Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

die in der Blüthe der Jahre, unter den
glücklichsten Umständen, blos aus Ekel
und Ueberdruss des Lebens, den entsez-
lichen und unwiderstehlichen Trieb her-
vorbringen kann, sich selbst zu vernich-
ten. *) Es giebt jezt wirklich Menschen,
bey denen jede Quelle von Lebensgefühl
und Lebensglück so vertrocknet, jeder
Keim von Thätigkeit und Genuss so ab-
gestorben ist, dass sie nichts so abge-
schmackt, ekel und fade finden, als das
Leben, dass sie gar keinen Berührungs-
punct mehr mit der sie umgebenden
Welt haben, und dass ihnen endlich das
Leben zu einer so drückenden Last wird,
dass sie dem Wunsche gar nicht widerste-
hen können, sich dessen zu entledigen.
Und diese Menschen sind fast immer die-
jenigen, welche durch zu frühzeitige
Ausschweifung, durch eine zu frühzei-
tige Verschwendung jener balsamischen

*) In 75 Jahren Harben in London am Selbstmord
gerade noch einmal so viel Menschen, als am
Seitenstechen.

die in der Blüthe der Jahre, unter den
glücklichſten Umſtänden, blos aus Ekel
und Ueberdruſs des Lebens, den entſez-
lichen und unwiderſtehlichen Trieb her-
vorbringen kann, ſich ſelbſt zu vernich-
ten. *) Es giebt jezt wirklich Menſchen,
bey denen jede Quelle von Lebensgefühl
und Lebensglück ſo vertrocknet, jeder
Keim von Thätigkeit und Genuſs ſo ab-
geſtorben iſt, daſs ſie nichts ſo abge-
ſchmackt, ekel und fade finden, als das
Leben, daſs ſie gar keinen Berührungs-
punct mehr mit der ſie umgebenden
Welt haben, und daſs ihnen endlich das
Leben zu einer ſo drückenden Laſt wird,
daſs ſie dem Wunſche gar nicht widerſte-
hen können, ſich deſſen zu entledigen.
Und dieſe Menſchen ſind faſt immer die-
jenigen, welche durch zu frühzeitige
Ausſchweifung, durch eine zu frühzei-
tige Verſchwendung jener balſamiſchen

*) In 75 Jahren Harben in London am Selbſtmord
gerade noch einmal ſo viel Menſchen, als am
Seitenſtechen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0395" n="367"/>
die in der Blüthe der Jahre, unter den<lb/>
glücklich&#x017F;ten Um&#x017F;tänden, blos aus Ekel<lb/>
und Ueberdru&#x017F;s des Lebens, den ent&#x017F;ez-<lb/>
lichen und unwider&#x017F;tehlichen Trieb her-<lb/>
vorbringen kann, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu vernich-<lb/>
ten. <note place="foot" n="*)">In 75 Jahren Harben in <hi rendition="#i">London</hi> am Selb&#x017F;tmord<lb/>
gerade noch einmal &#x017F;o viel Men&#x017F;chen, als am<lb/>
Seiten&#x017F;techen.</note> Es giebt jezt wirklich Men&#x017F;chen,<lb/>
bey denen jede Quelle von Lebensgefühl<lb/>
und Lebensglück &#x017F;o vertrocknet, jeder<lb/>
Keim von Thätigkeit und Genu&#x017F;s &#x017F;o ab-<lb/>
ge&#x017F;torben i&#x017F;t, da&#x017F;s &#x017F;ie nichts &#x017F;o abge-<lb/>
&#x017F;chmackt, ekel und fade finden, als das<lb/>
Leben, da&#x017F;s &#x017F;ie gar keinen Berührungs-<lb/>
punct mehr mit der &#x017F;ie umgebenden<lb/>
Welt haben, und da&#x017F;s ihnen endlich das<lb/>
Leben zu einer &#x017F;o drückenden La&#x017F;t wird,<lb/>
da&#x017F;s &#x017F;ie dem Wun&#x017F;che gar nicht wider&#x017F;te-<lb/>
hen können, &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en zu entledigen.<lb/>
Und die&#x017F;e Men&#x017F;chen &#x017F;ind fa&#x017F;t immer die-<lb/>
jenigen, welche durch zu frühzeitige<lb/>
Aus&#x017F;chweifung, durch eine zu frühzei-<lb/>
tige Ver&#x017F;chwendung jener bal&#x017F;ami&#x017F;chen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0395] die in der Blüthe der Jahre, unter den glücklichſten Umſtänden, blos aus Ekel und Ueberdruſs des Lebens, den entſez- lichen und unwiderſtehlichen Trieb her- vorbringen kann, ſich ſelbſt zu vernich- ten. *) Es giebt jezt wirklich Menſchen, bey denen jede Quelle von Lebensgefühl und Lebensglück ſo vertrocknet, jeder Keim von Thätigkeit und Genuſs ſo ab- geſtorben iſt, daſs ſie nichts ſo abge- ſchmackt, ekel und fade finden, als das Leben, daſs ſie gar keinen Berührungs- punct mehr mit der ſie umgebenden Welt haben, und daſs ihnen endlich das Leben zu einer ſo drückenden Laſt wird, daſs ſie dem Wunſche gar nicht widerſte- hen können, ſich deſſen zu entledigen. Und dieſe Menſchen ſind faſt immer die- jenigen, welche durch zu frühzeitige Ausſchweifung, durch eine zu frühzei- tige Verſchwendung jener balſamiſchen *) In 75 Jahren Harben in London am Selbſtmord gerade noch einmal ſo viel Menſchen, als am Seitenſtechen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/395
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/395>, abgerufen am 27.05.2024.