wohlhabenden laſſen das Waſſer aus Valle, einem<lb/> 4,5 <hi rendition="#aq">km</hi> weit ſüdwärts gelegenen Dorfe, kommen. Dieſes<lb/> Waſſer, ſowie das aus dem Gamboa gelten für ſehr geſund,<lb/> weil ſie über Saſſaparillwurzeln <note place="foot" n="1">In ganz Amerika glaubt man, das Waſſer nehme die Eigen-<lb/> ſchaften der Gewächſe an, in deren Schatten es fließt. So rühmt<lb/> man an der Magelhaensſchen Meerenge das Waſſer, das mit den<lb/> Wurzeln der <hi rendition="#aq">Winterana Canella</hi> in Berührung kommt.</note> laufen. Ich habe keine<lb/> Spur von Arom oder Extraktivſtoff darin finden können; das<lb/> Waſſer von Valle enthält keinen Kalk, aber etwas mehr<lb/> Kohlenſäure als das Waſſer aus dem Anauco. Die neue<lb/> Brücke über den letzteren Fluß iſt ſchön gebaut und belebt<lb/> von den Spaziergängern, welche gegen Candelaria zu die<lb/> Straße von Chacao und Petara aufſuchen. Man zählt in<lb/> Caracas acht Kirchen, fünf Klöſter und ein Theater, das 1500<lb/> bis 1800 Zuſchauer faßt. Zu meiner Zeit war das Parterre,<lb/> in dem Männer und Frauen geſonderte Sitze haben, nicht<lb/> bedeckt. Man ſah zugleich die Schauſpieler und die Sterne.<lb/> Da das neblige Wetter mich um viele Trabantenbeobach-<lb/> tungen brachte, konnte ich von einer Loge im Theater aus<lb/> bemerken, ob Jupiter in der Nacht ſichtbar ſein werde. Die<lb/> Straßen von Caracas ſind breit, gerade gezogen und ſchneiden<lb/> ſich unter rechten Winkeln, wie in allen Städten, welche die<lb/> Spanier in Amerika gegründet. Die Häuſer ſind geräumig<lb/> und höher, als ſie in einem Lande, das Erdbeben ausgeſetzt<lb/> iſt, ſein ſollten. Im Jahre 1800 waren die zwei Plätze<lb/> Alta Gracia und San Francisco ſehr hübſch: ich ſage im<lb/> Jahre 1800, denn die furchtbaren Erderſchütterungen am<lb/> 26. März 1812 haben faſt die ganze Stadt zerſtört. Sie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0117]
liegt das Zollhaus 76 m über dem Platze Trinidad, wo ich
meine aſtronomiſchen Beobachtungen gemacht habe, letzterer
15,6 m über dem Pflaſter vor der Hauptkirche auf dem großen
Platze, und dieſer 62 m über dem Guayrefluſſe bei La Noria.
Trotz des abſchüſſigen Bodens fahren Wagen in der Stadt,
man bedient ſich ihrer aber ſelten. Drei Bäche, die vom
Gebirge herabkommen, der Anauco, Catuche und Caraguata,
laufen von Nord nach Süd durch die Stadt; ſie haben ſehr
hohe Ufer, und mit den ausgetrockneten Betten von Gebirgs-
waſſern, welche darin auslaufen und das Terrain durchſchnei-
den, erinnern ſie im kleinen an die berühmten Guaicos in
Quito. Man trinkt in Caracas das Waſſer des Rio Catuche,
aber die Wohlhabenden laſſen das Waſſer aus Valle, einem
4,5 km weit ſüdwärts gelegenen Dorfe, kommen. Dieſes
Waſſer, ſowie das aus dem Gamboa gelten für ſehr geſund,
weil ſie über Saſſaparillwurzeln 1 laufen. Ich habe keine
Spur von Arom oder Extraktivſtoff darin finden können; das
Waſſer von Valle enthält keinen Kalk, aber etwas mehr
Kohlenſäure als das Waſſer aus dem Anauco. Die neue
Brücke über den letzteren Fluß iſt ſchön gebaut und belebt
von den Spaziergängern, welche gegen Candelaria zu die
Straße von Chacao und Petara aufſuchen. Man zählt in
Caracas acht Kirchen, fünf Klöſter und ein Theater, das 1500
bis 1800 Zuſchauer faßt. Zu meiner Zeit war das Parterre,
in dem Männer und Frauen geſonderte Sitze haben, nicht
bedeckt. Man ſah zugleich die Schauſpieler und die Sterne.
Da das neblige Wetter mich um viele Trabantenbeobach-
tungen brachte, konnte ich von einer Loge im Theater aus
bemerken, ob Jupiter in der Nacht ſichtbar ſein werde. Die
Straßen von Caracas ſind breit, gerade gezogen und ſchneiden
ſich unter rechten Winkeln, wie in allen Städten, welche die
Spanier in Amerika gegründet. Die Häuſer ſind geräumig
und höher, als ſie in einem Lande, das Erdbeben ausgeſetzt
iſt, ſein ſollten. Im Jahre 1800 waren die zwei Plätze
Alta Gracia und San Francisco ſehr hübſch: ich ſage im
Jahre 1800, denn die furchtbaren Erderſchütterungen am
26. März 1812 haben faſt die ganze Stadt zerſtört. Sie
1 In ganz Amerika glaubt man, das Waſſer nehme die Eigen-
ſchaften der Gewächſe an, in deren Schatten es fließt. So rühmt
man an der Magelhaensſchen Meerenge das Waſſer, das mit den
Wurzeln der Winterana Canella in Berührung kommt.
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