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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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die Umdrehung der Erde ohne Einfluß auf die Richtung der
Strömungen bleibt.

Der verschiedene Druck, dem die Meeresfläche infolge der
wechselnden Schwere der Luft unterliegt, erscheint als eine
weitere Ursache der Bewegung, die besonders ins Auge zu
fassen ist. Es ist bekannt, daß die Schwankungen des Baro-
meters im allgemeinen nicht gleichzeitig an zwei auseinander
liegenden, im selben Niveau befindlichen Punkten eintreten.
Wenn am einen dieser Punkte der Barometer einige Linien
tiefer steht als am anderen, so wird sich dort das Wasser in-
folge des geringeren Luftdruckes erheben, und diese örtliche
Anschwellung wird andauern, bis durch den Wind das Gleich-
gewicht der Luft wiederhergestellt ist. Nach Vauchers Ansicht
rühren die Schwankungen im Spiegel des Genfer Sees, die
sogenannten "Seiches", eben davon her. In der heißen Zone
können die stündlichen Schwankungen des Barometers kleine
Schwingungen an der Meeresfläche hervorbringen, da der
Meridian von 4 Uhr, der dem Minimum des Luftdruckes ent-
spricht, zwischen den Meridianen von 21 und 11 Uhr liegt,
wo das Quecksilber am höchsten steht; aber diese Schwingungen,
wenn sie überhaupt merkbar sind, können keine Bewegung in
horizontaler Richtung zur Folge haben.

Ueberall wo eine solche durch die Ungleichheit im spezi-
fischen Gewicht der Wasserteile entsteht, bildet sich ein doppelter
Strom, ein oberer und ein unterer, die entgegengesetzte Rich-
tungen haben. Daher ist in den meisten Meerengen wie in
den tropischen Meeren, welche die kalten Gewässer der Polar-
regionen aufnehmen, die ganze Wassermasse bis zu bedeutender
Tiefe in Bewegung. Wir wissen nicht, ob es sich ebenso ver-
hält, wenn die Vorwärtsbewegung, die man nicht mit dem
Wellenschlage verwechseln darf, Folge eines äußeren Anstoßes
ist. De Fleurieu führt in seinem Bericht über die Expedition
der Isis mehrere Thatsachen an, die darauf hinweisen, daß
das Meer in der Tiefe weit weniger ruhig ist, als die Phy-
siker gewöhnlich annehmen. Ohne hier auf eine Untersuchung
einzugehen, mit der wir uns in der Folge zu beschäftigen
haben werden, bemerken wir nur, daß, wenn der äußere An-
stoß ein andauernder ist, wie bei den Passatwinden, durch die
gegenseitige Reibung der Wasserteilchen die Bewegung not-
wendig von der Meeresfläche sich auf die tieferen Wasser-
schichten fortpflanzen muß. Eine solche Fortpflanzung nehmen
auch die Seefahrer beim Golfstrom schon lange an; auf die

A. v. Humboldt, Reise. I. 3

die Umdrehung der Erde ohne Einfluß auf die Richtung der
Strömungen bleibt.

Der verſchiedene Druck, dem die Meeresfläche infolge der
wechſelnden Schwere der Luft unterliegt, erſcheint als eine
weitere Urſache der Bewegung, die beſonders ins Auge zu
faſſen iſt. Es iſt bekannt, daß die Schwankungen des Baro-
meters im allgemeinen nicht gleichzeitig an zwei auseinander
liegenden, im ſelben Niveau befindlichen Punkten eintreten.
Wenn am einen dieſer Punkte der Barometer einige Linien
tiefer ſteht als am anderen, ſo wird ſich dort das Waſſer in-
folge des geringeren Luftdruckes erheben, und dieſe örtliche
Anſchwellung wird andauern, bis durch den Wind das Gleich-
gewicht der Luft wiederhergeſtellt iſt. Nach Vauchers Anſicht
rühren die Schwankungen im Spiegel des Genfer Sees, die
ſogenannten „Seiches“, eben davon her. In der heißen Zone
können die ſtündlichen Schwankungen des Barometers kleine
Schwingungen an der Meeresfläche hervorbringen, da der
Meridian von 4 Uhr, der dem Minimum des Luftdruckes ent-
ſpricht, zwiſchen den Meridianen von 21 und 11 Uhr liegt,
wo das Queckſilber am höchſten ſteht; aber dieſe Schwingungen,
wenn ſie überhaupt merkbar ſind, können keine Bewegung in
horizontaler Richtung zur Folge haben.

