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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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rechnen der Beförderungsgebühr für transitierende Ausland-
briefe 1).

Plan und System in die Berechnung des Portos und in
dessen internationale Verrechnung, sowie in das Ineinander-
greifen und in das Zusammenlegen der Kurse zu bringen, dazu
zwang zudem eine neuaufkommende Kraft, welche von den
Kaufleuten in ihrer treibenden und befruchtenden Wirkung für
Handel und Verkehr recht bald erkannt worden war. Dr. Ennen
(loc. cit. S. 172) meint, diese Kraft habe in der Post verborgen
gelegen. Aber die Post war nur der äussere Repräsentant dieser
Kraft, ähnlich wie das Hotel als der Repräsentant des Fremden-
verkehrs, die Zeitung als der der zunehmenden öffentlichen
Bildung angesehen werden kann. Was sich damals -- und zwar
auf Grund der tarifarischen Verschmelzung, sowie der Erhöhung
und Verfeinerung der Lebenshaltung, und der zunehmenden
politischen Zentralisierung ausbildete, das war das Bedürfnis
aller Kulturvölker, im Gedanken-, und Waren-Austausch einander
näher zu rücken, das war die thatsächliche Zusammenziehung
der räumlichen Distanzen. Die Unterlage hiezu war in der
steigenden Sicherheit des täglichen Gedanken-Austausches
in die Ferne und in der ständigen Fühlung der Hauptplätze
untereinander geschaffen; die Neuerung bestand zunächst eben
in diesen dauernden und ständigen Verkehrsbeziehungen zwischen
den wichtigeren Handelsplätzen, in einer volkswirtschaftlichen
und später weltwirtschaftlichen "universitas" oder Einheit.

Diese "universitas" führt in der nationalökonomischen Theorie
ein gleich räthselhaftes Dasein, wie die universitas als "juristische
Person" in der Jurisprudenz: hier wie dort hat der Organismus
einen greifbaren Körper nicht, und äussert doch eine Macht
in der einheitlichen Zusammenhaltung der Mittel und Kräfte.

1) Der internationale Austausch von Briefen (und Postpacketen) und
die Portoverteilung bildete eine Frage, welche Jahrhunderte zu ihrer Lösung
bedurfte. Erst der Weltpostverein führte das freie Durchgangsrecht und
den Wegfall jeder Teilung der Gebühren durch; bis vor wenigen Jahren
noch verlangte Frankreich für einen durchgehenden Brief wenigstens das
interne Porto.

rechnen der Beförderungsgebühr für transitierende Ausland-
briefe 1).

Plan und System in die Berechnung des Portos und in
dessen internationale Verrechnung, sowie in das Ineinander-
greifen und in das Zusammenlegen der Kurse zu bringen, dazu
zwang zudem eine neuaufkommende Kraft, welche von den
Kaufleuten in ihrer treibenden und befruchtenden Wirkung für
Handel und Verkehr recht bald erkannt worden war. Dr. Ennen
(loc. cit. S. 172) meint, diese Kraft habe in der Post verborgen
gelegen. Aber die Post war nur der äussere Repräsentant dieser
Kraft, ähnlich wie das Hotel als der Repräsentant des Fremden-
verkehrs, die Zeitung als der der zunehmenden öffentlichen
Bildung angesehen werden kann. Was sich damals — und zwar
auf Grund der tarifarischen Verschmelzung, sowie der Erhöhung
und Verfeinerung der Lebenshaltung, und der zunehmenden
politischen Zentralisierung ausbildete, das war das Bedürfnis
aller Kulturvölker, im Gedanken-, und Waren-Austausch einander
näher zu rücken, das war die thatsächliche Zusammenziehung
der räumlichen Distanzen. Die Unterlage hiezu war in der
steigenden Sicherheit des täglichen Gedanken-Austausches
in die Ferne und in der ständigen Fühlung der Hauptplätze
untereinander geschaffen; die Neuerung bestand zunächst eben
in diesen dauernden und ständigen Verkehrsbeziehungen zwischen
den wichtigeren Handelsplätzen, in einer volkswirtschaftlichen
und später weltwirtschaftlichen »universitas« oder Einheit.

Diese »universitas« führt in der nationalökonomischen Theorie
ein gleich räthselhaftes Dasein, wie die universitas als »juristische
Person« in der Jurisprudenz: hier wie dort hat der Organismus
einen greifbaren Körper nicht, und äussert doch eine Macht
in der einheitlichen Zusammenhaltung der Mittel und Kräfte.

1) Der internationale Austausch von Briefen (und Postpacketen) und
die Portoverteilung bildete eine Frage, welche Jahrhunderte zu ihrer Lösung
bedurfte. Erst der Weltpostverein führte das freie Durchgangsrecht und
den Wegfall jeder Teilung der Gebühren durch; bis vor wenigen Jahren
noch verlangte Frankreich für einen durchgehenden Brief wenigstens das
interne Porto.
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[223/0239] rechnen der Beförderungsgebühr für transitierende Ausland- briefe 1). Plan und System in die Berechnung des Portos und in dessen internationale Verrechnung, sowie in das Ineinander- greifen und in das Zusammenlegen der Kurse zu bringen, dazu zwang zudem eine neuaufkommende Kraft, welche von den Kaufleuten in ihrer treibenden und befruchtenden Wirkung für Handel und Verkehr recht bald erkannt worden war. Dr. Ennen (loc. cit. S. 172) meint, diese Kraft habe in der Post verborgen gelegen. Aber die Post war nur der äussere Repräsentant dieser Kraft, ähnlich wie das Hotel als der Repräsentant des Fremden- verkehrs, die Zeitung als der der zunehmenden öffentlichen Bildung angesehen werden kann. Was sich damals — und zwar auf Grund der tarifarischen Verschmelzung, sowie der Erhöhung und Verfeinerung der Lebenshaltung, und der zunehmenden politischen Zentralisierung ausbildete, das war das Bedürfnis aller Kulturvölker, im Gedanken-, und Waren-Austausch einander näher zu rücken, das war die thatsächliche Zusammenziehung der räumlichen Distanzen. Die Unterlage hiezu war in der steigenden Sicherheit des täglichen Gedanken-Austausches in die Ferne und in der ständigen Fühlung der Hauptplätze untereinander geschaffen; die Neuerung bestand zunächst eben in diesen dauernden und ständigen Verkehrsbeziehungen zwischen den wichtigeren Handelsplätzen, in einer volkswirtschaftlichen und später weltwirtschaftlichen »universitas« oder Einheit. Diese »universitas« führt in der nationalökonomischen Theorie ein gleich räthselhaftes Dasein, wie die universitas als »juristische Person« in der Jurisprudenz: hier wie dort hat der Organismus einen greifbaren Körper nicht, und äussert doch eine Macht in der einheitlichen Zusammenhaltung der Mittel und Kräfte. 1) Der internationale Austausch von Briefen (und Postpacketen) und die Portoverteilung bildete eine Frage, welche Jahrhunderte zu ihrer Lösung bedurfte. Erst der Weltpostverein führte das freie Durchgangsrecht und den Wegfall jeder Teilung der Gebühren durch; bis vor wenigen Jahren noch verlangte Frankreich für einen durchgehenden Brief wenigstens das interne Porto.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/239>, abgerufen am 22.11.2024.