Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ment kann Längeweile allein endlich
zum Selbstmorde führen. Ein trockner
Schriftsteller hatte ein sehr weitläufiges
Werk vom Selbstmord geschrieben. Er
begegnete einst einem andern Engländer,
der alle Zeichen des grössten Tiefsinns
an sich trug. Wo wollen Sie hin, mein
Freund? sagte der Autor. -- Nach der
Themse, um mich zu ersäufen. -- O,
so bitte ich Sie, erwiderte der Autor,
gehen Sie nur noch diessmal wieder
nach Hause und lesen Sie erst mein Werk
über den Selbstmord. -- Gott soll mich
bewahren, antwortete jener, eben das
Durchlesen dieses verwünscht langwei-
ligen Buchs hat mir einen so entsezli-
chen Verdruss erweckt, dass ich nun fest
entschlossen bin, mich zu ersäufen.

Aber, was in aller Welt ist das Mittel
gegen die lange Weile, höre ich fragen;
sie begleitet uns auf den Ball, ins Schau-
spielhaus, an den Theetisch, auf die
Promenade, genug, nirgends mehr
kann man sich vor ihr retten? -- Sehr

ment kann Längeweile allein endlich
zum Selbſtmorde führen. Ein trockner
Schriftſteller hatte ein ſehr weitläufiges
Werk vom Selbſtmord geſchrieben. Er
begegnete einſt einem andern Engländer,
der alle Zeichen des gröſsten Tiefſinns
an ſich trug. Wo wollen Sie hin, mein
Freund? ſagte der Autor. — Nach der
Themſe, um mich zu erſäufen. — O,
ſo bitte ich Sie, erwiderte der Autor,
gehen Sie nur noch dieſsmal wieder
nach Hauſe und leſen Sie erſt mein Werk
über den Selbſtmord. — Gott ſoll mich
bewahren, antwortete jener, eben das
Durchleſen dieſes verwünſcht langwei-
ligen Buchs hat mir einen ſo entſezli-
chen Verdruſs erweckt, daſs ich nun feſt
entſchloſſen bin, mich zu erſäufen.

Aber, was in aller Welt iſt das Mittel
gegen die lange Weile, höre ich fragen;
ſie begleitet uns auf den Ball, ins Schau-
ſpielhaus, an den Theetiſch, auf die
Promenade, genug, nirgends mehr
kann man ſich vor ihr retten? — Sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0433" n="405"/>
ment kann Längeweile allein endlich<lb/>
zum Selb&#x017F;tmorde führen. Ein trockner<lb/>
Schrift&#x017F;teller hatte ein &#x017F;ehr weitläufiges<lb/>
Werk vom Selb&#x017F;tmord ge&#x017F;chrieben. Er<lb/>
begegnete ein&#x017F;t einem andern Engländer,<lb/>
der alle Zeichen des grö&#x017F;sten Tief&#x017F;inns<lb/>
an &#x017F;ich trug. Wo wollen Sie hin, mein<lb/>
Freund? &#x017F;agte der Autor. &#x2014; Nach der<lb/>
Them&#x017F;e, um mich zu er&#x017F;äufen. &#x2014; O,<lb/>
&#x017F;o bitte ich Sie, erwiderte der Autor,<lb/>
gehen Sie nur noch die&#x017F;smal wieder<lb/>
nach Hau&#x017F;e und le&#x017F;en Sie er&#x017F;t mein Werk<lb/>
über den Selb&#x017F;tmord. &#x2014; Gott &#x017F;oll mich<lb/>
bewahren, antwortete jener, eben das<lb/>
Durchle&#x017F;en die&#x017F;es verwün&#x017F;cht langwei-<lb/>
ligen Buchs hat mir einen &#x017F;o ent&#x017F;ezli-<lb/>
chen Verdru&#x017F;s erweckt, da&#x017F;s ich nun fe&#x017F;t<lb/>
ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bin, mich zu er&#x017F;äufen.</p><lb/>
            <p>Aber, was in aller Welt i&#x017F;t das Mittel<lb/>
gegen die lange Weile, höre ich fragen;<lb/>
&#x017F;ie begleitet uns auf den Ball, ins Schau-<lb/>
&#x017F;pielhaus, an den Theeti&#x017F;ch, auf die<lb/>
Promenade, genug, nirgends mehr<lb/>
kann man &#x017F;ich vor ihr retten? &#x2014; Sehr<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0433] ment kann Längeweile allein endlich zum Selbſtmorde führen. Ein trockner Schriftſteller hatte ein ſehr weitläufiges Werk vom Selbſtmord geſchrieben. Er begegnete einſt einem andern Engländer, der alle Zeichen des gröſsten Tiefſinns an ſich trug. Wo wollen Sie hin, mein Freund? ſagte der Autor. — Nach der Themſe, um mich zu erſäufen. — O, ſo bitte ich Sie, erwiderte der Autor, gehen Sie nur noch dieſsmal wieder nach Hauſe und leſen Sie erſt mein Werk über den Selbſtmord. — Gott ſoll mich bewahren, antwortete jener, eben das Durchleſen dieſes verwünſcht langwei- ligen Buchs hat mir einen ſo entſezli- chen Verdruſs erweckt, daſs ich nun feſt entſchloſſen bin, mich zu erſäufen. Aber, was in aller Welt iſt das Mittel gegen die lange Weile, höre ich fragen; ſie begleitet uns auf den Ball, ins Schau- ſpielhaus, an den Theetiſch, auf die Promenade, genug, nirgends mehr kann man ſich vor ihr retten? — Sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/433
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/433>, abgerufen am 25.11.2024.