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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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schweig-Lüneburg an den Kaiser, dass die zwischen Leipzig und
Frankfurt gehenden Fussboten, "wenn sie nicht an andern Orten
durch streiffende Personen niedergeworffen, und Ihnen die schreiben,
wie zu verschiedenen mahlen geschehen abgenommen oder sonst auf-
gehalten werden, sich allemahl richtig halten
." Die in diesem
Schreiben erwähnte Unsicherheit war namentlich nach dem
dreissigjährigen und siebenjährigen Krieg, da der Strassenraub
professionell betrieben wurde, noch schlimmer als der Zustand
der Strassen. In einem Vertrage, den 1659 Nürnberg mit dem
Herzog von Altenburg wegen des Geleits für die "Kauf- und
Fuhrleute" abschloss, heisst es u. a.: "nachdem die Unsicherheit
guten Theils die abgenommene commercien verursacht, sollen im Hin-
und Zurückweg zum wenigsten eine Kutsche mit Handelsleuten in
demselben (ordentlichen) Glait raisen
" (Roth, Geschichte des Nürn-
bergischen Handels 1800, II. T. S. 17).

Weiter muss man sich vergegenwärtigen, dass für die Gegen-
den, die abseits von den grossen Heerstrassen lagen, eine Ge-
legenheit zu einer gesicherten und regelmässigen Brief-Ueber-
sendung noch Jahrhunderte lang nicht geboten war. Noch im
16.--17. Jahrhundert hatten nur die grösseren Städte ihren
regelmässig eingerichteten Botendienst. Für die kleineren Plätze
kam die Absendung eines Briefes nach auswärts ziemlich hoch
zu stehen. Der Stadtbote ging nur nach den nächstgelegenen
Nachbar-Städten, darüber hinaus musste ein "expresser" Bote
verwendet werden. Gewöhnlich musste er auch die Antwort
zurückbringen, in welchem Falle noch ein Wartgeld für den
Aufenthalt in der fremden Stadt dazukam.

Dieser mangelhafte Zustand wurde allerdings nicht zu schwer
empfunden, weil damals die kleineren Plätze das Bedürfnis nach
einer vollkommeneren Einrichtung noch nicht hatten 1).

1) Zur Illustrierung der Art der Passagierbeförderung erzählt Stäger
(Das schweizerische Postwesen, 1879) nachfolgenden Fall, der typisch ge-
wesen sei. Ein Reisender steigt in Coppet (Waadt) in den Wagen; sein
Reiseziel ist Zürich; in Bern angekommen, teilt man ihm mit, dass kein
Wagen für Zürich da sei, wohl aber einer für Basel. Er wartet in Bern
2 Tage auf den Abgang des nächstens Wagens nach Zürich, in der Hoff-
nung, seinen Platz zu finden; der Wagen ist jedoch schon besetzt, und er

schweig-Lüneburg an den Kaiser, dass die zwischen Leipzig und
Frankfurt gehenden Fussboten, »wenn sie nicht an andern Orten
durch streiffende Personen niedergeworffen, und Ihnen die schreiben,
wie zu verschiedenen mahlen geschehen abgenommen oder sonst auf-
gehalten werden, sich allemahl richtig halten
.« Die in diesem
Schreiben erwähnte Unsicherheit war namentlich nach dem
dreissigjährigen und siebenjährigen Krieg, da der Strassenraub
professionell betrieben wurde, noch schlimmer als der Zustand
der Strassen. In einem Vertrage, den 1659 Nürnberg mit dem
Herzog von Altenburg wegen des Geleits für die »Kauf- und
Fuhrleute« abschloss, heisst es u. a.: »nachdem die Unsicherheit
guten Theils die abgenommene commercien verursacht, sollen im Hin-
und Zurückweg zum wenigsten eine Kutsche mit Handelsleuten in
demselben (ordentlichen) Glait raisen
« (Roth, Geschichte des Nürn-
bergischen Handels 1800, II. T. S. 17).

