vorzüglichen Chronometern im Meerbusen von Mexiko und im nördlichen Ozean zwischen dem 30. und 54. Grad der Breite kreuzten, ganz eigens zum Zweck, um zu ermitteln, in welchem Abstande sich der Golfstrom in den verschiedenen Jahreszeiten und unter dem Einfluß der verschiedenen Winde südlich von der Mündung des Mississippi und ostwärts von den Vorgebirgen Hatteras und Codd hält. Dieselben könnten zu untersuchen haben, ob der große Strom von Florida be- ständig am östlichen Ende der Bank von Neufundland hin- streicht, und unter welchem Parallel zwischen dem 32. und 40. Grad westlicher Länge die Gewässer, die von Ost nach West strömen, denen, welche die umgekehrte Richtung haben, am nächsten gerückt sind. Die Lösung der letzteren Frage ist desto wichtiger, als die meisten Fahrzeuge, welche von den Antillen oder vom Kap der guten Hoffnung nach Europa zurückkehren, die bezeichneten Striche befahren. Neben der Richtung und Geschwindigkeit der Strömungen könnte sich eine solche Expedition mit Beobachtungen über die Meeres- temperatur, über die Linien ohne Abweichung, die Inklination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft beschäftigen. Beobachtungen dieser Art erhalten einen hohen Wert, wenn der Punkt, wo sie angestellt werden, astronomisch bestimmt ist. Auch in den von Europäern am stärksten be- suchten Meeren, weit von jeder Küste, kann ein unterrichteter Seemann der Wissenschaft wichtige Dienste leisten. Die Ent- deckung einer unbewohnten Inselgruppe ist von geringerem Interesse, als die Kenntnis der Gesetze, welche um eine Menge vereinzelter Thatsachen das einigende Band schlingen.
Denkt man den Ursachen der Strömungen nach, so er- kennt man, daß sie viel häufiger vorkommen müssen, als man gemeiniglich glaubt. Die Gewässer des Meeres können durch gar mancherlei in Bewegung gesetzt werden, durch einen äußeren Anstoß, durch Verschiedenheiten in Temperatur und Salzgehalt, durch das zeitweise Schmelzen des Polareises, end- lich durch das ungleiche Maß der Verdunstung unter ver- schiedenen Breiten. Bald wirken mehrere dieser Ursachen zum selben Effekt zusammen, bald bringen sie entgegengesetzte Effekte hervor. Schwache, aber beständig in einem ganzen Erdgürtel wehende Winde, wie die Passatwinde, bedingen eine Bewegung vorwärts, wie wir sie selbst bei den stärksten Stürmen nicht beobachten, weil diese auf ein kleines Gebiet beschränkt sind. Wenn in einer großen Wassermasse die Wasser-
vorzüglichen Chronometern im Meerbuſen von Mexiko und im nördlichen Ozean zwiſchen dem 30. und 54. Grad der Breite kreuzten, ganz eigens zum Zweck, um zu ermitteln, in welchem Abſtande ſich der Golfſtrom in den verſchiedenen Jahreszeiten und unter dem Einfluß der verſchiedenen Winde ſüdlich von der Mündung des Miſſiſſippi und oſtwärts von den Vorgebirgen Hatteras und Codd hält. Dieſelben könnten zu unterſuchen haben, ob der große Strom von Florida be- ſtändig am öſtlichen Ende der Bank von Neufundland hin- ſtreicht, und unter welchem Parallel zwiſchen dem 32. und 40. Grad weſtlicher Länge die Gewäſſer, die von Oſt nach Weſt ſtrömen, denen, welche die umgekehrte Richtung haben, am nächſten gerückt ſind. Die Löſung der letzteren Frage iſt deſto wichtiger, als die meiſten Fahrzeuge, welche von den Antillen oder vom Kap der guten Hoffnung nach Europa zurückkehren, die bezeichneten Striche befahren. Neben der Richtung und Geſchwindigkeit der Strömungen könnte ſich eine ſolche Expedition mit Beobachtungen über die Meeres- temperatur, über die Linien ohne Abweichung, die Inklination der Magnetnadel und die Intenſität der magnetiſchen Kraft beſchäftigen. Beobachtungen dieſer Art erhalten einen hohen Wert, wenn der Punkt, wo ſie angeſtellt werden, aſtronomiſch beſtimmt iſt. Auch in den von Europäern am ſtärkſten be- ſuchten Meeren, weit von jeder Küſte, kann ein unterrichteter Seemann der Wiſſenſchaft wichtige Dienſte leiſten. Die Ent- deckung einer unbewohnten Inſelgruppe iſt von geringerem Intereſſe, als die Kenntnis der Geſetze, welche um eine Menge vereinzelter Thatſachen das einigende Band ſchlingen.
