Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit dem Fortschritt der Strassenbautechnik treten die
Wasserstrassen allmählich ihre Funktion als Handelswege
an die Chausseen ab (welch letztere dann wiederum
von der umwälzenden Entwickelung der Schienenstrassen
zurückgedrängt werden). Es ist nichts anderes als ein
Spiegelbild von dem Fortschreiten der Civilisation, wenn
man sich einen Ueberblick darüber giebt, wie allmählich
der Fluss- und Seeweg durch Landstrassen "konkurren-
ziert" und die bisherigen Hauptbahnen, seien dies nun
Seewege und Binnenwasserstrassen, oder Karawanenwege,
oder die neuzeitlichen Chausseen oder gar Eisenbahnen zu
Nebenbahnen werden für jenen grossen Strang, der
die internationalen Konsumtions- und Produktionsgruppen
miteinander verbindet 1).

In der römischen Kaiserzeit stärkt der gesteigerte
Handels- und Reiseverkehr auch den Landtransport, trotz

nalbauten (Nil, Nacho projektierte den Suezkanal, Nebukadnezar stellte
den schiftbaren Kanal zwischen Euphrat und Tigris her), und in den die
Länder verbindenden (nicht nur für den Nachbarschaftsverkehr her-
gestellten) Heerstrassen: z. B. in der unter Darius hergestellten Königs-
strasse von Sardes nach Susa, in der "Via Appia", und "Aemilia", (welche
den Römern als ein Vorbild für ihr Strassennetz, und als Mittel zur mili-
tärischen und politischen Zentralisation diente). So musste erst der Kompass
und die Magnetnadel erfunden sein, ehe die "Neue Welt" entdeckt werden
konnte; erst musste auch die Ingenieurkunst weiter vorangeschritten sein, um
die theoretischen Zweifel z. B. an der Möglichkeit der Vermählung der Fahr-
bahn mit dem Fahrzeug, an Ueberwindung der Reibung durch die Eisenbahn
zu beseitigen. Nur ein physikalisch-technischer Fortschritt ermöglichte den
heutigen Verkehr der Dampfschiffe, Telegraphen und Fernsprecher; über-
haupt ist die Geschichte der Transportvervollkommnung zugleich eine Ge-
schichte der menschlichen Erfindungen.
1) Ein Beispiel bietet der Verfall der Donaustrasse zur Zeit der Kreuz-
züge, da zum Nachteil der Donau die unmittelbare Konkurrenz des See-
weges in Gestalt des Mittelmeeres hervortrat, welches die Donau in ihrem
ganzen Laufe sozusagen flankiert. Als dann noch die Donaumündungen von
den Türken besetzt wurden, war damit der Sieg der Seestrasse und der Rück-
gang der alten Handelsstadt Regensburg, in deren Nachlass sich Wien, Mün-
chen und Venedig teilten, entschieden.

Mit dem Fortschritt der Strassenbautechnik treten die
Wasserstrassen allmählich ihre Funktion als Handelswege
an die Chausseen ab (welch letztere dann wiederum
von der umwälzenden Entwickelung der Schienenstrassen
zurückgedrängt werden). Es ist nichts anderes als ein
Spiegelbild von dem Fortschreiten der Civilisation, wenn
man sich einen Ueberblick darüber giebt, wie allmählich
der Fluss- und Seeweg durch Landstrassen »konkurren-
ziert« und die bisherigen Hauptbahnen, seien dies nun
Seewege und Binnenwasserstrassen, oder Karawanenwege,
oder die neuzeitlichen Chausseen oder gar Eisenbahnen zu
Nebenbahnen werden für jenen grossen Strang, der
die internationalen Konsumtions- und Produktionsgruppen
miteinander verbindet 1).

