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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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oder weniger Wärme strahlen, in einem auf irgend einem
chemischen Prozeß beruhenden Temperaturunterschied, oder end-
lich in einer starken elektrischen Ladung der Dunstbläschen.

In der Nähe der Stadt Orotava trafen wir große
Schwärme von Kanarienvögeln. 1 Diese in Europa so wohl-
bekannten Vögel waren ziemlich gleichförmig grün, einige auf
dem Rücken gelblich; ihr Schlag glich dem der zahmen Ka-
narienvögel, man bemerkt indessen, daß die, welche auf der
Insel Gran Canaria und auf dem kleinen Eiland Monte Clara
bei Lanzarote gefangen werden, einen stärkeren und zugleich
harmonischeren Schlag haben. In allen Himmelsstrichen hat
jeder Schwarm derselben Vogelart seine eigene Sprache. Die
gelben Kanarienvögel sind eine Spielart, die in Europa ent-
standen ist, und die, welche wir zu Orotava und Santa Cruz
de Tenerifa in Käfigen sahen, waren in Cadiz und anderen
spanischen Häfen gekauft. Aber der Vogel der Kanarischen
Inseln, der von allen den schönsten Gesang hat, ist in Europa
unbekannt, der Capirote, der so sehr die Freiheit liebt, daß
er sich niemals zähmen ließ. Ich bewunderte seinen weichen,
melodischen Schlag in einem Garten bei Orotava, konnte ihn
aber nicht nahe genug zu Gesicht bekommen, um zu bestimmen,
welcher Gattung er angehört. Was die Papageien betrifft,
die man beim Aufenthalt des Kapitän Cook auf Tenerifa
gesehen haben will, so existieren sie nur in Reiseberichten,
die einander abschreiben. Es gibt auf den Kanarien weder
Papageien noch Affen, und obgleich erstere in der Neuen Welt
bis Nordkarolina wandern, so glaube ich doch kaum, daß in der
Alten über dem 28. Grad nördlicher Breite welche vorkommen.

Wir kamen, als der Tag sich neigte, im Hafen von
Orotava an und erhielten daselbst die unerwartete Nachricht,
daß der Pizarro erst in der Nacht vom 24. zum 25. unter
Segel gehen werde. Hätten wir auf diesen Aufschub rechnen
können, so wären wir entweder länger auf dem Pik geblieben, 2

1 Fringilla Canaria. La Caille erzählt in seiner Reise-
beschreibung nach dem Kap, auf der Insel Salvage fänden sich diese
Vögel in so ungeheurer Menge, daß man in einer gewissen Jahres-
zeit nicht umhergehen könne, ohne Eier zu zertreten.
2 Da viele Reisende, welche bei Santa Cruz de Tenerifa an-
legen, die Besteigung des Piks unterlassen, weil sie nicht wissen,
wie viel Zeit man dazu braucht, so sind die folgenden Angaben
wohl nicht unwillkommen. Wenn man bis zum Haltpunkt der Eng-

oder weniger Wärme ſtrahlen, in einem auf irgend einem
chemiſchen Prozeß beruhenden Temperaturunterſchied, oder end-
lich in einer ſtarken elektriſchen Ladung der Dunſtbläschen.

In der Nähe der Stadt Orotava trafen wir große
Schwärme von Kanarienvögeln. 1 Dieſe in Europa ſo wohl-
bekannten Vögel waren ziemlich gleichförmig grün, einige auf
dem Rücken gelblich; ihr Schlag glich dem der zahmen Ka-
narienvögel, man bemerkt indeſſen, daß die, welche auf der
Inſel Gran Canaria und auf dem kleinen Eiland Monte Clara
bei Lanzarote gefangen werden, einen ſtärkeren und zugleich
harmoniſcheren Schlag haben. In allen Himmelsſtrichen hat
jeder Schwarm derſelben Vogelart ſeine eigene Sprache. Die
gelben Kanarienvögel ſind eine Spielart, die in Europa ent-
ſtanden iſt, und die, welche wir zu Orotava und Santa Cruz
de Tenerifa in Käfigen ſahen, waren in Cadiz und anderen
ſpaniſchen Häfen gekauft. Aber der Vogel der Kanariſchen
Inſeln, der von allen den ſchönſten Geſang hat, iſt in Europa
unbekannt, der Capirote, der ſo ſehr die Freiheit liebt, daß
er ſich niemals zähmen ließ. Ich bewunderte ſeinen weichen,
melodiſchen Schlag in einem Garten bei Orotava, konnte ihn
aber nicht nahe genug zu Geſicht bekommen, um zu beſtimmen,
welcher Gattung er angehört. Was die Papageien betrifft,
die man beim Aufenthalt des Kapitän Cook auf Tenerifa
geſehen haben will, ſo exiſtieren ſie nur in Reiſeberichten,
die einander abſchreiben. Es gibt auf den Kanarien weder
Papageien noch Affen, und obgleich erſtere in der Neuen Welt
bis Nordkarolina wandern, ſo glaube ich doch kaum, daß in der
Alten über dem 28. Grad nördlicher Breite welche vorkommen.

