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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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so lasset die Liebe theilen, damit ihr vielleicht dem Leibe
nach getrennt, doch der Seele nach vereinigt bleibet. Wie
viele Greuel der Zwietracht, der Feindschaft, des Hasses,
der Ausschweifungen, der Schmach, der Schande blieben
der Familie ferne!

So arbeitet denn mit und für einander; freuet euch
mit einander im Schoße der Familie. Wenn aber Tage
kommen, die euch nicht gefallen, leidet auch mit einander
und bringet gegenseitig Opfer, denket an den ägyptischen
Joseph, der zur Zeit der Hungersnoth nicht bloß für den
Vater sorgte, der ihn zärtlich liebte, sondern auch für
seine Brüder, die ihn verkauft hatten. Denket an die
jugendliche Schwester des Moses. Als nach dem Befehle
Pharaos alle Knäblein der Juden in den Nil sollten ge-
worfen werden, verbarg Moses' Mutter den kleinen drei
Monate lang. Aber auf die Länge ging es nicht mehr.
Da legte sie das Knäblein in ein Binsenkörblein und
setzte es in das Geröhr am Ufer des Flusses. Seine
Schwester, eine blühende Tochter, war in der Nähe, den
Kleinen womöglich zu retten. Die vielen Wasser der
Verfolgung, der Angst, der Gefahr, konnten das Feuer
ihrer Liebe nicht auslöschen. Als dann Pharaos Tochter
vorbei kam, das Körblein bemerkte, dasselbe holen ließ
und darin ein weinendes Kind sah, sprach sie: "Das ist
eines von den Kindern der Hebräer."
Gleich stand bei
ihr die Schwester des Kleinen, muthig wie eine Löwin,
welche ihre Jungen in Gefahr sieht und sprach zur Königs-
tochter: "Soll ich ein hebräisches Weib holen, welches
den Kleinen aufnimmt und pflegt?"
Kaum hatte sie das
Jawort gehört, war sie schon zu ihrer Mutter geeilt
und Moses war durch die Liebe seiner Schwester wieder
an der Mutterbrust.

Schon ans dem Bisherigen ist klar, wie viel Böses
ihr verhindern, wie viel Gutes ihr befördern könnet,

so lasset die Liebe theilen, damit ihr vielleicht dem Leibe
nach getrennt, doch der Seele nach vereinigt bleibet. Wie
viele Greuel der Zwietracht, der Feindschaft, des Hasses,
der Ausschweifungen, der Schmach, der Schande blieben
der Familie ferne!

So arbeitet denn mit und für einander; freuet euch
mit einander im Schoße der Familie. Wenn aber Tage
kommen, die euch nicht gefallen, leidet auch mit einander
und bringet gegenseitig Opfer, denket an den ägyptischen
Joseph, der zur Zeit der Hungersnoth nicht bloß für den
Vater sorgte, der ihn zärtlich liebte, sondern auch für
seine Brüder, die ihn verkauft hatten. Denket an die
jugendliche Schwester des Moses. Als nach dem Befehle
Pharaos alle Knäblein der Juden in den Nil sollten ge-
worfen werden, verbarg Moses' Mutter den kleinen drei
Monate lang. Aber auf die Länge ging es nicht mehr.
Da legte sie das Knäblein in ein Binsenkörblein und
setzte es in das Geröhr am Ufer des Flusses. Seine
Schwester, eine blühende Tochter, war in der Nähe, den
Kleinen womöglich zu retten. Die vielen Wasser der
Verfolgung, der Angst, der Gefahr, konnten das Feuer
ihrer Liebe nicht auslöschen. Als dann Pharaos Tochter
vorbei kam, das Körblein bemerkte, dasselbe holen ließ
und darin ein weinendes Kind sah, sprach sie: „Das ist
eines von den Kindern der Hebräer.“
Gleich stand bei
ihr die Schwester des Kleinen, muthig wie eine Löwin,
welche ihre Jungen in Gefahr sieht und sprach zur Königs-
tochter: „Soll ich ein hebräisches Weib holen, welches
den Kleinen aufnimmt und pflegt?“
Kaum hatte sie das
Jawort gehört, war sie schon zu ihrer Mutter geeilt
und Moses war durch die Liebe seiner Schwester wieder
an der Mutterbrust.

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ihr verhindern, wie viel Gutes ihr befördern könnet,

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[317/0329] so lasset die Liebe theilen, damit ihr vielleicht dem Leibe nach getrennt, doch der Seele nach vereinigt bleibet. Wie viele Greuel der Zwietracht, der Feindschaft, des Hasses, der Ausschweifungen, der Schmach, der Schande blieben der Familie ferne! So arbeitet denn mit und für einander; freuet euch mit einander im Schoße der Familie. Wenn aber Tage kommen, die euch nicht gefallen, leidet auch mit einander und bringet gegenseitig Opfer, denket an den ägyptischen Joseph, der zur Zeit der Hungersnoth nicht bloß für den Vater sorgte, der ihn zärtlich liebte, sondern auch für seine Brüder, die ihn verkauft hatten. Denket an die jugendliche Schwester des Moses. Als nach dem Befehle Pharaos alle Knäblein der Juden in den Nil sollten ge- worfen werden, verbarg Moses' Mutter den kleinen drei Monate lang. Aber auf die Länge ging es nicht mehr. Da legte sie das Knäblein in ein Binsenkörblein und setzte es in das Geröhr am Ufer des Flusses. Seine Schwester, eine blühende Tochter, war in der Nähe, den Kleinen womöglich zu retten. Die vielen Wasser der Verfolgung, der Angst, der Gefahr, konnten das Feuer ihrer Liebe nicht auslöschen. Als dann Pharaos Tochter vorbei kam, das Körblein bemerkte, dasselbe holen ließ und darin ein weinendes Kind sah, sprach sie: „Das ist eines von den Kindern der Hebräer.“ Gleich stand bei ihr die Schwester des Kleinen, muthig wie eine Löwin, welche ihre Jungen in Gefahr sieht und sprach zur Königs- tochter: „Soll ich ein hebräisches Weib holen, welches den Kleinen aufnimmt und pflegt?“ Kaum hatte sie das Jawort gehört, war sie schon zu ihrer Mutter geeilt und Moses war durch die Liebe seiner Schwester wieder an der Mutterbrust. Schon ans dem Bisherigen ist klar, wie viel Böses ihr verhindern, wie viel Gutes ihr befördern könnet,

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/329>, abgerufen am 25.11.2024.