Kirche nicht gut und weise mit uns, mit unsern Familien, mit unsern Nachkommen, wenn sie uns zwingen will, den Kreis unserer Freundschaft und Verwandtschaft immer weiter auszudehnen?
Wenn euch das nicht genügt, so betrachtet einmal die Ordnung der Sitten. Da nun sind verschiedene Punkte wohl zu beachten. Warum wird die Sünde der Unzucht mit nahen Verwandten als abscheulicher angesehen und von weltlichen Gesetzen auch schärfer bestraft? Wer hat dies gelehrt? Warum findet sich diese Anschauung und dies Gefühl allüberall? Die Natur selbst ruft überall wie mit lauter Stimme: "Das geht zu stark gegen meine Gesetze; das ist eine zu greuliche Verletzung jener Pietät und Ehrfurcht, welche ihr diesen Verwandten schuldet." Aber was hat denn das mit diesen Ehen zu thun? Der große Denker Augustinus hat es ausgesprochen (ibd): "Es liegt in der menschlichen Schamhaftigkeit ein natür- liches, lobenswerthes Gefühl, das sich der ehelichen Ver- bindung mit denen enthält, welchen es um der Verwandt- schaft willen eine gewisse Verehrung und Pietät schuldet." Ein natürliches Gefühl! Bemerket wohl diesen Ausdruck! Wir haben es von der Natur ererbt; die christliche Reli- gion hat es nur ausgebildet, nur empfindsamer und feiner gemacht. Selbst unchristliche Schriftsteller, wie Montes- quieu, geben ihm Ausdruck in den Worten: "Diese Gründe sind so mächtig und so natürlich, daß sie beinahe über die ganze Erde, unabhängig von jeder Mittheilung, sich geltend gemacht haben." (Esprit des lois XXVI, 24.)
Was ist also die katholische Kirche? Die Wächterin der Natur, die Beschützerin ihrer Rechte und ihrer zartesten Gefühle! Der Engel Gottes, der über die Sittlich- keit im Heiligthum der Familie Wache hält. Sehet einmal was in dieser Beziehung der hl.
Kirche nicht gut und weise mit uns, mit unsern Familien, mit unsern Nachkommen, wenn sie uns zwingen will, den Kreis unserer Freundschaft und Verwandtschaft immer weiter auszudehnen?
Wenn euch das nicht genügt, so betrachtet einmal die Ordnung der Sitten. Da nun sind verschiedene Punkte wohl zu beachten. Warum wird die Sünde der Unzucht mit nahen Verwandten als abscheulicher angesehen und von weltlichen Gesetzen auch schärfer bestraft? Wer hat dies gelehrt? Warum findet sich diese Anschauung und dies Gefühl allüberall? Die Natur selbst ruft überall wie mit lauter Stimme: „Das geht zu stark gegen meine Gesetze; das ist eine zu greuliche Verletzung jener Pietät und Ehrfurcht, welche ihr diesen Verwandten schuldet.“ Aber was hat denn das mit diesen Ehen zu thun? Der große Denker Augustinus hat es ausgesprochen (ibd): „Es liegt in der menschlichen Schamhaftigkeit ein natür- liches, lobenswerthes Gefühl, das sich der ehelichen Ver- bindung mit denen enthält, welchen es um der Verwandt- schaft willen eine gewisse Verehrung und Pietät schuldet.“ Ein natürliches Gefühl! Bemerket wohl diesen Ausdruck! Wir haben es von der Natur ererbt; die christliche Reli- gion hat es nur ausgebildet, nur empfindsamer und feiner gemacht. Selbst unchristliche Schriftsteller, wie Montes- quieu, geben ihm Ausdruck in den Worten: „Diese Gründe sind so mächtig und so natürlich, daß sie beinahe über die ganze Erde, unabhängig von jeder Mittheilung, sich geltend gemacht haben.“ (Esprit des lois XXVI, 24.)
Was ist also die katholische Kirche? Die Wächterin der Natur, die Beschützerin ihrer Rechte und ihrer zartesten Gefühle! Der Engel Gottes, der über die Sittlich- keit im Heiligthum der Familie Wache hält. Sehet einmal was in dieser Beziehung der hl.
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Kirche nicht gut und weise mit uns, mit unsern Familien,
mit unsern Nachkommen, wenn sie uns zwingen will, den
Kreis unserer Freundschaft und Verwandtschaft immer
weiter auszudehnen?
Wenn euch das nicht genügt, so betrachtet einmal die
Ordnung der Sitten. Da nun sind verschiedene Punkte
wohl zu beachten. Warum wird die Sünde der Unzucht
mit nahen Verwandten als abscheulicher angesehen und
von weltlichen Gesetzen auch schärfer bestraft? Wer hat
dies gelehrt? Warum findet sich diese Anschauung und
dies Gefühl allüberall? Die Natur selbst ruft überall
wie mit lauter Stimme: „Das geht zu stark gegen meine
Gesetze; das ist eine zu greuliche Verletzung jener Pietät
und Ehrfurcht, welche ihr diesen Verwandten schuldet.“
Aber was hat denn das mit diesen Ehen zu thun? Der
große Denker Augustinus hat es ausgesprochen (ibd):
„Es liegt in der menschlichen Schamhaftigkeit ein natür-
liches, lobenswerthes Gefühl, das sich der ehelichen Ver-
bindung mit denen enthält, welchen es um der Verwandt-
schaft willen eine gewisse Verehrung und Pietät schuldet.“
Ein natürliches Gefühl! Bemerket wohl diesen Ausdruck!
Wir haben es von der Natur ererbt; die christliche Reli-
gion hat es nur ausgebildet, nur empfindsamer und feiner
gemacht. Selbst unchristliche Schriftsteller, wie Montes-
quieu, geben ihm Ausdruck in den Worten: „Diese Gründe
sind so mächtig und so natürlich, daß sie beinahe über die
ganze Erde, unabhängig von jeder Mittheilung, sich geltend
gemacht haben.“ (Esprit des lois XXVI, 24.)
Was ist also die katholische Kirche?
Die Wächterin der Natur, die Beschützerin
ihrer Rechte und ihrer zartesten Gefühle!
Der Engel Gottes, der über die Sittlich-
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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