endlich je mehr die Kur ohne Noth die Lebenskraft im Ganzen verschwendet, z. E. durch zu verschwenderische Ader- lässe, zu anhaltende Entziehung der Nahrung etc. -- desto mehr wird sie den Grund zum langen Leben schwä- chen, wenn sie auch gleich die gegen- wärtige Krankheit hebt. -- Drittens darf man ja nie vergessen, dass die Krankheit selbst nüzlich und nöthig seyn konnte zur Verlängerung des Lebens. Es giebt sehr viele Krankheiten, welche nichts anders sind, als ein Bestreben der Natur, das aufgehobne Gleichgewicht wieder herzustellen, oder fehlerhafte Materien auszuleeren, oder Stockungen zu zertheilen. Wenn da nun der Arzt (auf gut Brawnisch) weiter nichts thut, als blos die gegenwärtige Krankheits- äusserung dämpfen, ohne Rücksicht auf diese entferntern Ursachen und Folgen; so thut er weiter nichts, als er nimmt die thätige Gegenwirkung der Natur- kraft weg, wodurch sie die wahre Krankheit zu heben suchte, er dämpft
endlich je mehr die Kur ohne Noth die Lebenskraft im Ganzen verſchwendet, z. E. durch zu verſchwenderiſche Ader- läſſe, zu anhaltende Entziehung der Nahrung etc. — deſto mehr wird ſie den Grund zum langen Leben ſchwä- chen, wenn ſie auch gleich die gegen- wärtige Krankheit hebt. — Drittens darf man ja nie vergeſſen, daſs die Krankheit ſelbſt nüzlich und nöthig ſeyn konnte zur Verlängerung des Lebens. Es giebt ſehr viele Krankheiten, welche nichts anders ſind, als ein Beſtreben der Natur, das aufgehobne Gleichgewicht wieder herzuſtellen, oder fehlerhafte Materien auszuleeren, oder Stockungen zu zertheilen. Wenn da nun der Arzt (auf gut Brawniſch) weiter nichts thut, als blos die gegenwärtige Krankheits- äuſſerung dämpfen, ohne Rückſicht auf dieſe entferntern Urſachen und Folgen; ſo thut er weiter nichts, als er nimmt die thätige Gegenwirkung der Natur- kraft weg, wodurch ſie die wahre Krankheit zu heben ſuchte, er dämpft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0664"n="636"/>
endlich je mehr die Kur ohne Noth die<lb/>
Lebenskraft im Ganzen verſchwendet,<lb/>
z. E. durch zu verſchwenderiſche Ader-<lb/>
läſſe, zu anhaltende Entziehung der<lb/>
Nahrung etc. — deſto mehr wird ſie<lb/>
den Grund zum langen Leben ſchwä-<lb/>
chen, wenn ſie auch gleich die gegen-<lb/>
wärtige Krankheit hebt. —<hirendition="#i">Drittens</hi><lb/>
darf man ja nie vergeſſen, daſs die<lb/>
Krankheit ſelbſt nüzlich und nöthig ſeyn<lb/>
konnte zur Verlängerung des Lebens.<lb/>
Es giebt ſehr viele Krankheiten, welche<lb/>
nichts anders ſind, als ein Beſtreben der<lb/>
Natur, das aufgehobne Gleichgewicht<lb/>
wieder herzuſtellen, oder fehlerhafte<lb/>
Materien auszuleeren, oder Stockungen<lb/>
zu zertheilen. Wenn da nun der Arzt<lb/>
(auf gut <hirendition="#i">Brawniſch</hi>) weiter nichts thut,<lb/>
als blos die gegenwärtige Krankheits-<lb/>
äuſſerung dämpfen, ohne Rückſicht auf<lb/>
dieſe entferntern Urſachen und Folgen;<lb/>ſo thut er weiter nichts, als er nimmt<lb/>
die thätige Gegenwirkung der Natur-<lb/>
kraft weg, wodurch ſie die wahre<lb/>
Krankheit zu heben ſuchte, er dämpft<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[636/0664]
endlich je mehr die Kur ohne Noth die
Lebenskraft im Ganzen verſchwendet,
z. E. durch zu verſchwenderiſche Ader-
läſſe, zu anhaltende Entziehung der
Nahrung etc. — deſto mehr wird ſie
den Grund zum langen Leben ſchwä-
chen, wenn ſie auch gleich die gegen-
wärtige Krankheit hebt. — Drittens
darf man ja nie vergeſſen, daſs die
Krankheit ſelbſt nüzlich und nöthig ſeyn
konnte zur Verlängerung des Lebens.
Es giebt ſehr viele Krankheiten, welche
nichts anders ſind, als ein Beſtreben der
Natur, das aufgehobne Gleichgewicht
wieder herzuſtellen, oder fehlerhafte
Materien auszuleeren, oder Stockungen
zu zertheilen. Wenn da nun der Arzt
(auf gut Brawniſch) weiter nichts thut,
als blos die gegenwärtige Krankheits-
äuſſerung dämpfen, ohne Rückſicht auf
dieſe entferntern Urſachen und Folgen;
ſo thut er weiter nichts, als er nimmt
die thätige Gegenwirkung der Natur-
kraft weg, wodurch ſie die wahre
Krankheit zu heben ſuchte, er dämpft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/664>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.