Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.Theil I. bis Justinian. mer die größte Stadt im Reiche war, solag diese nun doch in einer Provinz, und gar nicht in der wichtigsten, sondern in der, welche am meisten entvölkert, doch ihre Ein- wohner nicht nähren konnte. Der Senat in Constantinopel war folgsamer; fast alle seine Mitglieder nahmen die Religion an, welche ohne die Lehre vom passiven Gehorsam sich schwerlich so lange unter dem Drucke erhal- ten hätte, und welche Einbildungskraft ge- hörte nicht dazu, diese Versammlung für dieselbe zu halten, deren erste Bevollmächtig- ten die Antonine hatten seyn wollen, oder gar für dieselbe, welche ehemahls so manchen König gemacht oder gestürzt hatte! -- Con- stantin behielt die Eintheilung des Staats bey, welche Diocletian gemacht hatte, aber jeder der Theile stand nur unter einem prae- fectus praetorio, dem sogar das Commando der Truppen entzogen ward, um 30 künsti- ge Tyrannen unmöglich zu machen. Er er- nannte Patricier, als eine blos persönliche Würde, mit welcher zwar oft, aber nicht immer, auch ein Gouvernement verbunden war. Sein Hofstaat glich immer mehr der Pracht eines orientalischen Despoten: der Intendant des ersten Augusts war ein Frey- gelassener gewesen, jetzt ragte der quaestor palatii über die meisten Generale und Mini- ster
Theil I. bis Juſtinian. mer die groͤßte Stadt im Reiche war, ſolag dieſe nun doch in einer Provinz, und gar nicht in der wichtigſten, ſondern in der, welche am meiſten entvoͤlkert, doch ihre Ein- wohner nicht naͤhren konnte. Der Senat in Conſtantinopel war folgſamer; faſt alle ſeine Mitglieder nahmen die Religion an, welche ohne die Lehre vom paſſiven Gehorſam ſich ſchwerlich ſo lange unter dem Drucke erhal- ten haͤtte, und welche Einbildungskraft ge- hoͤrte nicht dazu, dieſe Verſammlung fuͤr dieſelbe zu halten, deren erſte Bevollmaͤchtig- ten die Antonine hatten ſeyn wollen, oder gar fuͤr dieſelbe, welche ehemahls ſo manchen Koͤnig gemacht oder geſtuͤrzt hatte! — Con- ſtantin behielt die Eintheilung des Staats bey, welche Diocletian gemacht hatte, aber jeder der Theile ſtand nur unter einem prae- fectus praetorio, dem ſogar das Commando der Truppen entzogen ward, um 30 kuͤnſti- ge Tyrannen unmoͤglich zu machen. Er er- nannte Patricier, als eine blos perſoͤnliche Wuͤrde, mit welcher zwar oft, aber nicht immer, auch ein Gouvernement verbunden war. Sein Hofſtaat glich immer mehr der Pracht eines orientaliſchen Deſpoten: der Intendant des erſten Auguſts war ein Frey- gelaſſener geweſen, jetzt ragte der quaeſtor palatii uͤber die meiſten Generale und Mini- ſter
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Theil I. bis Juſtinian.
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lag dieſe nun doch in einer Provinz, und
gar nicht in der wichtigſten, ſondern in der,
welche am meiſten entvoͤlkert, doch ihre Ein-
wohner nicht naͤhren konnte. Der Senat in
Conſtantinopel war folgſamer; faſt alle ſeine
Mitglieder nahmen die Religion an, welche
ohne die Lehre vom paſſiven Gehorſam ſich
ſchwerlich ſo lange unter dem Drucke erhal-
ten haͤtte, und welche Einbildungskraft ge-
hoͤrte nicht dazu, dieſe Verſammlung fuͤr
dieſelbe zu halten, deren erſte Bevollmaͤchtig-
ten die Antonine hatten ſeyn wollen, oder
gar fuͤr dieſelbe, welche ehemahls ſo manchen
Koͤnig gemacht oder geſtuͤrzt hatte! — Con-
ſtantin behielt die Eintheilung des Staats
bey, welche Diocletian gemacht hatte, aber
jeder der Theile ſtand nur unter einem prae-
fectus praetorio, dem ſogar das Commando
der Truppen entzogen ward, um 30 kuͤnſti-
ge Tyrannen unmoͤglich zu machen. Er er-
nannte Patricier, als eine blos perſoͤnliche
Wuͤrde, mit welcher zwar oft, aber nicht
immer, auch ein Gouvernement verbunden
war. Sein Hofſtaat glich immer mehr der
Pracht eines orientaliſchen Deſpoten: der
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