Ueberall wo eine ſolche durch die Ungleichheit im ſpezi-
fiſchen Gewicht der Waſſerteile entſteht, bildet ſich ein doppelter
Strom, ein oberer und ein unterer, die entgegengeſetzte Rich-
tungen haben. Daher iſt in den meiſten Meerengen wie in
den tropiſchen Meeren, welche die kalten Gewäſſer der Polar-
regionen aufnehmen, die ganze Waſſermaſſe bis zu bedeutender
Tiefe in Bewegung. Wir wiſſen nicht, ob es ſich ebenſo ver-
hält, wenn die Vorwärtsbewegung, die man nicht mit dem
Wellenſchlage verwechſeln darf, Folge eines äußeren Anſtoßes
iſt. De Fleurieu führt in ſeinem Bericht über die Expedition
der Iſis mehrere Thatſachen an, die darauf hinweiſen, daß
das Meer in der Tiefe weit weniger ruhig iſt, als die Phy-
ſiker gewöhnlich annehmen. Ohne hier auf eine Unterſuchung
einzugehen, mit der wir uns in der Folge zu beſchäftigen
haben werden, bemerken wir nur, daß, wenn der äußere An-
ſtoß ein andauernder iſt, wie bei den Paſſatwinden, durch die
gegenſeitige Reibung der Waſſerteilchen die Bewegung not-
wendig von der Meeresfläche ſich auf die tieferen Waſſer-
ſchichten fortpflanzen muß. Eine ſolche Fortpflanzung nehmen
auch die Seefahrer beim Golfſtrom ſchon lange an; auf die

A. v. Humboldt, Reiſe. I. 3
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[33/0049] die Umdrehung der Erde ohne Einfluß auf die Richtung der Strömungen bleibt. Der verſchiedene Druck, dem die Meeresfläche infolge der wechſelnden Schwere der Luft unterliegt, erſcheint als eine weitere Urſache der Bewegung, die beſonders ins Auge zu faſſen iſt. Es iſt bekannt, daß die Schwankungen des Baro- meters im allgemeinen nicht gleichzeitig an zwei auseinander liegenden, im ſelben Niveau befindlichen Punkten eintreten. Wenn am einen dieſer Punkte der Barometer einige Linien tiefer ſteht als am anderen, ſo wird ſich dort das Waſſer in- folge des geringeren Luftdruckes erheben, und dieſe örtliche Anſchwellung wird andauern, bis durch den Wind das Gleich- gewicht der Luft wiederhergeſtellt iſt. Nach Vauchers Anſicht rühren die Schwankungen im Spiegel des Genfer Sees, die ſogenannten „Seiches“, eben davon her. In der heißen Zone können die ſtündlichen Schwankungen des Barometers kleine Schwingungen an der Meeresfläche hervorbringen, da der Meridian von 4 Uhr, der dem Minimum des Luftdruckes ent- ſpricht, zwiſchen den Meridianen von 21 und 11 Uhr liegt, wo das Queckſilber am höchſten ſteht; aber dieſe Schwingungen, wenn ſie überhaupt merkbar ſind, können keine Bewegung in horizontaler Richtung zur Folge haben. Ueberall wo eine ſolche durch die Ungleichheit im ſpezi- fiſchen Gewicht der Waſſerteile entſteht, bildet ſich ein doppelter Strom, ein oberer und ein unterer, die entgegengeſetzte Rich- tungen haben. Daher iſt in den meiſten Meerengen wie in den tropiſchen Meeren, welche die kalten Gewäſſer der Polar- regionen aufnehmen, die ganze Waſſermaſſe bis zu bedeutender Tiefe in Bewegung. Wir wiſſen nicht, ob es ſich ebenſo ver- hält, wenn die Vorwärtsbewegung, die man nicht mit dem Wellenſchlage verwechſeln darf, Folge eines äußeren Anſtoßes iſt. De Fleurieu führt in ſeinem Bericht über die Expedition der Iſis mehrere Thatſachen an, die darauf hinweiſen, daß das Meer in der Tiefe weit weniger ruhig iſt, als die Phy- ſiker gewöhnlich annehmen. Ohne hier auf eine Unterſuchung einzugehen, mit der wir uns in der Folge zu beſchäftigen haben werden, bemerken wir nur, daß, wenn der äußere An- ſtoß ein andauernder iſt, wie bei den Paſſatwinden, durch die gegenſeitige Reibung der Waſſerteilchen die Bewegung not- wendig von der Meeresfläche ſich auf die tieferen Waſſer- ſchichten fortpflanzen muß. Eine ſolche Fortpflanzung nehmen auch die Seefahrer beim Golfſtrom ſchon lange an; auf die A. v. Humboldt, Reiſe. I. 3

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/49>, abgerufen am 01.05.2024.