Warum nicht? erwiederte er, ich habe, so lange ich lebte, den Menschen nach allen Kräften zu nützen gesucht, warum sollte ich nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben?
Selbst in neuern Zeiten haben die Philosophen diesen Vorzug sich erhalten. Und die grössten und tiefsten Denker scheinen darinne eine Frucht mehr ihrer geistigen Freuden zu geniessen. Kepler und Baco erreichten ein hohes Alter; Newton, der so ganz alle seine Freuden und Genüsse in höhern Sphären fand, dass man versichert, er habe seine Jung- frauschaft mit ins Grab genommen, kam bis auf 90 Jahre. Euler, ein Mann von unbegreiflicher Thätigkeit, dessen tief- gedachte Schriften sich über 300 belau- fen, näherte sich ebenfalls diesem Alter, und noch jezt zeigt der grösste lebende Philosoph, Kant, dass die Philosophie nicht nur das Leben lange erhalten, son- dern auch noch im höchsten Alter die treueste Gefährdin und eine uner-
Warum nicht? erwiederte er, ich habe, ſo lange ich lebte, den Menſchen nach allen Kräften zu nützen geſucht, warum ſollte ich nach meinem Tode nicht auch den Thieren etwas geben?
Selbſt in neuern Zeiten haben die Philoſophen dieſen Vorzug ſich erhalten. Und die gröſsten und tiefſten Denker ſcheinen darinne eine Frucht mehr ihrer geiſtigen Freuden zu genieſsen. Kepler und Baco erreichten ein hohes Alter; Newton, der ſo ganz alle ſeine Freuden und Genüſſe in höhern Sphären fand, daſs man verſichert, er habe ſeine Jung- frauſchaft mit ins Grab genommen, kam bis auf 90 Jahre. Euler, ein Mann von unbegreiflicher Thätigkeit, deſſen tief- gedachte Schriften ſich über 300 belau- fen, näherte ſich ebenfalls dieſem Alter, und noch jezt zeigt der gröſste lebende Philoſoph, Kant, daſs die Philoſophie nicht nur das Leben lange erhalten, ſon- dern auch noch im höchſten Alter die treueſte Gefährdin und eine uner-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0190"n="162"/><p>Warum nicht? erwiederte er, ich<lb/>
habe, ſo lange ich lebte, den Menſchen<lb/>
nach allen Kräften zu nützen geſucht,<lb/>
warum ſollte ich nach meinem Tode<lb/>
nicht auch den Thieren etwas geben?</p><lb/><p>Selbſt in neuern Zeiten haben die<lb/>
Philoſophen dieſen Vorzug ſich erhalten.<lb/>
Und die gröſsten und tiefſten Denker<lb/>ſcheinen darinne eine Frucht mehr ihrer<lb/>
geiſtigen Freuden zu genieſsen. <hirendition="#i">Kepler</hi><lb/>
und <hirendition="#i">Baco</hi> erreichten ein hohes Alter;<lb/><hirendition="#i">Newton</hi>, der ſo ganz alle ſeine Freuden<lb/>
und Genüſſe in höhern Sphären fand,<lb/>
daſs man verſichert, er habe ſeine Jung-<lb/>
frauſchaft mit ins Grab genommen, kam<lb/>
bis auf 90 Jahre. <hirendition="#i">Euler</hi>, ein Mann von<lb/>
unbegreiflicher Thätigkeit, deſſen tief-<lb/>
gedachte Schriften ſich über 300 belau-<lb/>
fen, näherte ſich ebenfalls dieſem Alter,<lb/>
und noch jezt zeigt der gröſste lebende<lb/>
Philoſoph, <hirendition="#i">Kant</hi>, daſs die Philoſophie<lb/>
nicht nur das Leben lange erhalten, ſon-<lb/>
dern auch noch im höchſten Alter die<lb/>
treueſte Gefährdin und eine uner-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0190]
Warum nicht? erwiederte er, ich
habe, ſo lange ich lebte, den Menſchen
nach allen Kräften zu nützen geſucht,
warum ſollte ich nach meinem Tode
nicht auch den Thieren etwas geben?
Selbſt in neuern Zeiten haben die
Philoſophen dieſen Vorzug ſich erhalten.
Und die gröſsten und tiefſten Denker
ſcheinen darinne eine Frucht mehr ihrer
geiſtigen Freuden zu genieſsen. Kepler
und Baco erreichten ein hohes Alter;
Newton, der ſo ganz alle ſeine Freuden
und Genüſſe in höhern Sphären fand,
daſs man verſichert, er habe ſeine Jung-
frauſchaft mit ins Grab genommen, kam
bis auf 90 Jahre. Euler, ein Mann von
unbegreiflicher Thätigkeit, deſſen tief-
gedachte Schriften ſich über 300 belau-
fen, näherte ſich ebenfalls dieſem Alter,
und noch jezt zeigt der gröſste lebende
Philoſoph, Kant, daſs die Philoſophie
nicht nur das Leben lange erhalten, ſon-
dern auch noch im höchſten Alter die
treueſte Gefährdin und eine uner-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/190>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.