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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Menschengeschlechts unsicher und ungewiß macht, ist so viel gewiß, daß es
keinen auf vernünftigen Schlüssen beruhenden Grund gibt, um die Mög-
lichkeit, ja Wahrscheinlichkeit der Einheit und gemeinsamen Abstammung
der Menschen zu läugnen.
Im Gegentheil zeigt das Entstehen mannig-
faltiger Mittelbildungen zum Beispiel bei den Hausthieren, daß von einem
Urtypus verschiedenartige Abweichungen Statt finden können.

Man hat das Dasein von 5 Hauptracen angenommen, die hauptsächlich
verschieden sein sollen durch das Pigment der Haut, den Haaren nach
und durch die Abweichung des Winkels der Gesichtslinie. Die Namen, welche
man diesen Abtheilungen beilegt, sind ebenso falsch und tadelnswerth, als die
Abtheilung selbst. Den Caucasiern werden zum Beispiel die Inder zugezählt; nun
ist es aber bekannt, welchen Unterschied die Griechen schon zur Zeit der
Züge Alexanders unter den Indern bemerkt haben. Wenn sie einige
Völkerschaften derselben den Negern verglichen, so fanden sie andere
weniger gefärbt, mehr den Aegyptern ähnlich. - Den Mongolen wer-
den Kalmücken und Chineser zugezählt, letztere mit weniger ausge-
wirkten
Zügen. Man pflegt ihnen die Tartaren entgegenzusetzen.
Wir finden die Mongolen zuerst im 9ten saeculum südlich vom Baikal-See;
in den Annalen der Chineser heissen sie Tataren und das dem Namen
zugesetzte r scheint vielmehr eine spätere Verstümmlung. Das älte-
ste Document, in welchem man diesen Zusatz findet, ist ein Brief
Ludwigs des Heiligen an seine Mutter, indem jene Völker durch
Rußland nach Ungarn und selbst bis Schlesien vorgedrungen waren;
der König spricht darin den Wunsch und die Hoffnung aus, daß die
ganze Christenheit sich erheben mögte, um diese Horde in ihre tarta-
rios sedes
- Tartarusähnliche Wohnsitze zurückzutreiben. So mag diese
abweichende Benennung vielleicht nur einem bon mot den Ursprung
verdanken.

Mit diesen Völkerschaften vermischt finden wir früh ganz verschie-
denartige türkische Stämme, deren mehrere schon Dschingis-Chan in
seinem Heere vereinigt hatte. Die so von den Mongolen sehr ab-

Menschengeschlechts unsicher und ungewiß macht, ist so viel gewiß, daß es
keinen auf vernünftigen Schlüssen beruhenden Grund gibt, um die Mög-
lichkeit, ja Wahrscheinlichkeit der Einheit und gemeinsamen Abstam̃ung
der Menschen zu läugnen.
Im Gegentheil zeigt das Entstehen mannig-
faltiger Mittelbildungen zum Beispiel bei den Hausthieren, daß von einem
Urtypus verschiedenartige Abweichungen Statt finden köñen.

Man hat das Dasein von 5 Hauptracen angenom̃en, die hauptsächlich
verschieden sein sollen durch das Pigment der Haut, den Haaren nach
und durch die Abweichung des Winkels der Gesichtslinie. Die Namen, welche
man diesen Abtheilungen beilegt, sind ebenso falsch und tadelnswerth, als die
Abtheilung selbst. Den Caucasiern werden zum Beispiel die Inder zugezählt; nun
ist es aber bekannt, welchen Unterschied die Griechen schon zur Zeit der
Züge Alexanders unter den Indern bemerkt haben. Weñ sie einige
Völkerschaften derselben den Negern verglichen, so fanden sie andere
weniger gefärbt, mehr den Aegyptern ähnlich. – Den Mongolen wer-
den Kalmücken und Chineser zugezählt, letztere mit weniger ausge-
wirkten
Zügen. Man pflegt ihnen die Tartaren entgegenzusetzen.
Wir finden die Mongolen zuerst im 9ten saeculum südlich vom Baikal-See;
in den Annalen der Chineser heissen sie Tataren und das dem Namen
zugesetzte r scheint vielmehr eine spätere Verstüm̃lung. Das älte-
ste Document, in welchem man diesen Zusatz findet, ist ein Brief
Ludwigs des Heiligen an seine Mutter, indem jene Völker durch
Rußland nach Ungarn und selbst bis Schlesien vorgedrungen waren;
der König spricht darin den Wunsch und die Hoffnung aus, daß die
ganze Christenheit sich erheben mögte, um diese Horde in ihre tarta-
rios sedes
– Tartarusähnliche Wohnsitze zurückzutreiben. So mag diese
abweichende Benennung vielleicht nur einem bon mot den Ursprung
verdanken.

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denartige türkische Stäm̃e, deren mehrere schon Dschingis-Chan in
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[86/0090] Menschengeschlechts unsicher u ungewiß macht, ist so viel gewiß, daß es keinen auf vernünftigen Schlüssen beruhenden Grund gibt, um die Mög- lichkeit, ja Wahrscheinlichkeit der Einheit u gemeinsamen Abstam̃ung der Menschen zu läugnen. Im Gegentheil zeigt das Entstehen mannig- faltiger Mittelbildungen zB bei den Hausthieren, daß von einem Urtypus verschiedenartige Abweichungen Statt finden köñen. Man hat das Dasein von 5 Hauptracen angenom̃en, die hauptsächlich verschieden sein sollen durch das Pigment der Haut, den Haaren nach u durch die Abweichung des Winkels der Gesichtslinie. Die Namen, welche man diesen Abtheilungen beilegt, sind ebenso falsch u tadelnswerth, als die Abtheilung selbst. Den Caucasiern werden zB die Inder zugezählt; nun ist es aber bekannt, welchen Unterschied die Griechen schon zur Zeit der Züge Alexanders unter den Indern bemerkt haben. Weñ sie einige Völkerschaften derselben den Negern verglichen, so fanden sie andere weniger gefärbt, mehr den Aegyptern ähnlich. – Den Mongolen wer- den Kalmücken u Chineser zugezählt, letztere mit weniger ausge- wirkten Zügen. Man pflegt ihnen die Tartaren entgegenzusetzen. Wir finden die Mongolen zuerst im 9t saec. südlich vom Baikal See; in den Annalen der Chineser heissen sie Tataren u das dem Namen zugesetzte r scheint vielmehr eine spätere Verstüm̃lung. Das älte- ste Document, in welchem man diesen Zusatz findet, ist ein Brief Ludwigs des Heiligen an seine Mutter, indem jene Völker durch Rußland nach Ungarn u selbst bis Schlesien vorgedrungen waren; Der König spricht darin den Wunsch u die Hoffnung aus, daß die ganze Christenheit sich erheben mögte, um diese Horde in ihre tarta- rios sedes – Tartarusähnliche Wohnsitze zurückzutreiben. So mag diese abweichende Benennung vielleicht nur einem bon mot den Ursprung verdanken. Mit diesen Völkerschaften vermischt finden wir früh ganz verschie- denartige türkische Stäm̃e, deren mehrere schon Dschingis-Chan in seinem Heere vereinigt hatte. Die so von den Mongolen sehr ab-

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/90>, abgerufen am 23.11.2024.