In der römischen Kaiserzeit stärkt der gesteigerte
Handels- und Reiseverkehr auch den Landtransport, trotz

nalbauten (Nil, Nàcho projektierte den Suezkanal, Nebukadnezar stellte
den schiftbaren Kanal zwischen Euphrat und Tigris her), und in den die
Länder verbindenden (nicht nur für den Nachbarschaftsverkehr her-
gestellten) Heerstrassen: z. B. in der unter Darius hergestellten Königs-
strasse von Sardes nach Susa, in der »Via Appia«, und »Aemilia«, (welche
den Römern als ein Vorbild für ihr Strassennetz, und als Mittel zur mili-
tärischen und politischen Zentralisation diente). So musste erst der Kompass
und die Magnetnadel erfunden sein, ehe die »Neue Welt« entdeckt werden
konnte; erst musste auch die Ingenieurkunst weiter vorangeschritten sein, um
die theoretischen Zweifel z. B. an der Möglichkeit der Vermählung der Fahr-
bahn mit dem Fahrzeug, an Ueberwindung der Reibung durch die Eisenbahn
zu beseitigen. Nur ein physikalisch-technischer Fortschritt ermöglichte den
heutigen Verkehr der Dampfschiffe, Telegraphen und Fernsprecher; über-
haupt ist die Geschichte der Transportvervollkommnung zugleich eine Ge-
schichte der menschlichen Erfindungen.
1) Ein Beispiel bietet der Verfall der Donaustrasse zur Zeit der Kreuz-
züge, da zum Nachteil der Donau die unmittelbare Konkurrenz des See-
weges in Gestalt des Mittelmeeres hervortrat, welches die Donau in ihrem
ganzen Laufe sozusagen flankiert. Als dann noch die Donaumündungen von
den Türken besetzt wurden, war damit der Sieg der Seestrasse und der Rück-
gang der alten Handelsstadt Regensburg, in deren Nachlass sich Wien, Mün-
chen und Venedig teilten, entschieden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="9"/>
Mit dem Fortschritt der Strassenbautechnik treten die<lb/>
Wasserstrassen allmählich ihre Funktion als Handelswege<lb/>
an die Chausseen ab (welch letztere dann wiederum<lb/>
von der umwälzenden Entwickelung der Schienenstrassen<lb/>
zurückgedrängt werden). Es ist nichts anderes als ein<lb/>
Spiegelbild von dem Fortschreiten der Civilisation, wenn<lb/>
man sich einen Ueberblick darüber giebt, wie allmählich<lb/>
der Fluss- und Seeweg durch Landstrassen »konkurren-<lb/>
ziert« und die bisherigen Hauptbahnen, seien dies nun<lb/>
Seewege und Binnenwasserstrassen, oder Karawanenwege,<lb/>
oder die neuzeitlichen Chausseen oder gar Eisenbahnen zu<lb/><hi rendition="#g">Nebenbahnen</hi> werden für jenen grossen Strang, der<lb/>
die internationalen Konsumtions- und Produktionsgruppen<lb/>
miteinander verbindet <note place="foot" n="1)">Ein Beispiel bietet der Verfall der Donaustrasse zur Zeit der Kreuz-<lb/>
züge, da zum Nachteil der Donau die unmittelbare Konkurrenz des See-<lb/>
weges in Gestalt des Mittelmeeres hervortrat, welches die Donau in ihrem<lb/>
ganzen Laufe sozusagen flankiert. Als dann noch die Donaumündungen von<lb/>
den Türken besetzt wurden, war damit der Sieg der Seestrasse und der Rück-<lb/>
gang der alten Handelsstadt Regensburg, in deren Nachlass sich Wien, Mün-<lb/>
chen und Venedig teilten, entschieden.</note>.</p><lb/>
          <p>In der römischen Kaiserzeit stärkt der gesteigerte<lb/>
Handels- und Reiseverkehr auch den Landtransport, trotz<lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="1)">nalbauten (Nil, Nàcho projektierte den Suezkanal, Nebukadnezar stellte<lb/>
den schiftbaren Kanal zwischen Euphrat und Tigris her), und in den die<lb/><hi rendition="#g">Länder</hi> verbindenden (nicht nur für den Nachbarschaftsverkehr her-<lb/>
