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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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dem Kokosnußbaum, die Eigenschaft, daß sie mit süßem oder
mit Salzwasser begossen werden können. Dieser Umstand be-
günstigt ihre Verpflanzung, und das Zuckerrohr von der Küste
gibt zwar einen etwas salzigen Saft, derselbe eignet sich aber,
wie man glaubt, besser zur Branntweindestillation als der
Saft aus dem Binnenlande.

Im übrigen Amerika wird der Kokosnußbaum meist nur
um die Höfe gepflanzt, und zwar um der eßbaren Frucht
willen; am Meerbusen von Cariaco dagegen sieht man eigent-
liche Pflanzungen davon. Man spricht in Cumana von einer
Hacienda de coco, wie von einer Hacienda de canna oder
cacao. Auf fruchtbarem, feuchtem Boden fängt der Kokos-
baum im vierten Jahre an reichlich Früchte zu tragen; auf
dürrem Lande dagegen erhält man vor dem zehnten Jahre
keine Ernte. Der Baum dauert nicht über 80 bis 100 Jahre
aus, und er ist dann im Durchschnitt 21 bis 26 m hoch.
Dieses rasche Wachstum ist desto auffallender, da andere
Palmen, z. B. der Moriche (Mauritia flexuosa) und die
Palma de Sombrero (Coripha tectorum), die sehr lange
leben, im sechzigsten Jahr oft erst 4,5 bis 5,8 m hoch sind.
In den ersten dreißig bis vierzig Jahren trägt am Meerbusen
von Cariaco ein Kokosbaum jeden Monat einen Büschel mit
10 bis 14 Früchten, von denen jedoch nicht alle reif werden.
Man kann im Durchschnitt jährlich auf den Baum 100 Nüsse
rechnen, die acht Flascos1 Oel geben. Der Flasco gilt zwei
einen halben Silberreal oder 32 Sous. In der Provence
gibt ein dreißigjähriger Oelbaum zwanzig Pfund oder sieben
Flascos Oel, also etwas weniger als der Kokosbaum. Es
gibt im Meerbusen von Cariaco Hacienden mit 8000 bis 9000
Kokosbäumen; ihr malerischer Anblick erinnert an die herr-
lichen Dattelpflanzungen bei Elche in Murcia, wo auf 20 qkm
über 70000 Palmstämme bei einander stehen. Der Kokosbaum
trägt nur bis zum dreißigsten bis vierzigsten Jahre reichlich,
dann nimmt der Ertrag ab und ein hundertjähriger Stamm
ist zwar nicht ganz unfruchtbar, bringt aber sehr wenig mehr
ein. In der Stadt Cumana wird sehr viel Kokosnußöl ge-
schlagen; es ist klar, geruchlos und ein gutes Brennmaterial.
Der Handel damit ist so lebhaft als auf der Westküste von
Afrika der Handel mit Palmöl, das von Elays guineensis
kommt. Dieses ist ein Speiseöl. In Cumana sah ich mehr

1 Der Flasco zu 70 bis 80 Pariser Kubikzoll.

dem Kokosnußbaum, die Eigenſchaft, daß ſie mit ſüßem oder
mit Salzwaſſer begoſſen werden können. Dieſer Umſtand be-
günſtigt ihre Verpflanzung, und das Zuckerrohr von der Küſte
gibt zwar einen etwas ſalzigen Saft, derſelbe eignet ſich aber,
wie man glaubt, beſſer zur Branntweindeſtillation als der
Saft aus dem Binnenlande.

