Sinnesreizung selbst sehr darauf gesehen werden, dass sie ein gewisses Maas nicht übersteige, denn die nehmlichen Ge- nüsse, die, im mäsigen Grade angewen- det, restauriren, können, stärker ge- braucht, auch consumiren und erschö- pfen.
Alle angenehme Reize, die durch Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl auf uns wirken können, ge- hören hieher, und also die Freuden der Musik, Mahlerey, und andrer bilden- den Künste, auch der Dichtkunst und der Phantasie, indem sie diese Genüsse erhöhen und wieder erneuern kann. Vor allen aber scheint mir in gegenwär- tiger Rücksicht die Musik den Vorzug zu verdienen, denn durch keinen Sin- neseindruck kann so schnell und so un- mittelbar auf Stimmung, Ermunterung und Regulirung der Lebensoperation ge- wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr- lich nimmt unser ganzes Wesen den Ton und Tact an, den die Musik angiebt, der Puls wird lebhafter oder ruhiger, die
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Sinnesreizung ſelbſt ſehr darauf geſehen werden, daſs ſie ein gewiſſes Maas nicht überſteige, denn die nehmlichen Ge- nüſſe, die, im mäſigen Grade angewen- det, reſtauriren, können, ſtärker ge- braucht, auch conſumiren und erſchö- pfen.
Alle angenehme Reize, die durch Geſicht, Gehör, Geruch, Geſchmack und Gefühl auf uns wirken können, ge- hören hieher, und alſo die Freuden der Muſik, Mahlerey, und andrer bilden- den Künſte, auch der Dichtkunſt und der Phantaſie, indem ſie dieſe Genüſſe erhöhen und wieder erneuern kann. Vor allen aber ſcheint mir in gegenwär- tiger Rückſicht die Muſik den Vorzug zu verdienen, denn durch keinen Sin- neseindruck kann ſo ſchnell und ſo un- mittelbar auf Stimmung, Ermunterung und Regulirung der Lebensoperation ge- wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr- lich nimmt unſer ganzes Weſen den Ton und Tact an, den die Muſik angiebt, der Puls wird lebhafter oder ruhiger, die
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Sinnesreizung ſelbſt ſehr darauf geſehen
werden, daſs ſie ein gewiſſes Maas nicht
überſteige, denn die nehmlichen Ge-
nüſſe, die, im mäſigen Grade angewen-
det, reſtauriren, können, ſtärker ge-
braucht, auch conſumiren und erſchö-
pfen.
Alle angenehme Reize, die durch
Geſicht, Gehör, Geruch, Geſchmack
und Gefühl auf uns wirken können, ge-
hören hieher, und alſo die Freuden der
Muſik, Mahlerey, und andrer bilden-
den Künſte, auch der Dichtkunſt und
der Phantaſie, indem ſie dieſe Genüſſe
erhöhen und wieder erneuern kann.
Vor allen aber ſcheint mir in gegenwär-
tiger Rückſicht die Muſik den Vorzug
zu verdienen, denn durch keinen Sin-
neseindruck kann ſo ſchnell und ſo un-
mittelbar auf Stimmung, Ermunterung
und Regulirung der Lebensoperation ge-
wirkt werden, als dadurch. Unwillkühr-
lich nimmt unſer ganzes Weſen den Ton
und Tact an, den die Muſik angiebt, der
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/655>, abgerufen am 22.11.2024.
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