Denkt man den Urſachen der Strömungen nach, ſo er- kennt man, daß ſie viel häufiger vorkommen müſſen, als man gemeiniglich glaubt. Die Gewäſſer des Meeres können durch gar mancherlei in Bewegung geſetzt werden, durch einen äußeren Anſtoß, durch Verſchiedenheiten in Temperatur und Salzgehalt, durch das zeitweiſe Schmelzen des Polareiſes, end- lich durch das ungleiche Maß der Verdunſtung unter ver- ſchiedenen Breiten. Bald wirken mehrere dieſer Urſachen zum ſelben Effekt zuſammen, bald bringen ſie entgegengeſetzte Effekte hervor. Schwache, aber beſtändig in einem ganzen Erdgürtel wehende Winde, wie die Paſſatwinde, bedingen eine Bewegung vorwärts, wie wir ſie ſelbſt bei den ſtärkſten Stürmen nicht beobachten, weil dieſe auf ein kleines Gebiet beſchränkt ſind. Wenn in einer großen Waſſermaſſe die Waſſer-
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[31/0047]
vorzüglichen Chronometern im Meerbuſen von Mexiko und
im nördlichen Ozean zwiſchen dem 30. und 54. Grad der
Breite kreuzten, ganz eigens zum Zweck, um zu ermitteln, in
welchem Abſtande ſich der Golfſtrom in den verſchiedenen
Jahreszeiten und unter dem Einfluß der verſchiedenen Winde
ſüdlich von der Mündung des Miſſiſſippi und oſtwärts von
den Vorgebirgen Hatteras und Codd hält. Dieſelben könnten
zu unterſuchen haben, ob der große Strom von Florida be-
ſtändig am öſtlichen Ende der Bank von Neufundland hin-
ſtreicht, und unter welchem Parallel zwiſchen dem 32. und
40. Grad weſtlicher Länge die Gewäſſer, die von Oſt nach
Weſt ſtrömen, denen, welche die umgekehrte Richtung haben,
am nächſten gerückt ſind. Die Löſung der letzteren Frage iſt
deſto wichtiger, als die meiſten Fahrzeuge, welche von den
Antillen oder vom Kap der guten Hoffnung nach Europa
zurückkehren, die bezeichneten Striche befahren. Neben der
Richtung und Geſchwindigkeit der Strömungen könnte ſich
eine ſolche Expedition mit Beobachtungen über die Meeres-
temperatur, über die Linien ohne Abweichung, die Inklination
der Magnetnadel und die Intenſität der magnetiſchen Kraft
beſchäftigen. Beobachtungen dieſer Art erhalten einen hohen
Wert, wenn der Punkt, wo ſie angeſtellt werden, aſtronomiſch
beſtimmt iſt. Auch in den von Europäern am ſtärkſten be-
ſuchten Meeren, weit von jeder Küſte, kann ein unterrichteter
Seemann der Wiſſenſchaft wichtige Dienſte leiſten. Die Ent-
deckung einer unbewohnten Inſelgruppe iſt von geringerem
Intereſſe, als die Kenntnis der Geſetze, welche um eine Menge
vereinzelter Thatſachen das einigende Band ſchlingen.
Denkt man den Urſachen der Strömungen nach, ſo er-
kennt man, daß ſie viel häufiger vorkommen müſſen, als man
gemeiniglich glaubt. Die Gewäſſer des Meeres können durch
gar mancherlei in Bewegung geſetzt werden, durch einen
äußeren Anſtoß, durch Verſchiedenheiten in Temperatur und
Salzgehalt, durch das zeitweiſe Schmelzen des Polareiſes, end-
lich durch das ungleiche Maß der Verdunſtung unter ver-
ſchiedenen Breiten. Bald wirken mehrere dieſer Urſachen zum
ſelben Effekt zuſammen, bald bringen ſie entgegengeſetzte
Effekte hervor. Schwache, aber beſtändig in einem ganzen
Erdgürtel wehende Winde, wie die Paſſatwinde, bedingen eine
Bewegung vorwärts, wie wir ſie ſelbſt bei den ſtärkſten
Stürmen nicht beobachten, weil dieſe auf ein kleines Gebiet
beſchränkt ſind. Wenn in einer großen Waſſermaſſe die Waſſer-
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/47>, abgerufen am 18.05.2022.
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