Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.der in der Nacht vom 1. September 1730 so große Ver- Die Strömung trieb uns schneller gegen die Küste, als Am 17. morgens war der Horizont neblig und der 1 Diese Kamele, die zum Feldbau dienen und deren Fleisch
man im Lande zuweilen eingesalzen ißt, lebten hier nicht vor der Eroberung der Inseln durch die Bethencourts. Im 16. Jahrhundert hatten sich die Esel auf Fuerteventura dergestalt vermehrt, daß sie verwildert waren und man Jagd auf sie machen mußte. Man schoß ihrer mehrere tausend, damit die Ernten nicht zu Grunde gingen. Die Pferde auf Fuerteventura sind von berberischer Rasse und aus- gezeichnet schön. der in der Nacht vom 1. September 1730 ſo große Ver- Die Strömung trieb uns ſchneller gegen die Küſte, als Am 17. morgens war der Horizont neblig und der 1 Dieſe Kamele, die zum Feldbau dienen und deren Fleiſch
man im Lande zuweilen eingeſalzen ißt, lebten hier nicht vor der Eroberung der Inſeln durch die Béthencourts. Im 16. Jahrhundert hatten ſich die Eſel auf Fuerteventura dergeſtalt vermehrt, daß ſie verwildert waren und man Jagd auf ſie machen mußte. Man ſchoß ihrer mehrere tauſend, damit die Ernten nicht zu Grunde gingen. Die Pferde auf Fuerteventura ſind von berberiſcher Raſſe und aus- gezeichnet ſchön. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="40"/> der in der Nacht vom 1. September 1730 ſo große Ver-<lb/> heerungen angerichtet hat.</p><lb/> <p>Die Strömung trieb uns ſchneller gegen die Küſte, als<lb/> wir wünſchten. Im Hinfahren ſahen wir zuerſt die Inſel<lb/> Fuerteventura, bekannt durch die vielen Kamele, <note place="foot" n="1">Dieſe Kamele, die zum Feldbau dienen und deren Fleiſch<lb/> man im Lande zuweilen eingeſalzen ißt, lebten hier nicht vor der<lb/> Eroberung der Inſeln durch die B<hi rendition="#aq">é</hi>thencourts. Im 16. Jahrhundert<lb/> hatten ſich die Eſel auf Fuerteventura dergeſtalt vermehrt, daß ſie<lb/> verwildert waren und man Jagd auf ſie machen mußte. Man ſchoß<lb/> ihrer mehrere tauſend, damit die Ernten nicht zu Grunde gingen.<lb/> Die Pferde auf Fuerteventura ſind von berberiſcher Raſſe und aus-<lb/> gezeichnet ſchön.</note> die darauf<lb/> leben, und bald darauf die kleine Inſel Lobos im Kanal zwiſchen<lb/> Fuerteventura und Lanzarote. Wir brachten die Nacht zum<lb/> Teil auf dem Verdeck zu. Der Mond beſchien die vulkaniſchen<lb/> Gipfel von Lanzarote, deren mit Aſche bedeckte Abhänge wie<lb/> Silber ſchimmerten. Antares glänzte nahe der Mondſcheibe,<lb/> die nur wenige Grad über dem Horizont ſtand. Die Nacht<lb/> war wunderbar heiter und friſch. Obgleich wir nicht weit<lb/> von der afrikaniſchen Küſte und der Grenze der heißen Zone<lb/> waren, zeigte der hundertteilige Thermometer nicht mehr als<lb/> 18°. Es war, als ob das Leuchten des Meeres die in der<lb/> Luft verbreitete Lichtmaſſe vermehrte. Zum erſtenmal konnte<lb/> ich an einem zweizölligen Sextanten von Troughton mit ſehr<lb/> feiner Teilung den Nonius ableſen, ohne mit einer Kerze an<lb/> den Rand zu leuchten. Mehrere unſerer Reiſegefährten waren<lb/> Kanarier; gleich allen Einwohnern der Inſel prieſen ſie<lb/> enthuſiaſtiſch die Schönheit ihres Landes. Nach Mitternacht<lb/> zogen hinter dem Vulkan ſchwere Wolken auf und bedeckten<lb/> hin und wieder den Mond und das ſchöne Sternbild des<lb/> Skorpion. Wir ſahen am Ufer Feuer hin und her tragen.<lb/> Es waren wahrſcheinlich Fiſcher, die ſich zur Fahrt rüſteten.<lb/> Wir hatten auf der Reiſe fortwährend in den alten ſpaniſchen<lb/> Reiſebeſchreibungen geleſen, und dieſe ſich hin und her be-<lb/> wegenden Lichter erinnerten uns an die, welche Pedro Gutierez,<lb/> ein Page der Königin Iſabella, in der denkwürdigen Nacht,<lb/> da die Neue Welt entdeckt wurde, auf der Inſel Guanahani ſah.</p><lb/> <p>Am 17. morgens war der Horizont neblig und der<lb/> Himmel leicht umzogen. Deſto ſchärfer traten die Berge von<lb/> Lanzarote in ihren Umriſſen hervor. Die Feuchtigkeit erhöht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0056]
der in der Nacht vom 1. September 1730 ſo große Ver-
heerungen angerichtet hat.
