ne Lebenskapacität und Dauer (wie wir in der Folge ausführlicher sehen wer- den) vermehrt. -- Der blosse Thier- mensch sinkt auch in Absicht der Lebens- dauer zu den Thieren, mit denen er an Grösse und Festigkeit in Parallel steht, ja selbst noch unter sie (wie ich gleich zei- gen werde) herab; da hingegen oft der schwächlichste Mensch vorzüglich durch diese geistige Subsistenz sein Leben viel weiter hinausschieben kann, als das stärkste Thier.
Aus eben diesen Prinzipien lässt sich nun auch das zweyte Räthsel auflösen, nehmlich: Wie kommt es, dass eben in dem Menschengeschlecht, dessen Lebens- dauer die des Thiers so weit übertrifft, und, wie uns Beyspiele gezeigt haben, zu einer ausserordentlichen Höhe gelangen kann, dennoch so wenige ihr wahres Ziel erreichen, und die meisten vor der Zeit sterben? oder mit andern Worten, dass da, wo die grösste Dauer möglich ist, dennoch die Sterblichkeit am grössten ist?
ne Lebenskapacität und Dauer (wie wir in der Folge ausführlicher ſehen wer- den) vermehrt. — Der bloſse Thier- menſch ſinkt auch in Abſicht der Lebens- dauer zu den Thieren, mit denen er an Gröſse und Feſtigkeit in Parallel ſteht, ja ſelbſt noch unter ſie (wie ich gleich zei- gen werde) herab; da hingegen oft der ſchwächlichſte Menſch vorzüglich durch dieſe geiſtige Subſiſtenz ſein Leben viel weiter hinausſchieben kann, als das ſtärkſte Thier.
Aus eben dieſen Prinzipien läſst ſich nun auch das zweyte Räthſel auflöſen, nehmlich: Wie kommt es, daſs eben in dem Menſchengeſchlecht, deſſen Lebens- dauer die des Thiers ſo weit übertrifft, und, wie uns Beyſpiele gezeigt haben, zu einer auſſerordentlichen Höhe gelangen kann, dennoch ſo wenige ihr wahres Ziel erreichen, und die meiſten vor der Zeit ſterben? oder mit andern Worten, daſs da, wo die gröſste Dauer möglich iſt, dennoch die Sterblichkeit am gröſsten iſt?
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ne Lebenskapacität und Dauer (wie wir
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menſch ſinkt auch in Abſicht der Lebens-
dauer zu den Thieren, mit denen er an
Gröſse und Feſtigkeit in Parallel ſteht, ja
ſelbſt noch unter ſie (wie ich gleich zei-
gen werde) herab; da hingegen oft der
ſchwächlichſte Menſch vorzüglich durch
dieſe geiſtige Subſiſtenz ſein Leben viel
weiter hinausſchieben kann, als das
ſtärkſte Thier.
Aus eben dieſen Prinzipien läſst ſich
nun auch das zweyte Räthſel auflöſen,
nehmlich: Wie kommt es, daſs eben in
dem Menſchengeſchlecht, deſſen Lebens-
dauer die des Thiers ſo weit übertrifft,
und, wie uns Beyſpiele gezeigt haben, zu
einer auſſerordentlichen Höhe gelangen
kann, dennoch ſo wenige ihr wahres Ziel
erreichen, und die meiſten vor der Zeit
ſterben? oder mit andern Worten, daſs
da, wo die gröſste Dauer möglich iſt,
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/279>, abgerufen am 25.11.2024.
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