Weiter muss man sich vergegenwärtigen, dass für die Gegen-
den, die abseits von den grossen Heerstrassen lagen, eine Ge-
legenheit zu einer gesicherten und regelmässigen Brief-Ueber-
sendung noch Jahrhunderte lang nicht geboten war. Noch im
16.—17. Jahrhundert hatten nur die grösseren Städte ihren
regelmässig eingerichteten Botendienst. Für die kleineren Plätze
kam die Absendung eines Briefes nach auswärts ziemlich hoch
zu stehen. Der Stadtbote ging nur nach den nächstgelegenen
Nachbar-Städten, darüber hinaus musste ein »expresser« Bote
verwendet werden. Gewöhnlich musste er auch die Antwort
zurückbringen, in welchem Falle noch ein Wartgeld für den
Aufenthalt in der fremden Stadt dazukam.

Dieser mangelhafte Zustand wurde allerdings nicht zu schwer
empfunden, weil damals die kleineren Plätze das Bedürfnis nach
einer vollkommeneren Einrichtung noch nicht hatten 1).

1) Zur Illustrierung der Art der Passagierbeförderung erzählt Stäger
(Das schweizerische Postwesen, 1879) nachfolgenden Fall, der typisch ge-
wesen sei. Ein Reisender steigt in Coppet (Waadt) in den Wagen; sein
Reiseziel ist Zürich; in Bern angekommen, teilt man ihm mit, dass kein
Wagen für Zürich da sei, wohl aber einer für Basel. Er wartet in Bern
2 Tage auf den Abgang des nächstens Wagens nach Zürich, in der Hoff-
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[174/0190] schweig-Lüneburg an den Kaiser, dass die zwischen Leipzig und Frankfurt gehenden Fussboten, »wenn sie nicht an andern Orten durch streiffende Personen niedergeworffen, und Ihnen die schreiben, wie zu verschiedenen mahlen geschehen abgenommen oder sonst auf- gehalten werden, sich allemahl richtig halten.« Die in diesem Schreiben erwähnte Unsicherheit war namentlich nach dem dreissigjährigen und siebenjährigen Krieg, da der Strassenraub professionell betrieben wurde, noch schlimmer als der Zustand der Strassen. In einem Vertrage, den 1659 Nürnberg mit dem Herzog von Altenburg wegen des Geleits für die »Kauf- und Fuhrleute« abschloss, heisst es u. a.: »nachdem die Unsicherheit guten Theils die abgenommene commercien verursacht, sollen im Hin- und Zurückweg zum wenigsten eine Kutsche mit Handelsleuten in demselben (ordentlichen) Glait raisen« (Roth, Geschichte des Nürn- bergischen Handels 1800, II. T. S. 17). Weiter muss man sich vergegenwärtigen, dass für die Gegen- den, die abseits von den grossen Heerstrassen lagen, eine Ge- legenheit zu einer gesicherten und regelmässigen Brief-Ueber- sendung noch Jahrhunderte lang nicht geboten war. Noch im 16.—17. Jahrhundert hatten nur die grösseren Städte ihren regelmässig eingerichteten Botendienst. Für die kleineren Plätze kam die Absendung eines Briefes nach auswärts ziemlich hoch zu stehen. Der Stadtbote ging nur nach den nächstgelegenen Nachbar-Städten, darüber hinaus musste ein »expresser« Bote verwendet werden. Gewöhnlich musste er auch die Antwort zurückbringen, in welchem Falle noch ein Wartgeld für den Aufenthalt in der fremden Stadt dazukam. Dieser mangelhafte Zustand wurde allerdings nicht zu schwer empfunden, weil damals die kleineren Plätze das Bedürfnis nach einer vollkommeneren Einrichtung noch nicht hatten 1). 1) Zur Illustrierung der Art der Passagierbeförderung erzählt Stäger (Das schweizerische Postwesen, 1879) nachfolgenden Fall, der typisch ge- wesen sei. Ein Reisender steigt in Coppet (Waadt) in den Wagen; sein Reiseziel ist Zürich; in Bern angekommen, teilt man ihm mit, dass kein Wagen für Zürich da sei, wohl aber einer für Basel. Er wartet in Bern 2 Tage auf den Abgang des nächstens Wagens nach Zürich, in der Hoff- nung, seinen Platz zu finden; der Wagen ist jedoch schon besetzt, und er

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/190>, abgerufen am 30.04.2024.