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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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IV. Einen Hauptunterschied macht die
vollkommene Seelenorganisation
*)
*) Ich bitte, mich hier recht zu verstehen. Nicht
etwa dass ich die Seele selbst zu den Theilen oder
Producten, oder Eigenschaften oder Blüthen des
Körpers rechnete. Keineswegs! Die Seele ist in
meinen Augen etwas ganz vom Körper verschie-
denes, ein Wesen aus einer ganz andern, hö-
hern, intellectuellen Welt; aber in dieser sub-
lunarischen Verbindung, und um menschliche
Seele
zu seyn, muss sie Organe haben, und zwar
nicht bloss zu den Handlungen, sondern auch
zu den Empfindungen, ja selbst zu den höhern
Verrichtungen des Denkens und Ideenverbin-
dens. Die erste Ursach des Denkens ist also gei-
stig, aber das Denkgeschäft selbst (so wie es in
dieser menschlichen Maschine getrieben wird)
ist organisch. -- So allein wird das so auffal-
lend mechanische in vielen Denkgesetzen, der
Einfluss physischer Ursachen auf Verbesserung
und Zerrüttung des Denkgeschäfts erklärbar, und
man kann das Geschäft selbst materiell betrachten
und heilen, (ein Fall, den unser Beruf als
Aerzte oft mit sich bringt) ohne ein Materialist
zu seyn, d. h. ohne die erste Ursache desselben,
die Seele, für Materie zu halten, welches mir
wenigstens absurd zu seyn scheint.
Q 2
IV. Einen Hauptunterſchied macht die
vollkommene Seelenorganiſation
*)
*) Ich bitte, mich hier recht zu verſtehen. Nicht
etwa daſs ich die Seele ſelbſt zu den Theilen oder
Producten, oder Eigenſchaften oder Blüthen des
Körpers rechnete. Keineswegs! Die Seele iſt in
meinen Augen etwas ganz vom Körper verſchie-
denes, ein Weſen aus einer ganz andern, hö-
hern, intellectuellen Welt; aber in dieſer ſub-
lunariſchen Verbindung, und um menſchliche
Seele
zu ſeyn, muſs ſie Organe haben, und zwar
nicht bloſs zu den Handlungen, ſondern auch
zu den Empfindungen, ja ſelbſt zu den höhern
Verrichtungen des Denkens und Ideenverbin-
dens. Die erſte Urſach des Denkens iſt alſo gei-
ſtig, aber das Denkgeſchäft ſelbſt (ſo wie es in
dieſer menſchlichen Maſchine getrieben wird)
iſt organiſch. — So allein wird das ſo auffal-
lend mechaniſche in vielen Denkgeſetzen, der
Einfluſs phyſiſcher Urſachen auf Verbeſſerung
und Zerrüttung des Denkgeſchäfts erklärbar, und
man kann das Geſchäft ſelbſt materiell betrachten
und heilen, (ein Fall, den unſer Beruf als
Aerzte oft mit ſich bringt) ohne ein Materialiſt
zu ſeyn, d. h. ohne die erſte Urſache deſſelben,
die Seele, für Materie zu halten, welches mir
wenigſtens abſurd zu ſeyn ſcheint.
Q 2
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[243/0271] IV. Einen Hauptunterſchied macht die vollkommene Seelenorganiſation *) *) Ich bitte, mich hier recht zu verſtehen. Nicht etwa daſs ich die Seele ſelbſt zu den Theilen oder Producten, oder Eigenſchaften oder Blüthen des Körpers rechnete. Keineswegs! Die Seele iſt in meinen Augen etwas ganz vom Körper verſchie- denes, ein Weſen aus einer ganz andern, hö- hern, intellectuellen Welt; aber in dieſer ſub- lunariſchen Verbindung, und um menſchliche Seele zu ſeyn, muſs ſie Organe haben, und zwar nicht bloſs zu den Handlungen, ſondern auch zu den Empfindungen, ja ſelbſt zu den höhern Verrichtungen des Denkens und Ideenverbin- dens. Die erſte Urſach des Denkens iſt alſo gei- ſtig, aber das Denkgeſchäft ſelbſt (ſo wie es in dieſer menſchlichen Maſchine getrieben wird) iſt organiſch. — So allein wird das ſo auffal- lend mechaniſche in vielen Denkgeſetzen, der Einfluſs phyſiſcher Urſachen auf Verbeſſerung und Zerrüttung des Denkgeſchäfts erklärbar, und man kann das Geſchäft ſelbſt materiell betrachten und heilen, (ein Fall, den unſer Beruf als Aerzte oft mit ſich bringt) ohne ein Materialiſt zu ſeyn, d. h. ohne die erſte Urſache deſſelben, die Seele, für Materie zu halten, welches mir wenigſtens abſurd zu ſeyn ſcheint. Q 2

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/271>, abgerufen am 24.11.2024.