einzig richtige Art und Weise der Erziehung. Denn diese ist gerade so viel werth, als das Kind dabei thätig ist. Ihr gebet den Anstoß von Außen; die Entwicklung kommt von Innen heraus. Wenn ihr zum Beispiel den Verstand des Kindes zu früh mit schwierigen Sachen oder mit einem bunten Allerlei überladet, so erziehet ihr frühreife Stölzlinge, aber den Verstand entwickelt ihr nicht, sondern schlaget ihn gleichsam wie todt. Daher können dann solche Leute allerdings lesen, vielleicht noch etwas mehr oder weniger unsinniges oder oberflächliches Zeug reden oder schreiben, aber wirklich denken werden sie niemals und sollten sie hundert Jahre alt werden. Solcher Beispiele ist heute die Welt voll.*)
Das gleiche sage ich von der Erziehung des Willens. Es handelt sich da nicht um lange Predigten über Gehor- sam, Friedfertigkeit, Geduld, Schamhaftigkeit, sondern um die Uebung des Willens in diesen Tugenden. Ihr habet nämlich die Kinder anzuhalten, daß sie wirklich gehorsam, liebevoll, demüthig, schamhaft in allem und überall handeln und so durch wiederholte Handlungen zur guten Gewohn- heit gelangen.
Aber wofür habet ihr die Kinder derart zu entwickeln, zu erziehen? Für das zeitliche und ewige Vaterland.
Ja für das irdische Vaterland, damit einst vor ihren Fingern die Kassen, vor ihrem Auge die Unschuld, vor ihrer Zunge die Ehre, vor ihrem Spotte die Religion, vor ihrer Herrschsucht die Freiheit gesichert sei. Ja für das irdische Vaterland, damit die Zuchthäuser, die Besser- ungsanstalten, die Irrenhäuser immer leerer werden und jenes Glück, welches nach der Erbsünde in Christo Jesu noch möglich ist, uns erhalten bleibe.
Aber gerade deswegen habet ihr euere Kinder vor
*)
Moderne gemeinschädliche Ueberfütterung der Schule!
einzig richtige Art und Weise der Erziehung. Denn diese ist gerade so viel werth, als das Kind dabei thätig ist. Ihr gebet den Anstoß von Außen; die Entwicklung kommt von Innen heraus. Wenn ihr zum Beispiel den Verstand des Kindes zu früh mit schwierigen Sachen oder mit einem bunten Allerlei überladet, so erziehet ihr frühreife Stölzlinge, aber den Verstand entwickelt ihr nicht, sondern schlaget ihn gleichsam wie todt. Daher können dann solche Leute allerdings lesen, vielleicht noch etwas mehr oder weniger unsinniges oder oberflächliches Zeug reden oder schreiben, aber wirklich denken werden sie niemals und sollten sie hundert Jahre alt werden. Solcher Beispiele ist heute die Welt voll.*)
Das gleiche sage ich von der Erziehung des Willens. Es handelt sich da nicht um lange Predigten über Gehor- sam, Friedfertigkeit, Geduld, Schamhaftigkeit, sondern um die Uebung des Willens in diesen Tugenden. Ihr habet nämlich die Kinder anzuhalten, daß sie wirklich gehorsam, liebevoll, demüthig, schamhaft in allem und überall handeln und so durch wiederholte Handlungen zur guten Gewohn- heit gelangen.
Aber wofür habet ihr die Kinder derart zu entwickeln, zu erziehen? Für das zeitliche und ewige Vaterland.
Ja für das irdische Vaterland, damit einst vor ihren Fingern die Kassen, vor ihrem Auge die Unschuld, vor ihrer Zunge die Ehre, vor ihrem Spotte die Religion, vor ihrer Herrschsucht die Freiheit gesichert sei. Ja für das irdische Vaterland, damit die Zuchthäuser, die Besser- ungsanstalten, die Irrenhäuser immer leerer werden und jenes Glück, welches nach der Erbsünde in Christo Jesu noch möglich ist, uns erhalten bleibe.
Aber gerade deswegen habet ihr euere Kinder vor
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Moderne gemeinschädliche Ueberfütterung der Schule!
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einzig richtige Art und Weise der Erziehung. Denn diese
ist gerade so viel werth, als das Kind dabei thätig ist.
Ihr gebet den Anstoß von Außen; die Entwicklung kommt
von Innen heraus. Wenn ihr zum Beispiel den Verstand
des Kindes zu früh mit schwierigen Sachen oder mit
einem bunten Allerlei überladet, so erziehet ihr frühreife
Stölzlinge, aber den Verstand entwickelt ihr nicht, sondern
schlaget ihn gleichsam wie todt. Daher können dann solche
Leute allerdings lesen, vielleicht noch etwas mehr oder
weniger unsinniges oder oberflächliches Zeug reden oder
schreiben, aber wirklich denken werden sie niemals und
sollten sie hundert Jahre alt werden. Solcher Beispiele
ist heute die Welt voll. *)
Das gleiche sage ich von der Erziehung des Willens.
Es handelt sich da nicht um lange Predigten über Gehor-
sam, Friedfertigkeit, Geduld, Schamhaftigkeit, sondern um
die Uebung des Willens in diesen Tugenden. Ihr habet
nämlich die Kinder anzuhalten, daß sie wirklich gehorsam,
liebevoll, demüthig, schamhaft in allem und überall handeln
und so durch wiederholte Handlungen zur guten Gewohn-
heit gelangen.
Aber wofür habet ihr die Kinder derart zu entwickeln,
zu erziehen? Für das zeitliche und ewige Vaterland.
Ja für das irdische Vaterland, damit einst vor ihren
Fingern die Kassen, vor ihrem Auge die Unschuld, vor
ihrer Zunge die Ehre, vor ihrem Spotte die Religion, vor
ihrer Herrschsucht die Freiheit gesichert sei. Ja für das
irdische Vaterland, damit die Zuchthäuser, die Besser-
ungsanstalten, die Irrenhäuser immer leerer werden und
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noch möglich ist, uns erhalten bleibe.
Aber gerade deswegen habet ihr euere Kinder vor
*) Moderne gemeinschädliche Ueberfütterung der Schule!
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/182>, abgerufen am 24.11.2024.
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