Christo Jesu, habet ihr vor ihnen Ehrfurcht? Wie redet ihr von ihnen - mit Hochachtung oder etwa verächtlich? Was erlauben sich oft größere oder kleinere Kinder gegen Dienstboten?
Oder willst du etwa sagen "meine Arbeiter sind schlecht und verdorben; ich kann ja vor ihnen keine Ehr- furcht haben." Ob du vielleicht daran auch Schuld bist? Was du mit solchen zu thun hast, wollen wir das nächste Mal sehen. Für heute nur so viel: Auch solch' verdor- benen Arbeiter schuldest du noch Ehrfurcht; denn sie waren einst vielgeliebte Kinder Gottes, können es wieder werden, sind heute noch Ebenbilder Gottes - und zu dieser Ehrfurcht schuldest du ihnen tiefgefühltes Mitleid.
"Aber," denkest du vielleicht, "warum redest du so lange von der Ehrfurcht, welche die Familie dem Arbeiter schuldet? Weißt du denn nicht, daß diese ohnehin schon stolz und kaum mehr zu leiten sind?" Daß die Arbeiter oft nicht sind, wie sie sein sollten, ist mir schon bekannt; daß aber viele Herrschaften und Familien auch nicht so unschuldig sind, wie sie vorgeben, ist eben nur zu oft auch traurige Wahrheit. Doch wollen wir indessen diesen Punkt übergehen und auf die Arbeiter kommen.
Bevor ich jene Ehrfurcht erkläre, welche ihr Arbeiter der Familie schuldet, muß ich noch Weniges vorausschicken. Ihr alle, die ihr das Brot in fremden Familien verdienet oder esset, vergesset niemals euere Würde, bewahret und mehret dieselbe durch ein gottseliges Leben. Denn sobald ihr durch Genußsucht, durch Aus- schweifungen, durch Trunksucht euch selbst verächtlich machet, werden wahrhaft christliche Familien euch zwar nicht ver- achten, aber in ihren Häusern und Geschäften nicht mehr dulden. Und dann ein zweites! Sollen die Arbeitgeber euch achten, so müsset ihr euch gegenseitig als Brüder und Schwestern in Christo Jesu, als Kinder und Erben Gottes
Christo Jesu, habet ihr vor ihnen Ehrfurcht? Wie redet ihr von ihnen – mit Hochachtung oder etwa verächtlich? Was erlauben sich oft größere oder kleinere Kinder gegen Dienstboten?
Oder willst du etwa sagen „meine Arbeiter sind schlecht und verdorben; ich kann ja vor ihnen keine Ehr- furcht haben.“ Ob du vielleicht daran auch Schuld bist? Was du mit solchen zu thun hast, wollen wir das nächste Mal sehen. Für heute nur so viel: Auch solch' verdor- benen Arbeiter schuldest du noch Ehrfurcht; denn sie waren einst vielgeliebte Kinder Gottes, können es wieder werden, sind heute noch Ebenbilder Gottes – und zu dieser Ehrfurcht schuldest du ihnen tiefgefühltes Mitleid.
„Aber,“ denkest du vielleicht, „warum redest du so lange von der Ehrfurcht, welche die Familie dem Arbeiter schuldet? Weißt du denn nicht, daß diese ohnehin schon stolz und kaum mehr zu leiten sind?“ Daß die Arbeiter oft nicht sind, wie sie sein sollten, ist mir schon bekannt; daß aber viele Herrschaften und Familien auch nicht so unschuldig sind, wie sie vorgeben, ist eben nur zu oft auch traurige Wahrheit. Doch wollen wir indessen diesen Punkt übergehen und auf die Arbeiter kommen.
Bevor ich jene Ehrfurcht erkläre, welche ihr Arbeiter der Familie schuldet, muß ich noch Weniges vorausschicken. Ihr alle, die ihr das Brot in fremden Familien verdienet oder esset, vergesset niemals euere Würde, bewahret und mehret dieselbe durch ein gottseliges Leben. Denn sobald ihr durch Genußsucht, durch Aus- schweifungen, durch Trunksucht euch selbst verächtlich machet, werden wahrhaft christliche Familien euch zwar nicht ver- achten, aber in ihren Häusern und Geschäften nicht mehr dulden. Und dann ein zweites! Sollen die Arbeitgeber euch achten, so müsset ihr euch gegenseitig als Brüder und Schwestern in Christo Jesu, als Kinder und Erben Gottes
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Christo Jesu, habet ihr vor ihnen Ehrfurcht? Wie redet
ihr von ihnen – mit Hochachtung oder etwa verächtlich?
Was erlauben sich oft größere oder kleinere Kinder gegen
Dienstboten?
Oder willst du etwa sagen „meine Arbeiter sind
schlecht und verdorben; ich kann ja vor ihnen keine Ehr-
furcht haben.“ Ob du vielleicht daran auch Schuld bist?
Was du mit solchen zu thun hast, wollen wir das nächste
Mal sehen. Für heute nur so viel: Auch solch' verdor-
benen Arbeiter schuldest du noch Ehrfurcht; denn sie
waren einst vielgeliebte Kinder Gottes, können es wieder
werden, sind heute noch Ebenbilder Gottes – und zu
dieser Ehrfurcht schuldest du ihnen tiefgefühltes Mitleid.
„Aber,“ denkest du vielleicht, „warum redest du so
lange von der Ehrfurcht, welche die Familie dem Arbeiter
schuldet? Weißt du denn nicht, daß diese ohnehin schon
stolz und kaum mehr zu leiten sind?“ Daß die Arbeiter
oft nicht sind, wie sie sein sollten, ist mir schon bekannt;
daß aber viele Herrschaften und Familien auch nicht so
unschuldig sind, wie sie vorgeben, ist eben nur zu oft auch
traurige Wahrheit. Doch wollen wir indessen diesen
Punkt übergehen und auf die Arbeiter kommen.
Bevor ich jene Ehrfurcht erkläre, welche ihr
Arbeiter der Familie schuldet, muß ich noch Weniges
vorausschicken. Ihr alle, die ihr das Brot in fremden
Familien verdienet oder esset, vergesset niemals euere
Würde, bewahret und mehret dieselbe durch ein gottseliges
Leben. Denn sobald ihr durch Genußsucht, durch Aus-
schweifungen, durch Trunksucht euch selbst verächtlich machet,
werden wahrhaft christliche Familien euch zwar nicht ver-
achten, aber in ihren Häusern und Geschäften nicht mehr
dulden. Und dann ein zweites! Sollen die Arbeitgeber
euch achten, so müsset ihr euch gegenseitig als Brüder und
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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