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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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früher und häufiger Statt, und ich erinnere mich, daß unter meinen
Begleitern auf den Höhen der Andes fast ein jeder die bestimmte
Barometerhöhe kannte, unter der für ihn diese lästige Ergiessung
eintraf. Man gewöhnt sich jedoch an diese Erscheinung, die nicht so
bedenklicher Art ist, als man glauben möchte.

Auf dem Gipfel des Antisana, 1200 Fuß höher, als der Pic von Teneriffa,
weiden tausende von Stieren, auf die mit Hunden Jagd gemacht
zu werden pflegt. Sehr häufig ist, daß den geängstigten Thieren
ein Blutstrom aus dem Maule stürzt als Folge des Andrangs,
den die Muskelbewegung in der dünnen Luft so sehr vermehrt.

Eine andere Empfindung auf dieser Höhe hat Aehnlichkeit mit
den Gefühlen, welche das Meer hervorzubringen pflegt, und Ue-
belkeit, so wie Erbrechen mit sich führt. - Auf den Hochebnen von
Quito und Peru, wo selbst Frauen zu Pferde oft Reisen über
Höhen unternehmen, welche die des Montblanc weit übertreffen,
kennt man das Uebel unter dem Namen mal des montagnes,
wie man ein mal de mer hat. - Es ist aber keineswegs
Mangel an Lebensluft, wodurch diese Erscheinung hervorgebracht
wird, sondern allein Folge der Verdünnung der Luft, von der
bei jedem Einathmen eine geringere Menge den Lungen zuge-
führt wird. Auffallend ist aber die Art der Einwirkung auf
das gastrische System.

Da der Luftkreis überall in Verbindung mit Wasser und
wasserhaltigen Körpern ist, die Verdunstung aber bei keiner
Temperatur aufhört, so muß jederzeit in der Luft Wasserdunst

früher und häufiger Statt, und ich erinnere mich, daß unter meinen
Begleitern auf den Höhen der Andes fast ein jeder die bestimmte
Barometerhöhe kannte, unter der für ihn diese lästige Ergiessung
eintraf. Man gewöhnt sich jedoch an diese Erscheinung, die nicht so
bedenklicher Art ist, als man glauben möchte.

Auf dem Gipfel des Antisana, 1200 Fuß höher, als der Pic von Teneriffa,
weiden tausende von Stieren, auf die mit Hunden Jagd gemacht
zu werden pflegt. Sehr häufig ist, daß den geängstigten Thieren
ein Blutstrom aus dem Maule stürzt als Folge des Andrangs,
den die Muskelbewegung in der düñen Luft so sehr vermehrt.

Eine andere Empfindung auf dieser Höhe hat Aehnlichkeit mit
den Gefühlen, welche das Meer hervorzubringen pflegt, und Ue-
belkeit, so wie Erbrechen mit sich führt. – Auf den Hochebnen von
Quito und Peru, wo selbst Frauen zu Pferde oft Reisen über
Höhen unternehmen, welche die des Montblanc weit übertreffen,
kennt man das Uebel unter dem Namen mal des montagnes,
wie man ein mal de mer hat. – Es ist aber keineswegs
Mangel an Lebensluft, wodurch diese Erscheinung hervorgebracht
wird, sondern allein Folge der Verdünnung der Luft, von der
bei jedem Einathmen eine geringere Menge den Lungen zuge-
führt wird. Auffallend ist aber die Art der Einwirkung auf
das gastrische System.

Da der Luftkreis überall in Verbindung mit Wasser und
wasserhaltigen Körpern ist, die Verdunstung aber bei keiner
Temperatur aufhört, so muß jederzeit in der Luft Wasserdunst

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[50/0054] früher und häufiger Statt, und ich erinnere mich, daß unter meinen Begleitern auf den Höhen der Andes fast ein jeder die bestimmte Barometerhöhe kannte, unter der für ihn diese lästige Ergiessung eintraf. Man gewöhnt sich jedoch an diese Erscheinung, die nicht so bedenklicher Art ist, als man glauben möchte. Auf dem Gipfel des Antisana, 1200 Fuß höher, als der Pic von Teneriffa, weiden tausende von Stieren, auf die mit Hunden Jagd gemacht zu werden pflegt. Sehr häufig ist, daß den geängstigten Thieren ein Blutstrom aus dem Maule stürzt als Folge des Andrangs, den die Muskelbewegung in der düñen Luft so sehr vermehrt. Eine andere Empfindung auf dieser Höhe hat Aehnlichkeit mit den Gefühlen, welche das Meer hervorzubringen pflegt, und Ue- belkeit, so wie Erbrechen mit sich führt. – Auf den Hochebnen von Quito und Peru, wo selbst Frauen zu Pferde oft Reisen über Höhen unternehmen, welche die des Montblanc weit übertreffen, kennt man das Uebel unter dem Namen mal des montagnes, wie man ein mal de mer hat. – Es ist aber keineswegs Mangel an Lebensluft, wodurch diese Erscheinung hervorgebracht wird, sondern allein Folge der Verdünnung der Luft, von der bei jedem Einathmen eine geringere Menge den Lungen zuge- führt wird. Auffallend ist aber die Art der Einwirkung auf das gastrische System. Da der Luftkreis überall in Verbindung mit Wasser und wasserhaltigen Körpern ist, die Verdunstung aber bei keiner Temperatur aufhört, so muß jederzeit in der Luft Wasserdunst

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/54>, abgerufen am 05.05.2024.