einer Anstalt. Gerade zu Anfang des 15. Jahrhunderts war Macht und Wohlstand des Ordens schon so unterhöhlt, dass er kaum im Stande war, noch eine grössere Organisation ins Leben zu rufen. Ich glaube nicht gar fehl zu gehen, wenn ich an- nehme: Nicht die Urkunden in Königsberg haben Matthias zu der Schilderung der seit 1276 "ausgebildeten" Posten der Deutsch- ordensritter inspiriert, sondern wohl mehr der rein äussere Um- stand, dass die Einweihung der Ordensmeisterburg im J. 1276 zeitlich so hübsch mit der Erwählung Rudolphs von Habsburg zum deutschen Kaiser (im J. 1273) zusammenfiel, und nun beide Daten, im Zusammenhang mit der Stiftung der Hansa im J. 1241, bezw. 1310, eine so treffliche Stütze für die Hypothese des Ver- fassers abgaben, wonach schon in die Zeit der Wende des 13. Jhh. das Entstehen eines allgemeinen förmlichen Boten- wesens in Deutschland fallen, und die Ehre der Erfindung des Postwesens nicht Ludwig XI. gebühren soll. --
Ebenso voreilig verfährt Matthias bezüglich des hanse- städtischen Verkehrs: er schildert (Bd. I., S. 90--93) die Ein- richtung der Botenanstalt bald nach Begründung der Hansa und der (angeblich schon "zu Anfang des 14. Jahrhunderts, 200 Jahre vor Taxis" organisierten) Hauptbotenkurse nach Riga, Amster- dam, Nürnberg und Köln. "Hamburg", sagt er S. 91, "das überreiche, starke Hamburg, Deutschlands erste See- und Handels- stadt, war es, von wo der Briefwechsel nach allen Richtungen an die Verbündeten ausgieng, in der alle Spekulationen geprüft und geleitet wurden, wohin folglich alle (Reichtümer und) Fracht- güter zur weitern Verteilung giengen. Hier war der Haupt-Ver- einigungs- und Ausgangspunkt alles kaufmännischen Verkehrs und Briefwechsels, und zu dessen Beförderung die Haupt- Boten-Anstalt ... Die ältesten Urkunden und andre Schriften aus jener Zeit über den Anfang und die Verfassung dieser ganz eigentlich in Norddeutschland entstandenen und unterhaltenen Boten-Anstalten sind zwar entweder verloren gegangen, oder liegen in mancher Städtischen Schriften- sammlung verborgen; indessen gewähren dennoch einigen Ersatz die in verschiedenen Post- und Stadt-Archiven aufbe- wahrten Urkunden und spätern Nachrichten, und die schrift-
einer Anstalt. Gerade zu Anfang des 15. Jahrhunderts war Macht und Wohlstand des Ordens schon so unterhöhlt, dass er kaum im Stande war, noch eine grössere Organisation ins Leben zu rufen. Ich glaube nicht gar fehl zu gehen, wenn ich an- nehme: Nicht die Urkunden in Königsberg haben Matthias zu der Schilderung der seit 1276 »ausgebildeten« Posten der Deutsch- ordensritter inspiriert, sondern wohl mehr der rein äussere Um- stand, dass die Einweihung der Ordensmeisterburg im J. 1276 zeitlich so hübsch mit der Erwählung Rudolphs von Habsburg zum deutschen Kaiser (im J. 1273) zusammenfiel, und nun beide Daten, im Zusammenhang mit der Stiftung der Hansa im J. 1241, bezw. 1310, eine so treffliche Stütze für die Hypothese des Ver- fassers abgaben, wonach schon in die Zeit der Wende des 13. Jhh. das Entstehen eines allgemeinen förmlichen Boten- wesens in Deutschland fallen, und die Ehre der Erfindung des Postwesens nicht Ludwig XI. gebühren soll. —
