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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Entwicklung religiöser Gefühle müßte dieser Zustand einwirkend ge-
wesen sein, da unstreitig nichts mehr geeignet ist, eine religiöse
Betrachtung hervorzurufen, als die Betrachtung des Gesetzmässigen
in der Bewegung der Himmelskörper. - Alle tellurischen Messungen
würden sich nur höchst unvollkommen und unbequem ausführen lassen,
da ein großer Theil sich auf die Vergleichung entsprechender Mes-
sungen am Himmel gründet. Es würden uns noch die Pendelversuche
übrigbleiben, um die Gestalt der Erde zu bestimmen, aber wie un-
gewiß, ob man ohne vorhergegangene allgemeine Kenntniß auf
diese Versuche gefallen wäre. - Die Schiffahrth würde ihrer sichersten Stütze
der Sternbeobachtung beraubt und die höhere Mathematik, insofern
sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkör-
per bezangewendet wird, würde ganz fehlen. - Wir sehen, daß die
Kenntniß der Gestirne nicht allein vom größten Einfluß auf die
Gefühle, sondern auch auf die Cultur des Menschengeschlechts
ist. -

Eine Annäherung an den Zustand, in dem die Existenz der Gestirne
uns verborgen bliebe, finden wir temporair auf der Erde, und zwar
nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropencli-
ma von Peru, wo ein nebelartiger Dunst, la garnna, den Himmel
Monate lang so verhüllt, daß man die Sonne nur als eine
rothe Scheibe aufgehen sieht, (wie in dem denkwürdigen Jahre
1783, als ein dichter Heerrauch uns so lange den Anblick des
Himmels entzog,) und die Stelle des Mondes oft gar nicht un-
terschieden werden kann. - Eben deshalb, weil die Peruaner
oft die Sonne, wie durch ein Blendglas, erblicken, waren sie
auch schon im 16ten saeculum bei der Entdeckung Amerikas mit den
Sonnenflecken bekannt, deren Acosta in seiner Reise erwähnt.

Entwicklung religiöser Gefühle müßte dieser Zustand einwirkend ge-
wesen sein, da unstreitig nichts mehr geeignet ist, eine religiöse
Betrachtung hervorzurufen, als die Betrachtung des Gesetzmässigen
in der Bewegung der Him̃elskörper. – Alle tellurischen Messungen
würden sich nur höchst unvollkom̃en und unbequem ausführen lassen,
da ein großer Theil sich auf die Vergleichung entsprechender Mes-
sungen am Him̃el gründet. Es würden uns noch die Pendelversuche
übrigbleiben, um die Gestalt der Erde zu bestim̃en, aber wie un-
gewiß, ob man ohne vorhergegangene allgemeine Keñtniß auf
diese Versuche gefallen wäre. – Die Schiffahrth würde ihrer sichersten Stütze
der Sternbeobachtung beraubt und die höhere Mathematik, insofern
sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkör-
per bezangewendet wird, würde ganz fehlen. – Wir sehen, daß die
Keñtniß der Gestirne nicht allein vom größten Einfluß auf die
Gefühle, sondern auch auf die Cultur des Menschengeschlechts
ist. –

Eine Annäherung an den Zustand, in dem die Existenz der Gestirne
uns verborgen bliebe, finden wir temporair auf der Erde, und zwar
nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropencli-
ma von Peru, wo ein nebelartiger Dunst, la garña, den Him̃el
Monate lang so verhüllt, daß man die Sonne nur als eine
rothe Scheibe aufgehen sieht, (wie in dem denkwürdigen Jahre
1783, als ein dichter Heerrauch uns so lange den Anblick des
Himmels entzog,) und die Stelle des Mondes oft gar nicht un-
terschieden werden kann. – Eben deshalb, weil die Peruaner
oft die Sonne, wie durch ein Blendglas, erblicken, waren sie
auch schon im 16ten saeculum bei der Entdeckung Amerikas mit den
Sonnenflecken bekannt, deren Acosta in seiner Reise erwähnt.

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[127/0131] Entwicklung religiöser Gefühle müßte dieser Zustand einwirkend ge- wesen sein, da unstreitig nichts mehr geeignet ist, eine religiöse Betrachtung hervorzurufen, als die Betrachtung des Gesetzmässigen in der Bewegung der Him̃elskörper. – Alle tellurischen Messungen würden sich nur höchst unvollkom̃en u unbequem ausführen lassen, da ein großer Theil sich auf die Vergleichung entsprechender Mes- sungen am Him̃el gründet. Es würden uns noch die Pendelversuche übrigbleiben, um die Gestalt der Erde zu bestim̃en, aber wie un- gewiß, ob man ohne vorhergegangene allgemeine Keñtniß auf diese Versuche gefallen wäre. – Die Schiffahrt würde ihrer sichersten Stütze der Sternbeobachtung beraubt und die höhere Mathematik, insofern sie auf die Berechnung der Bahnen jener entfernten Weltkör- per angewendet wird, würde ganz fehlen. – Wir sehen, daß die Keñtniß der Gestirne nicht allein vom größten Einfluß auf die Gefühle, sondern auch auf die Cultur des Menschengeschlechts ist. – Eine Annäherung an den Zustand, in dem die Existenz der Gestirne uns verborgen bliebe, finden wir temporair auf der Erde, u zwar nicht etwa unter den Polen, sondern in dem schönen Tropencli- ma von Peru, wo ein nebelartiger Dunst, la garña, den Him̃el Monate lang so verhüllt, daß man die Sonne nur als eine rothe Scheibe aufgehen sieht, /wie in dem denkwürdigen Jahre 1783, als ein dichter Heerrauch uns so lange den Anblick des Himmels entzog,/ und die Stelle des Mondes oft gar nicht un- terschieden werden kann. – Eben deshalb, weil die Peruaner oft die Sonne, wie durch ein Blendglas, erblicken, waren sie auch schon im 16t saec. bei der Entdeckung Amerikas mit den Sonnenflecken bekannt, deren Acosta in seiner Reise erwähnt.

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/131>, abgerufen am 27.11.2024.