Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil II. seit Justinian,
fe zu stehen, weil jener entfernt, und dieser
nahe war. Deswegen gab er sich die Mühe,
im Nahmen der ältesten Bischöfe von Rom
Decretalen zu schreiben, und darin diese Sät-
ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif-
lich, aber man sollte sich nicht wundern wie
das Publicum so lange sich täuschen ließ:
gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey-
lich den Centuriatoren nachsagen, das ganze
Werk sey untergeschoben, die es aber nicht
ins 9te Jahrhundert setzen lassen wollen,
weil ja der Betrüger in der Vorrede ganz deut-
lich selbst sagt, es sey schon im achten be-
kannt gewesen!

§. 180.

Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili-
tair, die sich nach und nach, bey den Eroberungen
Römischer Provinzen, zum Landeigenthum bil-
dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um so nö-
thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach,
und nicht durch eine einzele Verordnung Con-
rads
II., aufkam. Sie vermehrten sich ins Un-
endliche wegen der Afterlehen, und wegen der
durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das
Bedürfniß nach einem mächtigen Beschützer
nothwendig gemachten Anerkennung eines Le-
heusherrn über Güter, die man schon besaß. Ob
das Lehnssystem und die damit zusammenhän-
genden Privatkriege ein so großes Unglück wa-

ren,

Theil II. ſeit Juſtinian,
fe zu ſtehen, weil jener entfernt, und dieſer
nahe war. Deswegen gab er ſich die Muͤhe,
im Nahmen der aͤlteſten Biſchoͤfe von Rom
Decretalen zu ſchreiben, und darin dieſe Saͤt-
ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif-
lich, aber man ſollte ſich nicht wundern wie
das Publicum ſo lange ſich taͤuſchen ließ:
gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey-
lich den Centuriatoren nachſagen, das ganze
Werk ſey untergeſchoben, die es aber nicht
ins 9te Jahrhundert ſetzen laſſen wollen,
weil ja der Betruͤger in der Vorrede ganz deut-
lich ſelbſt ſagt, es ſey ſchon im achten be-
kannt geweſen!

§. 180.

Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili-
tair, die ſich nach und nach, bey den Eroberungen
Roͤmiſcher Provinzen, zum Landeigenthum bil-
dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um ſo noͤ-
thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach,
und nicht durch eine einzele Verordnung Con-
rads
II., aufkam. Sie vermehrten ſich ins Un-
endliche wegen der Afterlehen, und wegen der
durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das
Beduͤrfniß nach einem maͤchtigen Beſchuͤtzer
nothwendig gemachten Anerkennung eines Le-
heusherrn uͤber Guͤter, die man ſchon beſaß. Ob
das Lehnsſyſtem und die damit zuſammenhaͤn-
genden Privatkriege ein ſo großes Ungluͤck wa-

ren,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0228" n="216"/><fw place="top" type="header">Theil <hi rendition="#aq">II.</hi> &#x017F;eit Ju&#x017F;tinian,</fw><lb/>
fe zu &#x017F;tehen, weil jener entfernt, und die&#x017F;er<lb/>
nahe war. Deswegen gab er &#x017F;ich die Mu&#x0364;he,<lb/>
im Nahmen der a&#x0364;lte&#x017F;ten Bi&#x017F;cho&#x0364;fe von Rom<lb/>
Decretalen zu &#x017F;chreiben, und darin die&#x017F;e Sa&#x0364;t-<lb/>
ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif-<lb/>
lich, aber man &#x017F;ollte &#x017F;ich nicht wundern wie<lb/>
das Publicum &#x017F;o lange &#x017F;ich ta&#x0364;u&#x017F;chen ließ:<lb/>
gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey-<lb/>
lich den Centuriatoren nach&#x017F;agen, das ganze<lb/>
Werk &#x017F;ey unterge&#x017F;choben, die es aber nicht<lb/>
ins 9te Jahrhundert &#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en wollen,<lb/>
weil ja der Betru&#x0364;ger in der Vorrede ganz deut-<lb/>
lich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agt, es &#x017F;ey &#x017F;chon im achten be-<lb/>
kannt gewe&#x017F;en!</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 180.</head><lb/>
          <p>Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili-<lb/>
tair, die &#x017F;ich nach und nach, bey den Eroberungen<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;cher Provinzen, zum Landeigenthum bil-<lb/>
dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um &#x017F;o no&#x0364;-<lb/>
thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach,<lb/>
und nicht durch eine einzele Verordnung <hi rendition="#fr">Con-<lb/>
rads</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi>, aufkam. Sie vermehrten &#x017F;ich ins Un-<lb/>
endliche wegen der Afterlehen, und wegen der<lb/>
durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß nach einem ma&#x0364;chtigen Be&#x017F;chu&#x0364;tzer<lb/>
nothwendig gemachten Anerkennung eines Le-<lb/>
heusherrn u&#x0364;ber Gu&#x0364;ter, die man &#x017F;chon be&#x017F;aß. Ob<lb/>
das Lehns&#x017F;y&#x017F;tem und die damit zu&#x017F;ammenha&#x0364;n-<lb/>
genden Privatkriege ein &#x017F;o großes Unglu&#x0364;ck wa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0228] Theil II. ſeit Juſtinian, fe zu ſtehen, weil jener entfernt, und dieſer nahe war. Deswegen gab er ſich die Muͤhe, im Nahmen der aͤlteſten Biſchoͤfe von Rom Decretalen zu ſchreiben, und darin dieſe Saͤt- ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif- lich, aber man ſollte ſich nicht wundern wie das Publicum ſo lange ſich taͤuſchen ließ: gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey- lich den Centuriatoren nachſagen, das ganze Werk ſey untergeſchoben, die es aber nicht ins 9te Jahrhundert ſetzen laſſen wollen, weil ja der Betruͤger in der Vorrede ganz deut- lich ſelbſt ſagt, es ſey ſchon im achten be- kannt geweſen! §. 180. Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili- tair, die ſich nach und nach, bey den Eroberungen Roͤmiſcher Provinzen, zum Landeigenthum bil- dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um ſo noͤ- thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach, und nicht durch eine einzele Verordnung Con- rads II., aufkam. Sie vermehrten ſich ins Un- endliche wegen der Afterlehen, und wegen der durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das Beduͤrfniß nach einem maͤchtigen Beſchuͤtzer nothwendig gemachten Anerkennung eines Le- heusherrn uͤber Guͤter, die man ſchon beſaß. Ob das Lehnsſyſtem und die damit zuſammenhaͤn- genden Privatkriege ein ſo großes Ungluͤck wa- ren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/228
Zitationshilfe: Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/228>, abgerufen am 24.11.2024.