Ebenso voreilig verfährt Matthias bezüglich des hanse- städtischen Verkehrs: er schildert (Bd. I., S. 90—93) die Ein- richtung der Botenanstalt bald nach Begründung der Hansa und der (angeblich schon »zu Anfang des 14. Jahrhunderts, 200 Jahre vor Taxis« organisierten) Hauptbotenkurse nach Riga, Amster- dam, Nürnberg und Köln. »Hamburg«, sagt er S. 91, »das überreiche, starke Hamburg, Deutschlands erste See- und Handels- stadt, war es, von wo der Briefwechsel nach allen Richtungen an die Verbündeten ausgieng, in der alle Spekulationen geprüft und geleitet wurden, wohin folglich alle (Reichtümer und) Fracht- güter zur weitern Verteilung giengen. Hier war der Haupt-Ver- einigungs- und Ausgangspunkt alles kaufmännischen Verkehrs und Briefwechsels, und zu dessen Beförderung die Haupt- Boten-Anstalt … Die ältesten Urkunden und andre Schriften aus jener Zeit über den Anfang und die Verfassung dieser ganz eigentlich in Norddeutschland entstandenen und unterhaltenen Boten-Anstalten sind zwar entweder verloren gegangen, oder liegen in mancher Städtischen Schriften- sammlung verborgen; indessen gewähren dennoch einigen Ersatz die in verschiedenen Post- und Stadt-Archiven aufbe- wahrten Urkunden und spätern Nachrichten, und die schrift-
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einer Anstalt. Gerade zu Anfang des 15. Jahrhunderts war
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zu rufen. Ich glaube nicht gar fehl zu gehen, wenn ich an-
nehme: Nicht die Urkunden in Königsberg haben Matthias zu
der Schilderung der seit 1276 »ausgebildeten« Posten der Deutsch-
ordensritter inspiriert, sondern wohl mehr der rein äussere Um-
stand, dass die Einweihung der Ordensmeisterburg im J. 1276
zeitlich so hübsch mit der Erwählung Rudolphs von Habsburg
zum deutschen Kaiser (im J. 1273) zusammenfiel, und nun beide
Daten, im Zusammenhang mit der Stiftung der Hansa im J. 1241,
bezw. 1310, eine so treffliche Stütze für die Hypothese des Ver-
fassers abgaben, wonach schon in die Zeit der Wende des
13. Jhh. das Entstehen eines allgemeinen förmlichen Boten-
wesens in Deutschland fallen, und die Ehre der Erfindung des
Postwesens nicht Ludwig XI. gebühren soll. —
Ebenso voreilig verfährt Matthias bezüglich des hanse-
städtischen Verkehrs: er schildert (Bd. I., S. 90—93) die Ein-
richtung der Botenanstalt bald nach Begründung der Hansa und
der (angeblich schon »zu Anfang des 14. Jahrhunderts, 200 Jahre
vor Taxis« organisierten) Hauptbotenkurse nach Riga, Amster-
dam, Nürnberg und Köln. »Hamburg«, sagt er S. 91, »das
überreiche, starke Hamburg, Deutschlands erste See- und Handels-
stadt, war es, von wo der Briefwechsel nach allen Richtungen
an die Verbündeten ausgieng, in der alle Spekulationen geprüft
und geleitet wurden, wohin folglich alle (Reichtümer und) Fracht-
güter zur weitern Verteilung giengen. Hier war der Haupt-Ver-
einigungs- und Ausgangspunkt alles kaufmännischen Verkehrs
und Briefwechsels, und zu dessen Beförderung die Haupt-
Boten-Anstalt … Die ältesten Urkunden und andre
Schriften aus jener Zeit über den Anfang und die Verfassung
dieser ganz eigentlich in Norddeutschland entstandenen und
unterhaltenen Boten-Anstalten sind zwar entweder verloren
gegangen, oder liegen in mancher Städtischen Schriften-
sammlung verborgen; indessen gewähren dennoch einigen
Ersatz die in verschiedenen Post- und Stadt-Archiven aufbe-
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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/171>, abgerufen am 16.02.2025.
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