Im übrigen Amerika wird der Kokosnußbaum meiſt nur
um die Höfe gepflanzt, und zwar um der eßbaren Frucht
willen; am Meerbuſen von Cariaco dagegen ſieht man eigent-
liche Pflanzungen davon. Man ſpricht in Cumana von einer
Hacienda de coco, wie von einer Hacienda de caña oder
cacao. Auf fruchtbarem, feuchtem Boden fängt der Kokos-
baum im vierten Jahre an reichlich Früchte zu tragen; auf
dürrem Lande dagegen erhält man vor dem zehnten Jahre
keine Ernte. Der Baum dauert nicht über 80 bis 100 Jahre
aus, und er iſt dann im Durchſchnitt 21 bis 26 m hoch.
Dieſes raſche Wachstum iſt deſto auffallender, da andere
Palmen, z. B. der Moriche (Mauritia flexuosa) und die
Palma de Sombrero (Coripha tectorum), die ſehr lange
leben, im ſechzigſten Jahr oft erſt 4,5 bis 5,8 m hoch ſind.
In den erſten dreißig bis vierzig Jahren trägt am Meerbuſen
von Cariaco ein Kokosbaum jeden Monat einen Büſchel mit
10 bis 14 Früchten, von denen jedoch nicht alle reif werden.
Man kann im Durchſchnitt jährlich auf den Baum 100 Nüſſe
rechnen, die acht Flascos1 Oel geben. Der Flasco gilt zwei
einen halben Silberreal oder 32 Sous. In der Provence
gibt ein dreißigjähriger Oelbaum zwanzig Pfund oder ſieben
Flascos Oel, alſo etwas weniger als der Kokosbaum. Es
gibt im Meerbuſen von Cariaco Hacienden mit 8000 bis 9000
Kokosbäumen; ihr maleriſcher Anblick erinnert an die herr-
lichen Dattelpflanzungen bei Elche in Murcia, wo auf 20 qkm
über 70000 Palmſtämme bei einander ſtehen. Der Kokosbaum
trägt nur bis zum dreißigſten bis vierzigſten Jahre reichlich,
dann nimmt der Ertrag ab und ein hundertjähriger Stamm
iſt zwar nicht ganz unfruchtbar, bringt aber ſehr wenig mehr
ein. In der Stadt Cumana wird ſehr viel Kokosnußöl ge-
ſchlagen; es iſt klar, geruchlos und ein gutes Brennmaterial.
Der Handel damit iſt ſo lebhaft als auf der Weſtküſte von
Afrika der Handel mit Palmöl, das von Elays guineensis
kommt. Dieſes iſt ein Speiſeöl. In Cumana ſah ich mehr

1 Der Flasco zu 70 bis 80 Pariſer Kubikzoll.
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[296/0312] dem Kokosnußbaum, die Eigenſchaft, daß ſie mit ſüßem oder mit Salzwaſſer begoſſen werden können. Dieſer Umſtand be- günſtigt ihre Verpflanzung, und das Zuckerrohr von der Küſte gibt zwar einen etwas ſalzigen Saft, derſelbe eignet ſich aber, wie man glaubt, beſſer zur Branntweindeſtillation als der Saft aus dem Binnenlande. Im übrigen Amerika wird der Kokosnußbaum meiſt nur um die Höfe gepflanzt, und zwar um der eßbaren Frucht willen; am Meerbuſen von Cariaco dagegen ſieht man eigent- liche Pflanzungen davon. Man ſpricht in Cumana von einer Hacienda de coco, wie von einer Hacienda de caña oder cacao. Auf fruchtbarem, feuchtem Boden fängt der Kokos- baum im vierten Jahre an reichlich Früchte zu tragen; auf dürrem Lande dagegen erhält man vor dem zehnten Jahre keine Ernte. Der Baum dauert nicht über 80 bis 100 Jahre aus, und er iſt dann im Durchſchnitt 21 bis 26 m hoch. Dieſes raſche Wachstum iſt deſto auffallender, da andere Palmen, z. B. der Moriche (Mauritia flexuosa) und die Palma de Sombrero (Coripha tectorum), die ſehr lange leben, im ſechzigſten Jahr oft erſt 4,5 bis 5,8 m hoch ſind. In den erſten dreißig bis vierzig Jahren trägt am Meerbuſen von Cariaco ein Kokosbaum jeden Monat einen Büſchel mit 10 bis 14 Früchten, von denen jedoch nicht alle reif werden. Man kann im Durchſchnitt jährlich auf den Baum 100 Nüſſe rechnen, die acht Flascos 1 Oel geben. Der Flasco gilt zwei einen halben Silberreal oder 32 Sous. In der Provence gibt ein dreißigjähriger Oelbaum zwanzig Pfund oder ſieben Flascos Oel, alſo etwas weniger als der Kokosbaum. Es gibt im Meerbuſen von Cariaco Hacienden mit 8000 bis 9000 Kokosbäumen; ihr maleriſcher Anblick erinnert an die herr- lichen Dattelpflanzungen bei Elche in Murcia, wo auf 20 qkm über 70000 Palmſtämme bei einander ſtehen. Der Kokosbaum trägt nur bis zum dreißigſten bis vierzigſten Jahre reichlich, dann nimmt der Ertrag ab und ein hundertjähriger Stamm iſt zwar nicht ganz unfruchtbar, bringt aber ſehr wenig mehr ein. In der Stadt Cumana wird ſehr viel Kokosnußöl ge- ſchlagen; es iſt klar, geruchlos und ein gutes Brennmaterial. Der Handel damit iſt ſo lebhaft als auf der Weſtküſte von Afrika der Handel mit Palmöl, das von Elays guineensis kommt. Dieſes iſt ein Speiſeöl. In Cumana ſah ich mehr 1 Der Flasco zu 70 bis 80 Pariſer Kubikzoll.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/312>, abgerufen am 27.04.2024.