Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

rächen, -- nur an jene Stunde gedacht,
und an das Verhältniss, was dort entste-
hen wird, und ich stehe dafür, dass jene
misgünstigen oder menschenfeindlichen
Ideen sogleich verschwinden werden.
Die Ursache ist, weil durch diese Ver-
setzung des Schauplatzes alle jenen klein-
lichen und selbstsüchtigen Rücksichten
aufgehoben werden, die uns so gewöhn-
lich bestimmen; alles bekommt mit ei-
nemmale seinen wahren Gesichtspunct,
sein wahres Verhältniss, die Täuschung
schwindet, das Wesentliche bleibt.

2. Mancher fürchtet weit weniger
den Tod als die Operation des Sterbens.
Da macht man sich die allersonderbar-
sten Begriffe von der lezten Todesnoth,
der gewaltsamen Trennung der Seele
von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber
diess alles ist völlig ungegründet. Ge-
wiss hat noch kein Mensch das Sterben
selbst empfunden, und eben so bewusst-
los, wie wir ins Leben treten, eben so
treten wir wieder heraus. Anfang und

rächen, — nur an jene Stunde gedacht,
und an das Verhältniſs, was dort entſte-
hen wird, und ich ſtehe dafür, daſs jene
misgünſtigen oder menſchenfeindlichen
Ideen ſogleich verſchwinden werden.
Die Urſache iſt, weil durch dieſe Ver-
ſetzung des Schauplatzes alle jenen klein-
lichen und ſelbſtſüchtigen Rückſichten
aufgehoben werden, die uns ſo gewöhn-
lich beſtimmen; alles bekommt mit ei-
nemmale ſeinen wahren Geſichtspunct,
ſein wahres Verhältniſs, die Täuſchung
ſchwindet, das Weſentliche bleibt.

2. Mancher fürchtet weit weniger
den Tod als die Operation des Sterbens.
Da macht man ſich die allerſonderbar-
ſten Begriffe von der lezten Todesnoth,
der gewaltſamen Trennung der Seele
von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber
dieſs alles iſt völlig ungegründet. Ge-
wiſs hat noch kein Menſch das Sterben
ſelbſt empfunden, und eben ſo bewuſst-
los, wie wir ins Leben treten, eben ſo
treten wir wieder heraus. Anfang und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0425" n="397"/>
rächen, &#x2014; nur an jene Stunde gedacht,<lb/>
und an das Verhältni&#x017F;s, was dort ent&#x017F;te-<lb/>
hen wird, und ich &#x017F;tehe dafür, da&#x017F;s jene<lb/>
misgün&#x017F;tigen oder men&#x017F;chenfeindlichen<lb/>
Ideen &#x017F;ogleich ver&#x017F;chwinden werden.<lb/>
Die Ur&#x017F;ache i&#x017F;t, weil durch die&#x017F;e Ver-<lb/>
&#x017F;etzung des Schauplatzes alle jenen klein-<lb/>
lichen und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;üchtigen Rück&#x017F;ichten<lb/>
aufgehoben werden, die uns &#x017F;o gewöhn-<lb/>
lich be&#x017F;timmen; alles bekommt mit ei-<lb/>
nemmale &#x017F;einen wahren Ge&#x017F;ichtspunct,<lb/>
&#x017F;ein wahres Verhältni&#x017F;s, die Täu&#x017F;chung<lb/>
&#x017F;chwindet, das We&#x017F;entliche bleibt.</p><lb/>
            <p>2. Mancher fürchtet weit weniger<lb/>
den Tod als die Operation des Sterbens.<lb/>
Da macht man &#x017F;ich die aller&#x017F;onderbar-<lb/>
&#x017F;ten Begriffe von der lezten Todesnoth,<lb/>
der gewalt&#x017F;amen Trennung der Seele<lb/>
von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber<lb/>
die&#x017F;s alles i&#x017F;t völlig ungegründet. Ge-<lb/>
wi&#x017F;s hat noch kein Men&#x017F;ch das Sterben<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t empfunden, und eben &#x017F;o bewu&#x017F;st-<lb/>
los, wie wir ins Leben treten, eben &#x017F;o<lb/>
treten wir wieder heraus. Anfang und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0425] rächen, — nur an jene Stunde gedacht, und an das Verhältniſs, was dort entſte- hen wird, und ich ſtehe dafür, daſs jene misgünſtigen oder menſchenfeindlichen Ideen ſogleich verſchwinden werden. Die Urſache iſt, weil durch dieſe Ver- ſetzung des Schauplatzes alle jenen klein- lichen und ſelbſtſüchtigen Rückſichten aufgehoben werden, die uns ſo gewöhn- lich beſtimmen; alles bekommt mit ei- nemmale ſeinen wahren Geſichtspunct, ſein wahres Verhältniſs, die Täuſchung ſchwindet, das Weſentliche bleibt. 2. Mancher fürchtet weit weniger den Tod als die Operation des Sterbens. Da macht man ſich die allerſonderbar- ſten Begriffe von der lezten Todesnoth, der gewaltſamen Trennung der Seele von ihrem Körper u. dgl. mehr. Aber dieſs alles iſt völlig ungegründet. Ge- wiſs hat noch kein Menſch das Sterben ſelbſt empfunden, und eben ſo bewuſst- los, wie wir ins Leben treten, eben ſo treten wir wieder heraus. Anfang und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/425
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/425>, abgerufen am 25.11.2024.