des geübten Schiffers wohl hörbaren Geräusch hinströmt. Am 13. Juni, unter 34° 36' nördlicher Breite, befanden wir uns mitten unter einer Menge solcher Strombetten. Wir konnten die Richtung derselben mit dem Kompaß aufnehmen, die einen liefen nach Nordost, andere nach Ost-Nord-Ost, trotzdem, daß der allgemeine Zug der See, wie die Vergleichung der Schätzung mit der chronometrischen Länge angab, fortwährend nach Südost ging. Sehr häufig sieht man eine stehende Wasser- masse von Wasserfäden durchzogen, die nach verschiedenen Rich- tungen strömen; solches kann man täglich an der Oberfläche unserer Landseen beobachten, aber seltener bemerkt man solch partielle Bewegungen kleiner Wasserteile infolge lokaler Ur- sachen mitten in einem Meeresstrome, der sich über ungeheure Räume erstreckt und sich immer in derselben Richtung, wenn auch nicht mit bedeutender Geschwindigkeit fortbewegt. Die sich kreuzenden Strömungen beschäftigen unsere Einbildungs- kraft, wie der Wellenschlag, weil diese Bewegungen, die den Ozean in beständiger Unruhe erhalten, sich zu durchdringen scheinen.
Wir fuhren am Kap Vincent, das aus Basalt besteht, auf mehr als 360 km Entfernung vorüber. Auf 67,5 km erkennt man es nicht mehr deutlich, aber die Foya von Monchique, ein Granitberg in der Nähe des Kaps, soll, wie die Steuerleute behaupten, auf 117 km in See sichtbar sein. Verhält es sich wirklich so, so ist die Foya 1363 m hoch, also 225 m höher als der Vesuv. Es ist auffallend, daß die portugiesische Regierung kein Feuer auf einem Punkte unter- hält, nach dem sich alle vom Kap der guten Hoffnung und vom Kap Horn kommenden Schiffe richten müssen; nach keinem anderen Punkte wird mit so viel Ungeduld ausgeschaut, bis er in Sicht kommt. Die Feuer auf dem Turm des Herkules und am Kap Spichel sind so schwach und so wenig weit sicht- bar, daß man sie gar nicht rechnen kann. Dazu wäre das Kapuzinerkloster, das auf Kap Vincent steht, ganz der ge- eignete Platz zu einem Leuchtturm mit sich drehendem Feuer, wie zu Cadiz und an der Garonnemündung.
Seit unserer Abfahrt von Corunda und bis zum 36. Breiten- grad hatten wir außer Meerschwalben und einigen Delphinen fast kein lebendes Wesen gesehen. Umsonst sahen wir uns nach Tangen und Weichtieren um. Am 11. Juni aber hatten wir ein Schauspiel, das uns höchlich überraschte, das wir aber später in der Südsee häufig genossen. Wir gelangten in einen
des geübten Schiffers wohl hörbaren Geräuſch hinſtrömt. Am 13. Juni, unter 34° 36′ nördlicher Breite, befanden wir uns mitten unter einer Menge ſolcher Strombetten. Wir konnten die Richtung derſelben mit dem Kompaß aufnehmen, die einen liefen nach Nordoſt, andere nach Oſt-Nord-Oſt, trotzdem, daß der allgemeine Zug der See, wie die Vergleichung der Schätzung mit der chronometriſchen Länge angab, fortwährend nach Südoſt ging. Sehr häufig ſieht man eine ſtehende Waſſer- maſſe von Waſſerfäden durchzogen, die nach verſchiedenen Rich- tungen ſtrömen; ſolches kann man täglich an der Oberfläche unſerer Landſeen beobachten, aber ſeltener bemerkt man ſolch partielle Bewegungen kleiner Waſſerteile infolge lokaler Ur- ſachen mitten in einem Meeresſtrome, der ſich über ungeheure Räume erſtreckt und ſich immer in derſelben Richtung, wenn auch nicht mit bedeutender Geſchwindigkeit fortbewegt. Die ſich kreuzenden Strömungen beſchäftigen unſere Einbildungs- kraft, wie der Wellenſchlag, weil dieſe Bewegungen, die den Ozean in beſtändiger Unruhe erhalten, ſich zu durchdringen ſcheinen.
