Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Jahr 1792 starb im Holsteinschen
ein gewisser Stender, ein arbeitsamer
Bauersmann, im 103ten Jahre. Seine
Nahrung war beynahe nichts anders als
Grütze und Buttermilch; äusserst selten
ass er Fleisch, und immer nur sehr stark
gesalzen. Er hatte fast niemals Durst,
und trank daher sehr selten. Tabak
rauchte er gern. Erst im Alter fing er an
Thee und zuweilen Koffee zu trinken.
Die Zähne verlor er bald. Krank war
er nie. Aergern konnte er sich gar nicht,
d. h. es war bey ihm physisch unmöglich
dass die Galle überging. Er vermied
auch alle Gelegenheit zu Zank und Streit.
Dafür aber hatte er ein desto grössres
Vertrauen auf die Vorsehung, und
wusste sich dadurch in allen Uebeln und
Unglücksfällen zu trösten und aufzurich-
ten. Seine liebste Unterhaltung war im-
mer: Gottes Güte. *) --

Eins der aller sonderbarsten Bey-
spiele, wie unter dem abwechselnd-

*) Schlesw. Hollstein. Provinz. Blatt. 1792.

Im Jahr 1792 ſtarb im Holſteinſchen
ein gewiſſer Stender, ein arbeitſamer
Bauersmann, im 103ten Jahre. Seine
Nahrung war beynahe nichts anders als
Grütze und Buttermilch; äuſſerſt ſelten
aſs er Fleiſch, und immer nur ſehr ſtark
geſalzen. Er hatte faſt niemals Durſt,
und trank daher ſehr ſelten. Tabak
rauchte er gern. Erſt im Alter fing er an
Thee und zuweilen Koffee zu trinken.
Die Zähne verlor er bald. Krank war
er nie. Aergern konnte er ſich gar nicht,
d. h. es war bey ihm phyſiſch unmöglich
daſs die Galle überging. Er vermied
auch alle Gelegenheit zu Zank und Streit.
Dafür aber hatte er ein deſto gröſsres
Vertrauen auf die Vorſehung, und
wuſste ſich dadurch in allen Uebeln und
Unglücksfällen zu tröſten und aufzurich-
ten. Seine liebſte Unterhaltung war im-
mer: Gottes Güte. *)

Eins der aller ſonderbarſten Bey-
ſpiele, wie unter dem abwechſelnd-

*) Schlesw. Hollſtein. Provinz. Blatt. 1792.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0198" n="170"/>
          <p>Im Jahr 1792 &#x017F;tarb im Hol&#x017F;tein&#x017F;chen<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#i">Stender</hi>, ein arbeit&#x017F;amer<lb/>
Bauersmann, im 103ten Jahre. Seine<lb/>
Nahrung war beynahe nichts anders als<lb/>
Grütze und Buttermilch; äu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t &#x017F;elten<lb/>
a&#x017F;s er Flei&#x017F;ch, und immer nur &#x017F;ehr &#x017F;tark<lb/>
ge&#x017F;alzen. Er hatte fa&#x017F;t niemals Dur&#x017F;t,<lb/>
und trank daher &#x017F;ehr &#x017F;elten. Tabak<lb/>
rauchte er gern. Er&#x017F;t im Alter fing er an<lb/>
Thee und zuweilen Koffee zu trinken.<lb/>
Die Zähne verlor er bald. Krank war<lb/>
er nie. Aergern konnte er &#x017F;ich gar nicht,<lb/>
d. h. es war bey ihm phy&#x017F;i&#x017F;ch unmöglich<lb/>
da&#x017F;s die Galle überging. Er vermied<lb/>
auch alle Gelegenheit zu Zank und Streit.<lb/>
Dafür aber hatte er ein de&#x017F;to grö&#x017F;sres<lb/>
Vertrauen auf die Vor&#x017F;ehung, und<lb/>
wu&#x017F;ste &#x017F;ich dadurch in allen Uebeln und<lb/>
Unglücksfällen zu trö&#x017F;ten und aufzurich-<lb/>
ten. Seine lieb&#x017F;te Unterhaltung war im-<lb/>
mer: Gottes Güte. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Schlesw. Holl&#x017F;tein. Provinz. Blatt</hi>. 1792.</note> &#x2014;</p><lb/>
          <p>Eins der aller &#x017F;onderbar&#x017F;ten Bey-<lb/>
&#x017F;piele, wie unter dem abwech&#x017F;elnd-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0198] Im Jahr 1792 ſtarb im Holſteinſchen ein gewiſſer Stender, ein arbeitſamer Bauersmann, im 103ten Jahre. Seine Nahrung war beynahe nichts anders als Grütze und Buttermilch; äuſſerſt ſelten aſs er Fleiſch, und immer nur ſehr ſtark geſalzen. Er hatte faſt niemals Durſt, und trank daher ſehr ſelten. Tabak rauchte er gern. Erſt im Alter fing er an Thee und zuweilen Koffee zu trinken. Die Zähne verlor er bald. Krank war er nie. Aergern konnte er ſich gar nicht, d. h. es war bey ihm phyſiſch unmöglich daſs die Galle überging. Er vermied auch alle Gelegenheit zu Zank und Streit. Dafür aber hatte er ein deſto gröſsres Vertrauen auf die Vorſehung, und wuſste ſich dadurch in allen Uebeln und Unglücksfällen zu tröſten und aufzurich- ten. Seine liebſte Unterhaltung war im- mer: Gottes Güte. *) — Eins der aller ſonderbarſten Bey- ſpiele, wie unter dem abwechſelnd- *) Schlesw. Hollſtein. Provinz. Blatt. 1792.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/198
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/198>, abgerufen am 05.05.2024.