je mehr es immer Reizung ohne Befrie- digung ist. -- Man findet diesen Zu- stand vorzüglich bey Wollüstlingen, die sich endlich zwar zur körperlichen Keuschheit bekehren, aber sich durch diese geistige Wollust zu entschädigen suchen, ohne zu bedenken, dass sie in ihren Folgen nicht viel weniger schädlich ist -- ferner im religiösen Coelibat, wo diese Geistesonanie sogar den Mantel der brünstigen Andacht an- nehmen und sich hinter heilige Entzü- ckungen verstecken kann, und endlich auch bey ledigen Personen des andern Geschlechts, die durch Romanen und ähnliche Unterhaltungen ihrer Phan- tasie jene Richtung und Verderbniss ge- geben haben, die sich bey ihnen oft un- ter den modischen Namen Empfindsam- keit versteckt, und bey aller äussern Strenge und Zucht, oft im Innern ge- waltig ausschweifen.
je mehr es immer Reizung ohne Befrie- digung iſt. — Man findet dieſen Zu- ſtand vorzüglich bey Wollüſtlingen, die ſich endlich zwar zur körperlichen Keuſchheit bekehren, aber ſich durch dieſe geiſtige Wolluſt zu entſchädigen ſuchen, ohne zu bedenken, daſs ſie in ihren Folgen nicht viel weniger ſchädlich iſt — ferner im religiöſen Coelibat, wo dieſe Geiſtesonanie ſogar den Mantel der brünſtigen Andacht an- nehmen und ſich hinter heilige Entzü- ckungen verſtecken kann, und endlich auch bey ledigen Perſonen des andern Geſchlechts, die durch Romanen und ähnliche Unterhaltungen ihrer Phan- taſie jene Richtung und Verderbniſs ge- geben haben, die ſich bey ihnen oft un- ter den modiſchen Namen Empfindſam- keit verſteckt, und bey aller äuſſern Strenge und Zucht, oft im Innern ge- waltig ausſchweifen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0378"n="350"/>
je mehr es immer Reizung ohne Befrie-<lb/>
digung iſt. — Man findet dieſen Zu-<lb/>ſtand vorzüglich bey Wollüſtlingen, die<lb/>ſich endlich zwar zur körperlichen<lb/>
Keuſchheit bekehren, aber ſich durch<lb/>
dieſe geiſtige Wolluſt zu entſchädigen<lb/>ſuchen, ohne zu bedenken, daſs ſie<lb/>
in ihren Folgen nicht viel weniger<lb/>ſchädlich iſt — ferner im religiöſen<lb/>
Coelibat, wo dieſe Geiſtesonanie ſogar<lb/>
den Mantel der brünſtigen Andacht an-<lb/>
nehmen und ſich hinter heilige Entzü-<lb/>
ckungen verſtecken kann, und endlich<lb/>
auch bey ledigen Perſonen des andern<lb/>
Geſchlechts, die durch Romanen und<lb/>
ähnliche Unterhaltungen ihrer Phan-<lb/>
taſie jene Richtung und Verderbniſs ge-<lb/>
geben haben, die ſich bey ihnen oft un-<lb/>
ter den modiſchen Namen Empfindſam-<lb/>
keit verſteckt, und bey aller äuſſern<lb/>
Strenge und Zucht, oft im Innern ge-<lb/>
waltig ausſchweifen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[350/0378]
je mehr es immer Reizung ohne Befrie-
digung iſt. — Man findet dieſen Zu-
ſtand vorzüglich bey Wollüſtlingen, die
ſich endlich zwar zur körperlichen
Keuſchheit bekehren, aber ſich durch
dieſe geiſtige Wolluſt zu entſchädigen
ſuchen, ohne zu bedenken, daſs ſie
in ihren Folgen nicht viel weniger
ſchädlich iſt — ferner im religiöſen
Coelibat, wo dieſe Geiſtesonanie ſogar
den Mantel der brünſtigen Andacht an-
nehmen und ſich hinter heilige Entzü-
ckungen verſtecken kann, und endlich
auch bey ledigen Perſonen des andern
Geſchlechts, die durch Romanen und
ähnliche Unterhaltungen ihrer Phan-
taſie jene Richtung und Verderbniſs ge-
geben haben, die ſich bey ihnen oft un-
ter den modiſchen Namen Empfindſam-
keit verſteckt, und bey aller äuſſern
Strenge und Zucht, oft im Innern ge-
waltig ausſchweifen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/378>, abgerufen am 19.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.