Die Strömung trieb uns ſchneller gegen die Küſte, als
wir wünſchten. Im Hinfahren ſahen wir zuerſt die Inſel
Fuerteventura, bekannt durch die vielen Kamele, 1 die darauf
leben, und bald darauf die kleine Inſel Lobos im Kanal zwiſchen
Fuerteventura und Lanzarote. Wir brachten die Nacht zum
Teil auf dem Verdeck zu. Der Mond beſchien die vulkaniſchen
Gipfel von Lanzarote, deren mit Aſche bedeckte Abhänge wie
Silber ſchimmerten. Antares glänzte nahe der Mondſcheibe,
die nur wenige Grad über dem Horizont ſtand. Die Nacht
war wunderbar heiter und friſch. Obgleich wir nicht weit
von der afrikaniſchen Küſte und der Grenze der heißen Zone
waren, zeigte der hundertteilige Thermometer nicht mehr als
18°. Es war, als ob das Leuchten des Meeres die in der
Luft verbreitete Lichtmaſſe vermehrte. Zum erſtenmal konnte
ich an einem zweizölligen Sextanten von Troughton mit ſehr
feiner Teilung den Nonius ableſen, ohne mit einer Kerze an
den Rand zu leuchten. Mehrere unſerer Reiſegefährten waren
Kanarier; gleich allen Einwohnern der Inſel prieſen ſie
enthuſiaſtiſch die Schönheit ihres Landes. Nach Mitternacht
zogen hinter dem Vulkan ſchwere Wolken auf und bedeckten
hin und wieder den Mond und das ſchöne Sternbild des
Skorpion. Wir ſahen am Ufer Feuer hin und her tragen.
Es waren wahrſcheinlich Fiſcher, die ſich zur Fahrt rüſteten.
Wir hatten auf der Reiſe fortwährend in den alten ſpaniſchen
Reiſebeſchreibungen geleſen, und dieſe ſich hin und her be-
wegenden Lichter erinnerten uns an die, welche Pedro Gutierez,
ein Page der Königin Iſabella, in der denkwürdigen Nacht,
da die Neue Welt entdeckt wurde, auf der Inſel Guanahani ſah.
Am 17. morgens war der Horizont neblig und der
Himmel leicht umzogen. Deſto ſchärfer traten die Berge von
Lanzarote in ihren Umriſſen hervor. Die Feuchtigkeit erhöht
1 Dieſe Kamele, die zum Feldbau dienen und deren Fleiſch
man im Lande zuweilen eingeſalzen ißt, lebten hier nicht vor der
Eroberung der Inſeln durch die Béthencourts. Im 16. Jahrhundert
hatten ſich die Eſel auf Fuerteventura dergeſtalt vermehrt, daß ſie
verwildert waren und man Jagd auf ſie machen mußte. Man ſchoß
ihrer mehrere tauſend, damit die Ernten nicht zu Grunde gingen.
Die Pferde auf Fuerteventura ſind von berberiſcher Raſſe und aus-
gezeichnet ſchön.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/56>, abgerufen am 16.02.2025. |