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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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Karacters, ist lächerlich geworden, und
als eine altmodische Pedanterey ver-
schrieen, und das, was die lezte füsseste
Belohnung überstandener Arbeiten, Müh-
seeligkeiten und Gefahren seyn sollte, ist
eine Blume worden, die jeder Knabe
am Wege pflückt. Warum legte die
Natur dieses Sehnen zur Vereinigung,
diesen allmächtigen unwiderstehlichen
Trieb der Liebe in unsre Brust? Wahr-
lich nicht, um Romanen zu spielen und
in dichterischen Exstasen herumzu-
schwärmen, sondern um dadurch ein
festes unzertrennliches Band zweyer
Herzen zu knüpfen, den Grund einer
glücklichen Generation zu legen, und
durch diess Zauberband unsre Existenz
mit der ersten und heiligsten aller Pflich-
ten zu verbinden. -- Wie gut wäre es,
wenn wir hierinne der alten Sitte uns
wieder näherten, und die Früchte nicht
eher brechen wollten, als bis wir gesäet
hätten!

Man hört jezt sehr viel von Kraft
und Kraftmenschen sprechen. Ich glaube

Karacters, iſt lächerlich geworden, und
als eine altmodiſche Pedanterey ver-
ſchrieen, und das, was die lezte füſſeſte
Belohnung überſtandener Arbeiten, Müh-
ſeeligkeiten und Gefahren ſeyn ſollte, iſt
eine Blume worden, die jeder Knabe
am Wege pflückt. Warum legte die
Natur dieſes Sehnen zur Vereinigung,
dieſen allmächtigen unwiderſtehlichen
Trieb der Liebe in unſre Bruſt? Wahr-
lich nicht, um Romanen zu ſpielen und
in dichteriſchen Exſtaſen herumzu-
ſchwärmen, ſondern um dadurch ein
feſtes unzertrennliches Band zweyer
Herzen zu knüpfen, den Grund einer
glücklichen Generation zu legen, und
durch dieſs Zauberband unſre Exiſtenz
mit der erſten und heiligſten aller Pflich-
ten zu verbinden. — Wie gut wäre es,
wenn wir hierinne der alten Sitte uns
wieder näherten, und die Früchte nicht
eher brechen wollten, als bis wir gesäet
hätten!

Man hört jezt ſehr viel von Kraft
und Kraftmenſchen ſprechen. Ich glaube

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[519/0547] Karacters, iſt lächerlich geworden, und als eine altmodiſche Pedanterey ver- ſchrieen, und das, was die lezte füſſeſte Belohnung überſtandener Arbeiten, Müh- ſeeligkeiten und Gefahren ſeyn ſollte, iſt eine Blume worden, die jeder Knabe am Wege pflückt. Warum legte die Natur dieſes Sehnen zur Vereinigung, dieſen allmächtigen unwiderſtehlichen Trieb der Liebe in unſre Bruſt? Wahr- lich nicht, um Romanen zu ſpielen und in dichteriſchen Exſtaſen herumzu- ſchwärmen, ſondern um dadurch ein feſtes unzertrennliches Band zweyer Herzen zu knüpfen, den Grund einer glücklichen Generation zu legen, und durch dieſs Zauberband unſre Exiſtenz mit der erſten und heiligſten aller Pflich- ten zu verbinden. — Wie gut wäre es, wenn wir hierinne der alten Sitte uns wieder näherten, und die Früchte nicht eher brechen wollten, als bis wir gesäet hätten! Man hört jezt ſehr viel von Kraft und Kraftmenſchen ſprechen. Ich glaube

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/547>, abgerufen am 22.11.2024.