Wir kamen, als der Tag ſich neigte, im Hafen von
Orotava an und erhielten daſelbſt die unerwartete Nachricht,
daß der Pizarro erſt in der Nacht vom 24. zum 25. unter
Segel gehen werde. Hätten wir auf dieſen Aufſchub rechnen
können, ſo wären wir entweder länger auf dem Pik geblieben, 2

1 Fringilla Canaria. La Caille erzählt in ſeiner Reiſe-
beſchreibung nach dem Kap, auf der Inſel Salvage fänden ſich dieſe
Vögel in ſo ungeheurer Menge, daß man in einer gewiſſen Jahres-
zeit nicht umhergehen könne, ohne Eier zu zertreten.
2 Da viele Reiſende, welche bei Santa Cruz de Tenerifa an-
legen, die Beſteigung des Piks unterlaſſen, weil ſie nicht wiſſen,
wie viel Zeit man dazu braucht, ſo ſind die folgenden Angaben
wohl nicht unwillkommen. Wenn man bis zum Haltpunkt der Eng-
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[98/0114] oder weniger Wärme ſtrahlen, in einem auf irgend einem chemiſchen Prozeß beruhenden Temperaturunterſchied, oder end- lich in einer ſtarken elektriſchen Ladung der Dunſtbläschen. In der Nähe der Stadt Orotava trafen wir große Schwärme von Kanarienvögeln. 1 Dieſe in Europa ſo wohl- bekannten Vögel waren ziemlich gleichförmig grün, einige auf dem Rücken gelblich; ihr Schlag glich dem der zahmen Ka- narienvögel, man bemerkt indeſſen, daß die, welche auf der Inſel Gran Canaria und auf dem kleinen Eiland Monte Clara bei Lanzarote gefangen werden, einen ſtärkeren und zugleich harmoniſcheren Schlag haben. In allen Himmelsſtrichen hat jeder Schwarm derſelben Vogelart ſeine eigene Sprache. Die gelben Kanarienvögel ſind eine Spielart, die in Europa ent- ſtanden iſt, und die, welche wir zu Orotava und Santa Cruz de Tenerifa in Käfigen ſahen, waren in Cadiz und anderen ſpaniſchen Häfen gekauft. Aber der Vogel der Kanariſchen Inſeln, der von allen den ſchönſten Geſang hat, iſt in Europa unbekannt, der Capirote, der ſo ſehr die Freiheit liebt, daß er ſich niemals zähmen ließ. Ich bewunderte ſeinen weichen, melodiſchen Schlag in einem Garten bei Orotava, konnte ihn aber nicht nahe genug zu Geſicht bekommen, um zu beſtimmen, welcher Gattung er angehört. Was die Papageien betrifft, die man beim Aufenthalt des Kapitän Cook auf Tenerifa geſehen haben will, ſo exiſtieren ſie nur in Reiſeberichten, die einander abſchreiben. Es gibt auf den Kanarien weder Papageien noch Affen, und obgleich erſtere in der Neuen Welt bis Nordkarolina wandern, ſo glaube ich doch kaum, daß in der Alten über dem 28. Grad nördlicher Breite welche vorkommen. Wir kamen, als der Tag ſich neigte, im Hafen von Orotava an und erhielten daſelbſt die unerwartete Nachricht, daß der Pizarro erſt in der Nacht vom 24. zum 25. unter Segel gehen werde. Hätten wir auf dieſen Aufſchub rechnen können, ſo wären wir entweder länger auf dem Pik geblieben, 2 1 Fringilla Canaria. La Caille erzählt in ſeiner Reiſe- beſchreibung nach dem Kap, auf der Inſel Salvage fänden ſich dieſe Vögel in ſo ungeheurer Menge, daß man in einer gewiſſen Jahres- zeit nicht umhergehen könne, ohne Eier zu zertreten. 2 Da viele Reiſende, welche bei Santa Cruz de Tenerifa an- legen, die Beſteigung des Piks unterlaſſen, weil ſie nicht wiſſen, wie viel Zeit man dazu braucht, ſo ſind die folgenden Angaben wohl nicht unwillkommen. Wenn man bis zum Haltpunkt der Eng-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/114>, abgerufen am 24.11.2024.