gestellten) <hi rendition="#g">Heerstrassen</hi>: z. B. in der unter Darius hergestellten Königs-<lb/>
strasse von Sardes nach Susa, in der »Via Appia«, und »Aemilia«, (welche<lb/>
den Römern als ein Vorbild für ihr Strassennetz, und als Mittel zur mili-<lb/>
tärischen und politischen Zentralisation diente). So musste erst der Kompass<lb/>
und die Magnetnadel erfunden sein, ehe die »Neue Welt« entdeckt werden<lb/>
konnte; erst musste auch die Ingenieurkunst weiter vorangeschritten sein, um<lb/>
die theoretischen Zweifel z. B. an der Möglichkeit der Vermählung der Fahr-<lb/>
bahn mit dem Fahrzeug, an Ueberwindung der Reibung durch die Eisenbahn<lb/>
zu beseitigen. Nur ein physikalisch-technischer Fortschritt ermöglichte den<lb/>
heutigen Verkehr der Dampfschiffe, Telegraphen und Fernsprecher; über-<lb/>
haupt ist die Geschichte der Transportvervollkommnung zugleich eine Ge-<lb/>
schichte der menschlichen Erfindungen.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0025] Mit dem Fortschritt der Strassenbautechnik treten die Wasserstrassen allmählich ihre Funktion als Handelswege an die Chausseen ab (welch letztere dann wiederum von der umwälzenden Entwickelung der Schienenstrassen zurückgedrängt werden). Es ist nichts anderes als ein Spiegelbild von dem Fortschreiten der Civilisation, wenn man sich einen Ueberblick darüber giebt, wie allmählich der Fluss- und Seeweg durch Landstrassen »konkurren- ziert« und die bisherigen Hauptbahnen, seien dies nun Seewege und Binnenwasserstrassen, oder Karawanenwege, oder die neuzeitlichen Chausseen oder gar Eisenbahnen zu Nebenbahnen werden für jenen grossen Strang, der die internationalen Konsumtions- und Produktionsgruppen miteinander verbindet 1). In der römischen Kaiserzeit stärkt der gesteigerte Handels- und Reiseverkehr auch den Landtransport, trotz 1) 1) Ein Beispiel bietet der Verfall der Donaustrasse zur Zeit der Kreuz- züge, da zum Nachteil der Donau die unmittelbare Konkurrenz des See- weges in Gestalt des Mittelmeeres hervortrat, welches die Donau in ihrem ganzen Laufe sozusagen flankiert. Als dann noch die Donaumündungen von den Türken besetzt wurden, war damit der Sieg der Seestrasse und der Rück- gang der alten Handelsstadt Regensburg, in deren Nachlass sich Wien, Mün- chen und Venedig teilten, entschieden. 1) nalbauten (Nil, Nàcho projektierte den Suezkanal, Nebukadnezar stellte den schiftbaren Kanal zwischen Euphrat und Tigris her), und in den die Länder verbindenden (nicht nur für den Nachbarschaftsverkehr her- gestellten) Heerstrassen: z. B. in der unter Darius hergestellten Königs- strasse von Sardes nach Susa, in der »Via Appia«, und »Aemilia«, (welche den Römern als ein Vorbild für ihr Strassennetz, und als Mittel zur mili- tärischen und politischen Zentralisation diente). So musste erst der Kompass und die Magnetnadel erfunden sein, ehe die »Neue Welt« entdeckt werden konnte; erst musste auch die Ingenieurkunst weiter vorangeschritten sein, um die theoretischen Zweifel z. B. an der Möglichkeit der Vermählung der Fahr- bahn mit dem Fahrzeug, an Ueberwindung der Reibung durch die Eisenbahn zu beseitigen. Nur ein physikalisch-technischer Fortschritt ermöglichte den heutigen Verkehr der Dampfschiffe, Telegraphen und Fernsprecher; über- haupt ist die Geschichte der Transportvervollkommnung zugleich eine Ge- schichte der menschlichen Erfindungen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/25
Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/25>, abgerufen am 25.04.2024.