Wir fuhren am Kap Vincent, das aus Baſalt beſteht, auf mehr als 360 km Entfernung vorüber. Auf 67,5 km erkennt man es nicht mehr deutlich, aber die Foya von Monchique, ein Granitberg in der Nähe des Kaps, ſoll, wie die Steuerleute behaupten, auf 117 km in See ſichtbar ſein. Verhält es ſich wirklich ſo, ſo iſt die Foya 1363 m hoch, alſo 225 m höher als der Veſuv. Es iſt auffallend, daß die portugieſiſche Regierung kein Feuer auf einem Punkte unter- hält, nach dem ſich alle vom Kap der guten Hoffnung und vom Kap Horn kommenden Schiffe richten müſſen; nach keinem anderen Punkte wird mit ſo viel Ungeduld ausgeſchaut, bis er in Sicht kommt. Die Feuer auf dem Turm des Herkules und am Kap Spichel ſind ſo ſchwach und ſo wenig weit ſicht- bar, daß man ſie gar nicht rechnen kann. Dazu wäre das Kapuzinerkloſter, das auf Kap Vincent ſteht, ganz der ge- eignete Platz zu einem Leuchtturm mit ſich drehendem Feuer, wie zu Cadiz und an der Garonnemündung.
Seit unſerer Abfahrt von Coruña und bis zum 36. Breiten- grad hatten wir außer Meerſchwalben und einigen Delphinen faſt kein lebendes Weſen geſehen. Umſonſt ſahen wir uns nach Tangen und Weichtieren um. Am 11. Juni aber hatten wir ein Schauſpiel, das uns höchlich überraſchte, das wir aber ſpäter in der Südſee häufig genoſſen. Wir gelangten in einen
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[35/0051]
des geübten Schiffers wohl hörbaren Geräuſch hinſtrömt. Am
13. Juni, unter 34° 36′ nördlicher Breite, befanden wir uns
mitten unter einer Menge ſolcher Strombetten. Wir konnten
die Richtung derſelben mit dem Kompaß aufnehmen, die einen
liefen nach Nordoſt, andere nach Oſt-Nord-Oſt, trotzdem,
daß der allgemeine Zug der See, wie die Vergleichung der
Schätzung mit der chronometriſchen Länge angab, fortwährend
nach Südoſt ging. Sehr häufig ſieht man eine ſtehende Waſſer-
maſſe von Waſſerfäden durchzogen, die nach verſchiedenen Rich-
tungen ſtrömen; ſolches kann man täglich an der Oberfläche
unſerer Landſeen beobachten, aber ſeltener bemerkt man ſolch
partielle Bewegungen kleiner Waſſerteile infolge lokaler Ur-
ſachen mitten in einem Meeresſtrome, der ſich über ungeheure
Räume erſtreckt und ſich immer in derſelben Richtung, wenn
auch nicht mit bedeutender Geſchwindigkeit fortbewegt. Die
ſich kreuzenden Strömungen beſchäftigen unſere Einbildungs-
kraft, wie der Wellenſchlag, weil dieſe Bewegungen, die den
Ozean in beſtändiger Unruhe erhalten, ſich zu durchdringen
ſcheinen.
Wir fuhren am Kap Vincent, das aus Baſalt beſteht,
auf mehr als 360 km Entfernung vorüber. Auf 67,5 km
erkennt man es nicht mehr deutlich, aber die Foya von
Monchique, ein Granitberg in der Nähe des Kaps, ſoll, wie
die Steuerleute behaupten, auf 117 km in See ſichtbar ſein.
Verhält es ſich wirklich ſo, ſo iſt die Foya 1363 m hoch, alſo
225 m höher als der Veſuv. Es iſt auffallend, daß die
portugieſiſche Regierung kein Feuer auf einem Punkte unter-
hält, nach dem ſich alle vom Kap der guten Hoffnung und
vom Kap Horn kommenden Schiffe richten müſſen; nach keinem
anderen Punkte wird mit ſo viel Ungeduld ausgeſchaut, bis
er in Sicht kommt. Die Feuer auf dem Turm des Herkules
und am Kap Spichel ſind ſo ſchwach und ſo wenig weit ſicht-
bar, daß man ſie gar nicht rechnen kann. Dazu wäre das
Kapuzinerkloſter, das auf Kap Vincent ſteht, ganz der ge-
eignete Platz zu einem Leuchtturm mit ſich drehendem Feuer,
wie zu Cadiz und an der Garonnemündung.
Seit unſerer Abfahrt von Coruña und bis zum 36. Breiten-
grad hatten wir außer Meerſchwalben und einigen Delphinen
faſt kein lebendes Weſen geſehen. Umſonſt ſahen wir uns
nach Tangen und Weichtieren um. Am 11. Juni aber hatten
wir ein Schauſpiel, das uns höchlich überraſchte, das wir aber
ſpäter in der Südſee häufig genoſſen. Wir gelangten in einen
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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